Freitag, 8. August 2014

"Glück ist mehr als Glückssache": Der wachsende christlich-fundamentalistische Wahnsinn


Ursprünglich hatte ich vor, das weiter unten verlinkte Video eines evangelikalen "Gottesdienstes" an den Anfang zu stellen und erst danach meinen Kommentar dazu zu schreiben - nachdem ich es aber nach mehrmaligen sehr ernsthaften Versuchen nicht geschafft habe, das Video länger als (im besten Fall) 13 Minuten anzusehen und danach jeweils völlig entnervt, fassungslos und erbost abbrechen musste, habe ich mich umentschieden. Ich weiß also nicht, was da nach der 13. Minute (das Video ist 54 Minuten lang) noch alles kommt. Jeder Mensch, der das anklickt, sollte sich dessen bewusst sein.

Es ist ja keine Neuigkeit, dass in unserer "modernen" (ich verkneife mir den hysterischen Lachanfall angesichts dieser grotesken Bezeichnung für unsere Zeit an dieser Stelle) Gesellschaft seit mehreren hundert Jahren die religiöse Radikalisierung stets dann zugenommen hat, wenn die politische und gesellschaftliche Situation wieder einmal auf einen bösen Zenit zugesteuert ist und die herrschenden "Eliten" dies stets mit Kriegsdrohungen, Kriegsvorbereitungen und einer Menge dann auch wirklich stattgefundener Kriege beantwortet haben, die große Teile des zuvor Bestehenden nachhaltig zerstört und so eine Neuauflage desselben Systems ermöglicht haben. Belege aus dem Internet füge ich hier bewusst nicht ein - wer sich darüber umfassend informieren will, muss viel lesen und viel Zeit in altertümlichen Bibliotheken verbringen.

Den religiösen Wahn aber, auf den es mir hier ankommt, den können wir auch online verfolgen - und das nicht nur in anderen Ländern und anderen Religionen, sondern auch direkt hier bei uns vor der Haustür. Das verlinkte Video ist ein beredtes Beispiel dafür. Nehmen wir nur einmal das "Motto" dieses "Gottesdienstes", das da großspurig lautet: "Glück ist mehr als Glückssache". Ich habe die "Predigt" des evangelikalen Pastors dort wie gesagt nicht gehört, aber allein diese Überschrift lässt meine Fußnägel sich schon in massiven Wellen aufrollen: Ich stelle mir vor, dieser "gottesdurchflutete" Mensch stünde in irgendeinem Elendsviertel einer afrikanischen Stadt und erzählte den dort akut verhungernden und verdurstenden Menschen dasselbe - und auf der Stelle kann ich nur noch Verachtung und Ekel für einen solchen Satz empfinden.

Die überwältigende Mehrheit aller Menschen auf diesem Planeten vegetiert und stirbt in bitterster, für uns Noch-Privilegierte nicht wirklich vorstellbarer und menschengemachter, letzlich also gewollter, Armut vor sich hin - und da stellen sich halbwegs gut situierte, oft sehr privilegierte Leute wie von Sinnen und von unheiligen Dämonen berührt hin und schwafeln von der "Liebe", der "Größe" oder der "Güte" Gottes? Wir krank, indoktriniert und völlig abgehoben von den Problemen dieser Welt muss man sein, um so etwas - noch dazu mit solchen ekstatischen Gesichtsausdrücken und einem steten Grinsen im Gesicht - tun zu können?

Man beobachte gerade die MusikerInnen (und die Reaktionen darauf in der wie auf harten Drogen wirkenden "Gemeinde"), wie sie ihre abstruse Botschaft verkünden: Mich als Musiker gruselt, graust und widert es nur noch an, wenn ich das sehe. Diese "Chorleiterin" am Anfang schießt den Vogel schon ab - da habe ich beim ersten Versuch, mir das anzusehen, abgebrochen und eine uralte Motörhead-Platte aus dem Keller geholt und komplett in ohrenbetäubender Lautstärke abgespielt (kein Witz). Anders war das nicht erträglich.

Ich ärgere mich jetzt doch sehr, dass ich es nicht fertiggebracht habe, das Video bis zum Ende anzuschauen - ich bin mir sicher, dass da noch vieles mehr zu sehen und zu hören ist, das mit dem Aufrollen meiner Fußnägel längst nicht angemessen abgegolten wäre. Aber auch ich bin eben nur ein Mensch, und wenn jemand stärkere Nerven hat als ich und dazu etwas schreiben will, wäre ich dankbar. Und: Dies ist nur eine Veranstaltung von tausenden oder zehntausenden in diesem Land, die wöchentlich (!!) stattfinden.

Festzuhalten ist aber: Diese Zunahme des radikal-religiösen Wahns gerade in scheinzivilisierten Gegenden, in denen es materiell vielen oder zumindest einigen Menschen noch immer verhältnismäßig gut geht, ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Zeit, die wir kennen oder zu kennen meinen (wie auch immer einjede/r sie beurteilen mag) zuende geht. Die kapitalistische "Elite" fordert einmal mehr einen Neustart des totalen Irrsinns - und der wird wohl, wie immer, nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen.

Da können wir wohl nur noch beten ... auch wenn das - natürlich und wie immer - nichts bewirkt.

--- Update 09.08.14: (Im Kommentarbereich geht's weiter - ich habe mir den Stuss letztlich doch bis zum Ende angesehen.)



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Der Krieg, wie ich ihn sah



(Zeichnung von Fritz Arnold [1883-1921], in "Simplicissimus", Heft 52 vom 25.03.1919)

8 Kommentare:

Horuseye hat gesagt…

Durchgehalten bis 25:49 - schalte um auf HGich.T.
Achtung! Phrase - stimme in allem zu, traurig aber wahr;(
Der Pastor ist der Vater vom Ancorman, falls Du den noch sahest. Zu diesen bemitleidenswerten Menschen fällt mir nur eins ein: Es gibt auch dunkle Toleranz^^.

Charlie hat gesagt…

Ach, es ist alles noch viel schlimmer als zu erwarten war. Ich habe inzwischen den ganzen "Gottesdienst" gesehen (was nur mithilfe von legalen Drogen möglich war) und wirklich jedes dümmliche Klischee erfüllt gefunden.

Zwei Beispiele sollten ausreichen: Zum Einen wird dort natürlich, wie immer, die "allumfassende Liebe Gottes" beschworen, der allen Menschen "alles, was sie zum Leben (und Glücklichsein) benötigen", stets gebe. Geknüpft ist diese absurde Aussage an ein ominöses "Aber", das der Pfaffe sinngemäß so übersetzt: "Wenn Gott für uns immer an erster Stelle steht."

Aha. Im Umkehrschluss bedeutet das also: Wenn ich nicht alles habe, was ich brauche und womöglich gar unglücklich bin, steht Gott offenbar nicht "an erster Stelle" für mich und ich mache etwas falsch. Ich soll also "weitere Opfer bringen" (der Mann sagt es nicht explizit, meint aber ganz offensichtlich Geldspenden für die "Gemeinde"), damit ich "Gott nahe sein" und damit glücklich werden kann. An dieser Stelle des Videos musste ich unwillkürlich intensiv furzen.

Zum Anderen wird auch in dieser "Predigt" wieder die "neue Welt", das "neue Jerusalem" aus der "Offenbarung des Johannes" beschworen: Absolut glücklich können wir alle sowieso nur in dieser neuen Welt werden, die Gott irgendwann für uns bauen wird - nach gängiger christlicher Auffassung ist damit das "Jenseits" gemeint, also das "Leben nach dem Tode". In jedem Fall aber haben wir zu warten - und während des Wartens (auf das Glück) sollen wir "Gott loben und preisen", was das Zeug hält - denn wenn wir das nicht ausreichend intensiv tun, dann ... ja, dann ergeht es uns ebenso dreckig wie den meisten Menschen auf diesem Planeten und diese Qual wird sogar nach dem Tode noch in alle Ewigkeit fortgesetzt.

Den Teil nach den drei Pünktchen im obigen Absatz hat der Mann zwar nicht ausgesprochen, aber aus seinen Worten kann man nichts anderes schließen.

Das Mittelalter muss eine aufregende, aufklärerische Zeit gewesen sein angesichts dieser vollkommenen Verblödung und Verirrung im religiotischen Irrsinn im Jahr 2014.

Ich brauche jetzt noch ein Bier und Dios "Holy Diver", um diesen Schock zu kompensieren.

Ruby hat gesagt…

Das war jetzt mein 2. Gottesdienst, den ich mir bewusst angesehen habe.

Das erste Mal war im Alter von 10 Jahren als ich ohne Wissen meiner Mutter, mich in den Religionsunterricht schlich, aus 2 Gründen. Einmal bekam man dort schöne bunte Bildchen und dann interessierte mich damals schon die Frage: Woher wissen die eigentlich, dass es diesen Gott gibt.

Da ich ein sehr penetrantes Kind war (heute würde man sagen, ich hatte ADHS) habe ich tatsächlich diesen Unterricht gesprengt und trieb die Religionslehrerin zur Verzweiflung. Keine ihrer Antworten überzeugte mich, im Gegenteil, andere Kinder, die dort regelmäßig hingingen, hatten plötzlich auch Fragen. Es wurde mir dann auch nahe gelegt, meine Freizeit lieber mit etwas anderem zu füllen.

Da mich meine Frage ernsthaft beschäftigte, stellte ich sie hin und wieder Leuten, die an diesen Gott glaubten. Da ich im Osten sozialisiert bin, war das nicht besonders häufig.
Trotzdem war die Reaktion der Befragten immer die gleiche.
Jeder empfand meine Frage als Provokation und wollte mir keine Antwort geben.

Selbst ein besonders guter Freund von mir, zwar kein Kirchgänger aber bedingt gläubig, reagierte so. Bei ihm hat mich das besonders irritiert, weil er wahnsinnig klug (Naturwissenschaftler), mit humanistischer Bildung (darauf legt er großen Wert) und Herzenswärme ausgestattet ist und, er ist arm, zwar kein SGBII- Empfänger aber trotzdem mit sehr wenig Geld.

Für mich ist dieser Glaube tatsächlich ein Phänomen. Wirklich gebildete Leute glauben an eine Sache, die so wenig bewiesen ist und so sektenhaft zelebriert wird.

Ich sehe keinen Unterschied an der Lobpreisung eines Gottes, einer Merkel, eines Honeckers, eines Hitlers oder eines Obamas (Namen sind beliebig austauschbar). Die Rituale und die Ausgrenzung von Menschen ähneln sich erschreckend.

jakebaby hat gesagt…

They are all https://www.youtube.com/watch?v=BXGdSjmnT6s

Hier noch ein ganz Netter http://jakester-express.blogspot.com/2014/07/homophobic-hatemonger-wants-to-gut.html

Vor 2-3 Jahren gab es ca. 4 Millionen Evangelikale in Europa, inc. Ost. ... 3 Mill. davon in Doitschland.
Auch da ist D Weltmeister, diesbezueglich im Import von Scheisse.

Hier ueberm Teich gibts zw. 70-100 Millionen dieser radikalen Penner und gerade gestern wurde ich, beim Shopn mit meinem Kleinen fuers Wochenende, von einem Paerchen zum Revival eingeladen, da ja unter Anderem der Autismus meines Sohnes "a Gift of God" ist.
Da dieser upgefuckte Spruch in Bezug auf die Behinderung meines Sohnes wahrlich nicht selten ist(Behinderte werden gerne heuchlerisch als Gods special People bezeichnet), hab ich dafuer schon einen Standartspruch parat: If the Handicap of my Son is a Gift of your God, he should'nt knock on my Door, 'cause I'd beat 'm up and down the Street, 'til he starts spitting Blood. .... was dann dieserart unangenehme Konversation zumeist unverzueglich beendet und man sich selbst einen auf der Zunge klebenden Blasphemist verschluckt, da mein durchschnittlicher Gesichtsausdruck eines Serialkillers auf Rekordversuch verstummend wirkt.
Ansonsten gehe ich gerne auf Revivals. Mir ist eh zumeist uebel, bei den Verdrehten gibts immer was zu Mampfen und wenn ich ihnen dann die Bude zukotze, wird das noch extasisch als Zeichen Gottes besungen.
Mit irgendwas muss man sich ab und zu den Tag versuessen. :-)

Menschlein kriegt die Fakten nicht auf die Rolle. Hoelle findet nicht nach dem Ableben statt sondern zu Lebzeiten. Nennt sich u.A. Religion(du darfst, unter die globalen Motherfucker gerne den Kapitalismus listen).

Gruss
Jake

Charlie hat gesagt…

@ Ruby: Du nennst ein wichtiges Kriterium, das ich vergessen hatte: Diese Menschen betreiben hier natürlich eine Ausgrenzung - was gerade angesichts der Bezeichnung ihrer "Gemeinde" als "Die Brücke" nur noch absurd zu nennen ist. Diese Menschen bauen "Brücken", auf denen andere Menschen gezwungen werden (sollen), entweder dem Irrsinn "freiwillig" zu folgen oder eben in den Abgrund zu springen. Solche "Brücken" können sie sich ans Knie nageln und dabei Nazi-Lieder singen.

Wir brauchen keine "Brücken" in den Faschismus, sondern echte Abgrenzung und Ansagen der Marke: HIER IST SCHLUSS! ... aber das setzt ja voraus, dass Leute, die solchen Sekten anhängen, überhaupt erkennen, was sie da betreiben - sofern sie es nicht absichtlich tun.

Wie diese so salbungsvoll auftretend Menschen in diesem Video mit einem ebenso glühend an einen anderen Gott glaubenden oder einen diesen ganzen Glaubensmist ablehnenden Menschen in Not umgehen würden, möchten wir uns alle gewiss gar nicht erst vorstellen - wer der Meinung ist, die absolute Wahrheit bereits zu kennen, der kann keine "Brücken" bauen, sondern (im positivsten Falle) lediglich Missionarstationen. Im schlimmsten aller denkbaren Fälle werden daraus dann Konzentrationslager.

Das ganze ist aber kein neues Phänomen - auch der Nazi-Terror hat seinen perversenen Siegeszug ja durchaus mit der Hilfe von "humanistisch gebildeten" Menschen angetreten - wir dürfen bzw. müssen die "Bildung" solcher Menschen also getrost in Zweifel ziehen, so "elitär" oder "erlesen" sie auch sein mag. Beides ist ja eher ein Makel und nicht, wie neoliberal Gläubige oft in die Welt posaunen, ein Vorteil.

Liebe Grüße!

Charlie hat gesagt…

@ Jake: Es ist immer wieder erfrischend, das Video "Rotten to the Core" anzuschauen. ;-) Die Frage bleibt aber offen, wie man diesem Wahnsinn begegnen sollte - denn es wird diese Bande nicht aufhalten, wenn ihr einfach andauernd in die Suppe gekotzt wird.

Liebe Grüße!

jakebaby hat gesagt…

"Die Frage bleibt aber offen, wie man diesem Wahnsinn begegnen sollte - [...]"

Soll das tatsaechlich eine realgemeinte Frage sein.
Satte 2 Milliarden Christen, satt ueber 1 Milliarde Muslime, satt ueber eine Milliarde Hindus, satt ueber eine Milliarde Budhisten, .... ne Milliarde uebrig an 'Sonstigen, unter denen (konsequente)Atheisten die seltenste Spezies verkoerpert.

Zuzueglich extremste Radikalisierung innerhalb diverser Branchen, welche dann auch sicherlich Auffangbecken fuer viele Austrittler zur Verfuegung stellt.

Religioes motivierte Inquisition gegen Homos, mit 100tausenden auf den Strassen des unchristlichsten Landes Europas, und in Russland wird das gleiche Bashing gegen Schwule/Lesben zur Staatsdoktrine um "notwendigerweise die radikalisierten Kirchen&vor allem Anhaenger ins politische Boot zu bringen.

Die amerikanisch'evangelikalen verlieren Grund auf eigenem Boden und schwaermen auf der Suche nach neuen Massen erfolgreich ueber den Globus.
Zu was das u.A. fuehrt, beschreibt mein 2ter Link.

........ Unter anderen, und vor allem in Deutschland macht sich diese Scheisse auch breit. Kein Wunder, in einem Land, das schon immer fuer jeglichste Scheisse gut ist.
Grundgesetzlich/politisch? deckt die Religionsfreiheit keine upgefuckt, radikalaggressiven Sekten. .... dementsprechend duerften nicht nur Evangelikale nicht existieren, es muesste anstatt Religionsfreiheit ein striktes Religionsverbot her. Die brachiale Faktenlage dafuer waere erschlagend.

Von diesem trauemerischen Idealzustand absehend, existiert, nicht nur in Deutschland, die constitutionelle Festlegung der Trennung zwischen Staat&Kirche nicht nur nicht, sondern krass gegenteilig die staendigen Aussagen bis hoch zum verkackten Kanzler, vor allem und wichtigst den christlichen Leitlinien des christlichen Menschenbildes Folge zu leisten. ....

Nur ein winziger Ausschnitt dieses Wahnsinns und gluecklicherweise gibts ja ansonsten keinerlei Probleme ;-) ...

Was war deine offene Frage nochmal ....... ? ....

Charlie hat gesagt…

Eigentlich war das eher eine rhetorische Frage ... allerdings halte ich ein "Religionsverbot" für einen ebenso falschen Weg. Es sollte doch möglich sein, dass die angebliche "Krone der Schöpfung", die Intelligenzbestie "Mensch", allmählich doch die vorhandenen grauen Zellen zu nutzen lernt und erkennt, dass der religiotische Irrsinn nichts weiter als ein böses Relikt aus der dunkelsten Steinzeit ist.

Dein Beispiel bezüglich der homophoben Deppen illustriert das ja deutlich: Es hat nichts mit dem Glauben an irgendeinen Gott zu tun, wenn manche Menschen andere kriminalisieren, nur weil sie gerne andere Menschen ficken oder gar lieben als sie selber. Hier wird Religion (wie in den allermeisten Fällen) schlicht benutzt, um bestimmte Botschaften zu transportieren - und seien sie auch noch so abwegig.

By the way: Es freut mich ungemein zu lesen, dass Du offenbar wieder Kontakt zu Deinem Sohn hast! Dieses Glück hat "Gott" bzw. der Zufall mir leider nicht gegönnt.

Liebe Grüße!