Mittwoch, 31. Mai 2017

Zitat des Tages: Sonnenuntergang


Als nach dem ersten großen Frühlingstag
die Sonne aufstieß und zerfließen wollte,
wie da der Horizont sich weit entrollte,
den Glanz zu fassen, der im Raume lag.

Lichthungrig pilgerten die Wälder an,
Gehölze knieten vor der Sonne nieder,
die Vögel opferten die letzten Lieder,
ein Bittdienst vor dem Gold, ein großer Wahn.

Doch eh' man's dachte, niemand war bereit,
versank das letzte Stück der hellen Schäume,
vergeblich bettelten die nackten Bäume
und spreizten ihre Finger, starr und weit.

(Gottfried Kölwel [1889-1958]: "Sonnenuntergang", in: "Erhebung. Neue Gedichte", München 1918)



Anmerkung: Kann man scharfe Kapitalismuskritik noch artistischer in ein expressionistisches, lyrisches Gewand kleiden? Es ist sicherlich kein Zufall, dass Kölwels Kunst heute nahezu vergessen ist – ich möchte mir auch lieber gar nicht ausmalen, wie Merkel, de Maizière, Schulz, Göring-Eichmann, Lindner oder irgendwelche andere Politclowns der kapitalistischen Räuberbande sich mit solchen Texten befassen, die sie gewiss nicht verstünden und dennoch verdammten.

16 Kommentare:

Troptard hat gesagt…

Hallo Charlie,

ich mag diese sog. Politclowns so gar nicht unterschätzen, von Links nicht, von der Mitte bis Rechts nicht.

Was sie dem Citoyen unbedingt voraus haben ist, dass sie sehr schnell begreifen (müssen), dass es nicht der Staat und ihre politischen Organe sind, die da über die Mittel zur gesellschaftlichen Gestaltung verfügen und deren Richtung bestimmen, sondern abhängig von den Verwertungsbedingungen des Kapitals und dessen Bereitschaft, das politische Personal zu unterstützen. Das ist auch in der Linkspartei längst angekommen.

Ich lasse mal die vielen Eiertänze dieser linken Sozzen und der Linkspartei-Sozzen einfach weg und frage mich, wo eigentlich dieser aufgeklärte Citoyen geblieben ist.

Weil Charlie auch das Thema Rente beim "Hartz-IV -Terror " auf einen Kommentar von mir angesprochen hat und weil ich in einem Land lebe, in dem das Renteneinstiegsalter (noch) bei 62 Jahren liegt, so frage ich mich, warum es eigentlich in Deutschland keine gewaltätigen Aufstände gegeben hat, als man das Rentenalter auf 67 angehoben hat und weiter auf 70 Jahre anheben will.

Wie kommt es, dass so wenig hinterfragt wird, dass dieses Märchen von der alternden Gesellschaft und den Jungen, die das angeblich nicht mehr finanzieren können, so umstandslos angenommen wird.

So, als hätte es niemals Fortschritte in der Produktivität gegeben, weil inzwischen wirklich alles, auch alles durch das Nadelöhr der Finanzierbarkeit hindurch muss.

Charlie hat gesagt…

@ Troptard: Natürlich sollte man die Politclowns - egal aus welchem Lager - nicht unterschätzen. Dennoch waren, sind und bleiben sie austauschbar: Sobald eine/r aus welchen Gründen auch immer abtritt, wird er/sie vom nächsten, meist noch widerwärtigeren Knopfleisten- oder Schlips-Borg ersetzt. Diese einfache "Hydra"-Erkenntnis sollte man nie aus dem Blick verlieren.

Deine - vermutlich rhetorische - Frage kann ich Dir selbstverständlich auch nicht beantworten. Es ist mir ein Rätsel, wieso die Bevölkerungsmehrheit in diesem verkommenen Land dem stetigen Sozialabbau so stoisch - fast schon bewusstlos - zusieht oder ihn sogar noch begrüßt, anstatt endlich, endlich auf die Barrikaden zu gehen. Es ist unwahrscheinlich, dass diese "NormalbürgerInnen" allesamt MasochistInnen, Dumme oder faschistoide Menschenfeinde sind. Mir fällt keine sinnvolle Erklärung ein.

Immerhin gibt's ein kleines, wenn auch zaghaftes positives Zeichen aus Österreich (wo ebenfalls eine "große Koalition" regiert): "'Die Einführung von Hartz IV in Österreich bedeutet Armut und soziale Ausgrenzung', warnte Stöger. 'Menschen in die Armut zu treiben hat nichts mit verantwortungsvoller Sozial- und Wirtschaftspolitik zu tun.' Man werde nicht zulassen, 'Arbeitssuchende mit Hartz IV zu bestrafen, ihnen beinahe das gesamte Ersparte, das Haus und die Eigentumswohnung, das Auto und den Bausparer wegzunehmen', erklärte Stöger. Hartz IV in Deutschland sei 'ein mahnendes und abschreckendes Beispiel für uns.'"

Eine Entwarnung ist das allerdings nicht.

Liebe Grüße!

Fluchtwagenfahrer hat gesagt…

Moin Männers,
anbei ein paar Theorien:
1.) Weil die Möhre, die vor dem Gesicht hängt, einem die Sicht versperrt.
(Wenn ich immer artig & fleißig bin,kann mir das alles ja nicht passieren)
2.) Solange meine Scheibe Wurst noch ein bißchen dicker ist als die Marmelade des Hungerleiders geht mir das am A... vorbei.
(Empathie, Vorraussicht, FEHLANZEIGE)
3.) Da das arbeitende Volk sich im Highspeed Hamsterrad befindet, ständig mit Bullshit soufliert wird (auch du Wischofon bist gemeint) der Tag nun mal nur 24 h hat, kommt keiner mehr zu Bewustsein und will es auch erst gar nicht.
(Bequemlichkeit, Mutlosigkeit, gepaart mit Existensangst & dem Wissen keine diekte Einflussmöglichkeit zu haben machen den Rest)
Gegenfrage:
Gab es schon mal in DEU eine ernstzunehmende Gegenwehr? Inwieweit gefährden, bedrohen, Sitzblockaden, Lichterketten, Märsche etc. die Machthabenden?
Wenn dann scheißen die sich nur vor Lachen ein.
Erst wenn sie auf dem Angstniveu der breiten Massen ankomen, sind sie möglichesrweise zum Umdenken bereit.
Soweit meine Theorie.

Charlie hat gesagt…

@ Fluchtwagenfahrer: Deine Ansätze sind nachvollziehbar, setzten aber wiederum voraus, dass der Großteil der hiesigen Bevökerung schlicht dumm ist. Ich weigere mich, das zu glauben.

Es muss andere "Hebel" geben, an denen man ansetzen kann. Ansonsten könnten wir allesamt kollektiv sofort den Freitod zelebrieren und unseren Kindern dringlich raten, dasselbe zu tun.

In Deutschland auf eine Gegenwehr zu warten, ist freilich sinnlos, das sehe ich ein. Zum Glück für die Welt ist Deutschland aber nur eine kleine Provinz, in der sich manche kranke Menschen wiederholt für überaus wichtig halten, ohne es zu sein.

Liebe Grüße!

Arbo hat gesagt…

@Troptard;

>>Weil Charlie auch das Thema Rente beim "Hartz-IV -Terror " auf einen Kommentar von mir angesprochen hat und weil ich in einem Land lebe, in dem das Renteneinstiegsalter (noch) bei 62 Jahren liegt, so frage ich mich, warum es eigentlich in Deutschland keine gewaltätigen Aufstände gegeben hat, als man das Rentenalter auf 67 angehoben hat und weiter auf 70 Jahre anheben will.<<

Meine Vermutung ist, dass hier ein paar Dinge zusammenkommen:
- den aktuellen (!) Rentnern geht es in der Masse noch zu gut
- die, denen es schlecht geht, sind zu wenig und dann hast Du dort auch noch eine gewisse Schamkultur, die dafür sorgt, dass die armen Rentner 'unsichtbar' bleiben
- "die Jugend" ist bei dem Thema demographisch ins Hintertreffen geraten
- Noch-nicht-Rentner sitzen im Hamsterrad der Existenzsicherung und sind froh, sich am Abend berieseln zu lassen (und sich nicht noch mehr Existenzsorgen zu machen)
- Riester&Co. ist propagandistisch umworben worden und so übel bürokratisch, dass da eh keiner durchschaut und den Braten riecht (sprich: dass sie meist über den Tisch gezogen werden)

Das sind nur ein paar Dinge, die mE eine Rolle spielen.

LG
Arbo

Arbo hat gesagt…

@ Charlie:

>>Es ist mir ein Rätsel, wieso die Bevölkerungsmehrheit in diesem verkommenen Land dem stetigen Sozialabbau so stoisch - fast schon bewusstlos - zusieht oder ihn sogar noch begrüßt, anstatt endlich, endlich auf die Barrikaden zu gehen.<<

So rätselhaft ist das mE nicht. Das, was hätte als mögliche Alternativen gelten können - von Piraten bis Linken -, das wurde von Anfang an madig gemacht. Zudem machen die sich selbst unglaubwürdig (siehe Frau W. mit Sozialer Marktwirtschaft und 'Kapazitätsgrenzen') und/oder zerlegen sich selbst (wie die Piraten). Bei den Gewerkschaften ist es das Gleiche: Bsirske ist sogar bei den Bilderbergern 2017 (siehe hier). Von HartzIV wollen wir gar nicht erst reden: Da hat sich die Funktionärsriege auch übel verhalten, was mit entsprechenden Austritten quittiert wurde. 's'PD das Gleiche.

Dann, wie oben angedeutet, haben die wirtschaftspolitischen Entscheidungen dazu geführt, dass sich jedeR tatsächlich ziemlich doll um sich sorgen muss. In der kritischen Sozialforschung ist es ja mittlerweile Allgemeingut, dass HartzIV nicht nur übel zu den BezieherInnen der Sozialtransfers ist, sondern letztlich allein über die Existenz disziplinierend auf alle anderen wirkt. Die damit einhergehende Propaganda ist wirklich bewunderswert perfekt, denn offenbar haben die Menschen das neoliberale Credo der 'Eigenverantwortung' sehr, sehr tief inhaliert. Da wird gar nicht mehr gefragt, ob gesellschaftliche Umstände ggf. dafür sorgen, dass es einem schlecht geht. Allerdings mit Ausnahmen...

Und zwar braucht der Mensch ja irgendwie noch Anerkennung. Und wenn Du ganz unten bist, den Fußabtreter für die Sahneschicht darstellst und keine Chance hast, 'nach oben zu buckeln', was machst Du dann? Du trittst nach unten. Irgendeine arme Sau gibt's immer, die Du verachten kannst. Ausländer differenzieren jetzt nach guten und schlechten Ausländern. Erwerbslose werden ebenso nach gut und schlecht differenziert. (Ich habe das mal vor Jahren ziemlich genau bei den Talkshows anlässlich der HartzNovelle 2011? beobachtet: Du glaubst gar nicht, wie sich da Erwerbslose im TV selbst um ein Bild als 'gute' Erwerbslose bemühen, um sich dann von den 'bösen' Faulies abzugrenzen.)

Das ist alles mittlerweile recht gut untersucht. Stichworte sind: Deutsche Zustände, Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, Marktförmiger Extremismus, Heitmeyer.

Meiner Meinerung nach ist es daher kein Zufall, dass wir aktuell auch diese Rückbesinnung auf die Nation, die Ausländerfeindlichkeit usw. haben. Laut den Studien dazu steckt dahinter eine Denke, die in Nutzenkategorien "nützlich" und "nicht nützlich" sowie in "Nutzenmaximierung" denkt. Das ist relativ unversell und kann wunderbar ins Schema "wir und die" transformiert werden. Wie eben angedeutet: nützliche und nicht nützliche Einwanderer, Erwerbslose usw. Da werden dann 'Etabliertenvorrechte' in Stellung gebracht gegen die Habenichtse, die 'zu uns' kommen. (Was ich übrigens nicht für einen deutschen Trend halte, sondern was mE ein weltweiter Trend ist.)

Arbo hat gesagt…



Anders formuliert: Das, was Du als 'Kapitalismus' bezeichnest, hat die grandiose Eigenschaft, sozusagen aus sich selbst heraus die Kritik am 'kapitalistischen System' auf andere Gründe abzulenken. Statt sich zu solidarisieren, wird 'im System' weitergedacht und so werden 'Ausländer' in 'gute' und 'unnütze' deklariert.

Heitmeyer spricht nicht umsonst von einer Ent-Solidarisierung. Wir können streiten, ob es die Solidarität jemals gegeben hat. Aber selbst wenn die defizitär gewesen sei, ist davon heute nichts mehr übrig. Ich meine, schau Dir das doch mal global an: Eigentlich wäre es heute Zeit für eine 'Internationale'. Warum nicht TTIP & Co. eine schlagkräftige und global organisierte moderne ArbeiterInnenschaft entgegenstellen? (Die auch moderne Berufe, die nicht ins trad. Arbeiter-Schema passen, berücksichtigt.)

Die Zustände sind ja global total absurd. Schau Dir einfach die Mietpreisentwicklung in Frankreich und Deutschland an.

Gründe, sich zu solidarisieren, gäbe es genug.

Aber da macht einem dieser genial-widerliche Charakter des 'Kapitalismus' einen Strich durch die Rechnung, weil halt alles auf Eigenverantwortung, Individualität und Nutzen ausgerichtet ist...

LG
Arbo

Arbo hat gesagt…

@ Charlie:

Das mit Österreich ist mE eine Wahlkampf-Finte. Vor zwei Jahren hat dazu schon "Die Presse" berichtet, d.h. dass Hartz-IV schon durchgerechnet würde usw. Damals schon haben die ÖVP-Fritzen gesagt: HartzIV für AT sei gar nicht im Gespräch.

Das sagen sie auch heute. Warum jetzt der Trubel um die entsprechende Studie ausgebrochen ist, kann ich mir nicht so recht erklären - außerhalb halt mit Wahlkampf. Diese Diskussion wurde ja schon 2015 angestoßen (Presse, Standard), diese Studie aber angeblich 2016 in Auftrag gegeben (Standard, 29.5.2017). Jetzt, 2017, ist sie offiziell fertiggestellt worden. Die Studie gibt's übrigens hier:
http://www.euro.centre.org/data/1496062372_84503.pdf

SEHR Komisch ist, dass exakt die Beträge, die dort simuliert wurden, bereits 2016 für eine Deckelung der Mindestsicherung (ähnlich HartzIV) im Gespräch waren (Standard) und Niederösterreich die Deckelung umgesetzt hat (ORF).

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt (oder konkret: wer meint, dass da nichts bereits in der Schublade lag).

Aktuell glaube ich jedenfalls, dass die Diskussion eher den Neuwahlen geschuldet ist: Die ÖVP und die Kornblumenträger der FPÖ können damit "Wirtschaftsgeist" simulieren, während die SPÖ eine schöne Projektionsfläche hat, um sich als sozial darzustellen.

Arbo hat gesagt…



Ansonsten machen viele Ösis auf mich den Eindruck, sich irgendwie auf einer Insel der Glückseeligen zu wähnen. Klar, in AT ist noch vieles sozialer als in Deutschland. Aber auf mich wirkt die groß aufgezogene Empörung über Hartz IV etwas gekünstelt. Die Empörung zeugt mE eher unfreiwillig von einem gewissen Chauvinismus, in dem mensch sich in AT weit von den schlechten Nachbarn (in dem Fall Deutschland) befände. Als jemand, der HartzIV mehrfach selbst erlebt hat, kann ich zwar sagen, dass der Umgang in AT durchaus noch etwas 'besser' ist, aber die Ösis machen sich etwas vor, wenn sie meinen, dass sie noch meilenweit davon entfernt sind. Hartz ist bereits bei denen eingesickert. Schlagwortartig lässt sich dazu anführen: die Zumutbarkeit und das Abschmelzen von 'Schonvermögen'. Besser ist auf jeden Fall die Antragstellung. Aber das sind alles Nuancen, die mehr oder minder in kleinen Schritten geändert werden können und dann in der Gesamtschau die bittere Erkenntnis reifen lassen 'Mist, jetzt haben wir Hartz IV'...

Aktuell gibt es übrigens einen Vorschlag, Langzeitarbeitslose in Arbeit zu bringen (Aktion 20.000, via ORF). Klingt so schlecht erstmal nicht, geht in Richtung zweiter Arbeitermarkt, auf kommunaler Ebene und so. Aber als 'Piefke' graut es mir trotzdem davor, wenn ich Ähnliches aus dem Munde von Nahles höre (Merkur). Da fühle ich mich nämlich an einen Vorschlag der 'Wirtschaftsweisen' erinnert, in dem der Regelsatz um 30% gekürzt wird, aber aufgestockt werden kann, wenn 'Arbeitswilligkeit' vorliegt. Ja, wie prüft mensch das? Ganz einfach: über Bürgerarbeit, also exakt die gemeinnützigen Tätigkeiten, in die Nahles aktuell vermitteln will. Meiner Meinung nach sind es dann nur kleine Schritte, diese Maßnahme auf alle auszuweiten und mit Kürzungen im Regelsatz zu belegen (wie von den 'Weisen' vorgeschlagen). Was anfänglich als 'gut gemeint' verkauft wurde, mündet in Zwangsarbeitsdiensten.

Jedenfalls, wenn die Weichen einmal gestellt sind, ist es ein Leichtes, eine entsprechende Richtung einzuschlagen. Daher bin ich auch bzgl. der Vorschläge in AT eher verhalten bis skeptisch. Selbst wenn dort noch ein anderer Geist weht als hier, ein eher 'sozialer Geist' (was manche Ösis aber durchaus auch in Frage stellen würden), so kann es geistig auch eine ziemlich arge Weichenstellung geben. Ich sage nur, wenn Kurz wirklich Bundeskanzler wird, dann ist Schicht im Schacht.

LG
Arbo

Charlie hat gesagt…

@ Arbo: Danke für die Details zur Lage in Österreich - davon bekommen wir "Piefkes" in der Regal ja gar nichts mit, da darüber gar nicht oder nur auf Seite 36 in einer Randnotiz berichtet wird.

Liebe Grüße!

Troptard hat gesagt…

@Arbo,
auch von mir ein Danke!

Was Frankreich betrifft, so ist mir bekannt, dass der inzwischen für deutsche Ausseninteressen berufene Minister mit dem Hartz-IV-Peter die Regierung von Hollande, die sich immer noch sozialistisch nennen darf, intensiv beraten haben soll, wie sich Hartz IV-"Reformen" auch in Frankreich umsetzen lassen.

Weil die sog. "Reformen zum Arbeitsrecht" sich in Frankreich nicht so leicht durchsetzen lassen und dann Krieg auf den Strassen herrscht, konnten die richtig heftigen Einschnitte, wie die Entmachtung der Gewerkschaften auf betrieblicher Ebene, Abschaffung der 35-Stunden-Woche, Einschnitte im Kündigungsschutz, Begrenzung von Abfindungszahlungen in der Höhe, Arbeitsverpflichtung bei Inanspruchnahme staatlicher Unterstützung etc.., für das franz. Kapital bisher nur unzureichend durchgesetzt werden.

Die seit zwei Jahren immer wieder erneuerte Notstandsgesetzgebung soll es dem neuen Präsidenten erlauben, unabhängig vom Parlament, Gesetze per Dekret einzuführen.


Wie nennt man so etwas? Ich nenne das Diktatur! Was mich persönlich wieder darin bestätigt, dass die sog. Freiheiten der Demokratie, die da so grosszügig an den Bürger vergeben werden und wofür er die Demokratie schätzen soll, nur so lange Gültigkeit haben, wie die Geschäfte des Kapitals gut laufen.

Zur Zeit überschlagen sich nicht nur in den französischen Medien die Lobeshymnen fÜr Macron, sondern auch in Deutschland.

Für mich ein Hinweis darauf, dass es nicht nur in Frankreich ein erneute Runde des Sozialabbaus geben wird, sondern auch in Deutschland.

Arbo hat gesagt…

@Troptard:

Bei Deutschland bin ich mir ehrlich gesagt nicht so sicher. Ich kann mir zwar noch weitere Schweinereien vorstellen, aber bislang lief es so, dass die Daumenschrauben in kleinen Nuancen angezogen wurden. Habe heute per Twitter gelesen, dass Nahles in Wien war und meinte, Hartz IV nicht als Vorbild für irgend ein Land zu sehen. Das musst Du Dir mal geben: Verabschiedet die letzte Verschärfung und haut dann sowas raus... *tststs*

Die "neuen Runden" finden in DE jedenfalls ständig statt.

Was Frankreich betrifft, vielleicht könntest Du dazu ggf. noch etwas ausholen. Macron kann ich mir ehrlich gesagt nicht erklären. Ich meine, ich weiß, dass viele von Sarkozy die Schnauze voll hatten, Hollande vielen auch nur noch peinlich war. Aber bei Macron sollten doch eigentlich auch die Warnleuchten rotieren...

Jedenfalls gut, dass Du nochmal an die Notstandsgesetze erinnert hast. Das ist ja nun eigentlich Normalzustand. Und wir hier tun so, als ob Frankreich ein 'normaler Staat' wäre, obwohl der faktisch mit Notstandsgesetzen geführt wird. Dazu passt ins Bild, was auf Telepolis zu lesen war: Verdeckte "gezielte Tötungen" von IS-Mitgliedern im Irak (https://www.heise.de/tp/features/Frankreich-Verdeckte-gezielte-Toetungen-von-IS-Mitgliedern-im-Irak-3730530.html).

LG
Arbo

Fluchtwagenfahrer hat gesagt…

@Charles,
"Dummheit", habe ich so in meiner "nicht" vollzähligen Auflistung extra nicht erwähnt.
Das mag die Quintessenz sein,aber du hast leider nicht recht.
Die meisten sind saudumm!
In der Summe oder im Produkt aus mangelnder Bildung, beginnend in der Kinderverwahranstalt (KiTa), Familie?, endend in den Schulen, (Uni`s), begleited von Verdummungssystemen (Werbung,TV, Medien, Apps für jeden Sch... usw.usw.) kommt erst gar kein vernünftiger Gedanke bzw. ein ruhiges Gespräch mit jemandem der einen evtl. leited auf. Die hohe Taktzahl an unsinniger Informationen die auf einen einprasseln, das dazu beitragen mit Selfi`s beim z. B. sche..ß.. trägt nicht unbedingt der existienziellen Wissensbildung bei.
p.s. only my 2 cent, von einem Einäugigen, der bis vor kurzem,auch aufgrund des berufl. Umfeldes vollblind war.

altautonomer hat gesagt…

Halb OT: Sonnenuntergang und Götterdämmerung:

Wieder einmal wird mir bestätigt, wie die Partei DIE LINKE uns alle jetzt schon verarscht und Wellbrock nebst Püntes bleibt nun nichts andres mehr übrig, als verschämt dazu zu schweigen:

"Junge Welt" heute:
Gestern wandten sich rund 40 Vertreter der Parteilinken aus Bund und Ländern in einem offenen Brief an die Genossen in Berlin, Brandenburg und Thüringen und forderten ein »Nein zur Autobahnprivatisierung – auch im Bundesrat«. Eine Zustimmung »zur geplanten Öffnung für Raubzüge der Finanzwirtschaft wäre verheerend – nicht zuletzt für die Glaubwürdigkeit der Linken insgesamt«. Nicht unterzeichnet haben den Aufruf die Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger sowie die Fraktionsvorsitzenden Wagenknecht und Dietmar Bartsch.

Der letzte Satz macht mich richtig wütend. Wer jetzt noch nicht merkt, wo die Reise dieser Pöstchenjäger hingeht, dem ist nicht mehr zu helfen.

Charlie hat gesagt…

@ Fluchtwagenfahrer: Du schreibst es doch selber: Generelle Dummheit kann nicht die Ursache sein. Ebenso wie Du es von Dir berichtest, bin ich ebenfalls viele, viele Jahre wie von Sinnen - quasi bewusstlos - durch mein Leben gerannt, ohne das Schweinesystem tatsächlich als das zu erkennen, was es ist. Ich musste erst durch Krankheit auf die Fresse fliegen, um die Kapazitäten meines Gehirns, die auch vorher schon verfügbar gewesen wären, nutzbar zu machen. Wenn ich an all die Jahre denke, die ich völlig sinnlos in der Sklaven- und Ausbeutungsmaschinerie des Kapitalismus vergeudet habe, kommen mir heute die Tränen.

Ich war - wie so viele, viele andere auch - schlichtweg blind und korrumpiert. Von den paar tausend Euro monatlich, die mir vom Konzern, für den ich arbeitete, überwiesen wurden, hatte ich nichts, da ich kaum Freizeit hatte. Trotzdem war ich - ich lache mich heute dafür selber aus - stolz wie Oskar, dass ich damals in einem spießigen Einfamilienhaus "lebte" (also eigentlich nur schlief, denn die meiste Zeit war ich aufgrund der Arbeit gar nicht dort) und ein lächerliches Luxusauto fuhr (mit dem ich jeden Tag zwischen Schlaf- und Ausbeutungssstätte pendeln konnte).

Ich frage mich schon lange, weshalb ich nicht wesentlich früher auf den sehr naheliegenden Gedanken gekommen bin, dass mit diesem perversen Leben irgendetwas nicht stimmt, denn "glücklich" war ich in dieser Zeit nie. Ganz im Gegenteil: Insgeheim habe ich mich die ganze Zeit über all die Deppen in diesem Konzern, mit denen ich tagtäglich zu tun hatte, lustig gemacht und ihnen die Pest oder schlimmeres an den Hals gewünscht, während ich sie debil angrinste und davon träumte, in der isländischen Wildnis ein völlig neues Leben zu beginnen.

Dummheit ist nicht der Punkt, um den es hier geht - es sei denn, man möchte die Verdrängungsstrategien, die den Menschen in diesem System von Kindheit an systematisch eingebläut werden, als Dummheit bezeichnen. Ebenso wie Dir oder mir steht auch vielen anderen Menschen die Option zur Verfügung, lieber spät als nie das Hirn einzuschalten und sich zu fragen, womit zur Hölle man da gerade seine Lebenszeit verplempert. Die Frage ist nur: Wie ließe sich das beschleunigen, und zwar ohne dass die Betreffenden erst krank oder alt werden müssen?

Liebe Grüße!

Charlie hat gesagt…

@Altauto: Mich überrascht das nicht. Wer sich von der Linkspartei irgendwelche - und seien es auch nur marginale - Mikro-Verbesserungen erhofft, dem kann man auch ein SPD- oder Grünen-Parteibuch schenken und dazu "God save the Queen" singen.

Besonders lieblich ist Wellbrocks Äußerung dazu:

"Ich gehe trotzdem zur Wahl, wähle die Linke und hoffe, dass es nicht so schlimm wird, wie ich befürchte. Und ich fürchte, dass meine Hoffnung im Wind der Lügen zerstreut wird."

Ja, ist klar. Und ich trinke einen Liter Salzsäure und hoffe, dass mein Gesundheitszustand sich weiter bessert. Mir fällt zu dieser Masttrog-Partei nichts mehr ein.

Liebe Grüße!