Nachts in der Stille erwachen,
Die Einsamkeit tritt heran.
Wie mag ich leben und lachen?
Finsternis blickt mich an.
Ist noch ein Geruch von Kerze
Und Mutters Flaumigkeit nah?
Wie Rauch verhängt mich die Schwärze
Und nur die Schwermut ist da.
(Albin Zollinger [1895-1941], in: "Sternfrühe. Neue Gedichte", Morgarten 1936)
Anmerkung: Marktkonforme Psychologen des 21. Jahrhunderts und entsprechende Schreibtischtäter in den begleitenden politischen und medialen Gremien werden das nicht gerne hören, sondern in Bausch und Bogen verdammen: Manchmal sind Depressionen eben keine Krankheit, sondern einfach ein gesunder, natürlicher Reflex eines Menschen auf die ihn umgebende, allzu kranke Welt. Fast das gesamte lyrische Werk Albin Zollingers ist ein Paradebeispiel für diese Binsenweisheit, die man heute nicht mehr äußern darf, ohne sich öffentlich lächerlich zu machen. Ich mache mich gerne lächerlich. Eigentlich gibt es nur wenige Möglichkeiten, wie ein gesunder, wacher Geist auf unsere heutige furchtbare Welt reagieren kann - neben Zorn und Rebellion, der panischen Flucht in Fantasiewelten oder dem puren Wahnsinn bleibt da eigentlich nur noch die Depression oder Resignation.
Oder habe ich etwas vergessen?
2 Kommentare:
Du hast etwas vergessen, nämlich die Flucht in den religiösen Wahn. Die gehört hier auch hin.
@ Anonym: Ich schrieb doch ausdrücklich über einen "gesunden, wachen Geist" - wie zur Hölle kommst Du in diesem Zusammenhang auf den "religiösen Wahn", der ja nun das Gegenteil von "wach", "gesund" und "Geist" darstellt? ;-)
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