Samstag, 24. März 2012

Die Farce von Baku: Der Grand Prix in einer nicht maskierten Diktatur




  1. "Der Song Contest ist nicht einfach eine unpolitische Musikveranstaltung"

    Nachdem Roman Lob das Deutschland-Finale des Eurovision Song Contests (ESC) gewonnen hat und somit Deutschland am 26. Mai 2012 beim ESC in Baku vertreten wird, ruft Reporter ohne Grenzen (ROG) alle Beteiligten auf, sich intensiv mit dem Gastgeberland Aserbaidschan auseinanderzusetzen und öffentlich Position zu den Verletzungen der Presse- und Meinungsfreiheit dort zu beziehen.

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  2. Was hat der Eurovision Song Contest mit Lobbyismus zu tun? Viel, wenn er in Aserbaidschan stattfindet. Um sein Image im Vorfeld des Medienspektakels zu polieren, setzt das autoritäre Regime auf einen PR-Berater aus Deutschland, der Schlagzeilen wie "Menschenrechtsverletzungen" und "Einschränkungen der Pressefreiheit" mit der prosperierenden Wirtschaft und guten Investitionsmöglichkeiten ersetzen soll.

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Anmerkung: Noch hält sich die Berichterstattung über das alberne Schlager- und Pop-Event ja in überschaubaren Grenzen - das wird sich spätestens im Mai aber erfahrungsgemäß ändern. Ich gehe jede Wette ein, dass die unsäglichen Zustände in Aserbaidschan dabei nur eine kleine Nebenrolle spielen werden - und zwar je kleiner, desto mehr Erfolg der "deutsche Kandidat" dort hat. Sollte die deutsche Hupf- und Trällerdohle hingegen auf mittleren oder gar hinteren Plätzen landen, werden sich die üblichen Medien sicherlich vermehrt auf die plötzlich entdeckten "skandalösen Zustände" in jenem Land stürzen.

Im Filmbericht wird ja die Hoffnung einiger politischer Aktivisten und Bürgerrechtler aus Aserbaidschan formuliert, den Grand Prix dafür nutzen zu können, die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf die schlimmen Zustände in diesem Land zu lenken. Ich möchte diese Hoffnung nicht zerstören, auch wenn ich sie - insbesondere auf Deutschland bezogen - sehr skeptisch betrachte.

In jedem Falle sollten alle Zuschauer, die aus welchen Gründen auch immer diesen peinlichen, nichtssagenden Wettbewerb verfolgen möchten, stets im Hinterkopf behalten, welches Leid und Elend hinter der glitzernden und höchstwahrscheinlich perfekt inszenierten Show steht. Noch besser wäre aus meiner Sicht ein vollständiger Boykott dieser Veranstaltung, die ähnlich groteske Züge trägt wie die Olympischen Spiele 1936 im faschistischen Deutschland:

"Während die Sportler um Medaillen kämpften, errichteten Häftlinge vor den Toren Berlins ein KZ: Die Olympischen Spiele verschafften dem NS-Regime einen internationalen Triumph - dass alle Boykott-Aufrufe erfolglos blieben, verdankte Hitler ausgerechnet einem Amerikaner." (Weiterlesen)

Es versteht sich von selbst, dass heute ein Boykott des ESC von der neoliberalen Bande und den begleitenden Medien nicht einmal erwähnt oder gar diskutiert wird. In Aserbaidschan herrscht eine Diktatur? Hey, wen stört's, wenn der Rubel fleißig in die richtigen Taschen rollt!

4 Kommentare:

ClausiCologne hat gesagt…

Ich schließe mich dem Boykottaufruf ausdrücklich an! Bislang hat erst ein einziges Land, nämlich Armenien, die nötigen Konsquenzen gezogen:

http://www.augsburger-allgemeine.de/panorama/Boykott-des-Eurovision-Song-Contest-in-Baku-id19113786.html

Es ist traurig, aber auch irgendwie bezeichnend, daß sich sonst keine Unterstützer dafür finden lassen.

BTW: Die Anpassung des ESC-Logos in deinem Beitrag finde ich sehr gelungen.

Charlie hat gesagt…

Danke für die Blumen. Ich finde das offizielle ESC-Logo für die Farce in Baku so ekelerregend propagandistisch, dass ich mir das nicht verkneifen konnte.

Darkmoon hat gesagt…

Ein Boykott dieser Veranstaltung wäre schon aus rein ästhetischen Gesichtspunkten dringend geboten...

Der "Kulturzeit" von 3sat muss man aber für diesen etwas aufklärenden Bericht danken. Sowas werden wir in ARD und ZDF und natürlich im Privatfernsehen nicht zu sehen bekommen - jedenfalls nicht zu dieser Uhrzeit (die Sendung läuft täglich um 19 Uhr).

Charlie hat gesagt…

Schön, dass Du hier Werbung für die Kulturzeit machst - nach meinem Wissen ist dies die letzte verbliebene halbwegs ernstzunehmende Sendung im deutschen TV vor 20 Uhr.

Ich erwarte jeden Tag die Ankündigung einer "Programmreform", in deren Folge diese Sendung entweder abgesetzt oder aber bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt wird ... während Gottschalks Millionen selbstredend weiter fließen.