Sonntag, 22. Mai 2011

"Volkszählung" - was der Staat so alles wissen (und speichern) will

Die erste Volkszählung nach der deutschen Vereinigung ist in vollem Gang – und niemand scheint sich aufzuregen. Die gesamte Bevölkerung wird erfasst – und niemand scheint sich betroffen zu fühlen. Ist dieses Projekt mit dem eher harmlos klingenden Namen "Zensus 2011" also wirklich harmlos?

Mit dem Zensus 2011 werden persönliche Daten der gesamten Bevölkerung nicht nur erhoben, sondern verdeckt zusammengeführt. Schon dies verdient Skepsis – wie jede flächendeckende Großerhebung und zentrale Datensammlung. (...)

Von dieser Volkszählung ist prinzipiell jeder Bürger, jede Bürgerin betroffen, manche sogar mehrfach: Anders als bei früheren Volkszählungen sind wir dieses Mal mit einem weitgehend verdeckt durchgeführten "registergestützten Zensus" konfrontiert: Dabei werden zunächst personenbezogene Informationen aller Bewohner aus etlichen staatlichen Datenbanken klammheimlich zusammengeführt – ohne Kenntnis und Einwilligung der Betroffenen. Die teils sensiblen Daten werden bei Meldebehörden, Liegenschaftskatastern, den Agenturen für Arbeit sowie aus anderen Quellen abgerufen, ungeachtet der ganz anderen Zwecke, zu denen sie eigentlich einmal erhoben worden sind. Dazu gehören neben den Grundmeldedaten auch Angaben zu Schulabschluss und Ausbildung, Eheschließungen und -scheidungen, Religion, Wohnungsstatus, Anschrift des Wohnungsgebers, Beruf, Arbeitsort und -stätte, Branche, Arbeitslosenstatus (etwa die Kategorie "nicht zu aktivierende Person") und eine Liste bisher empfangener Sozialleistungen.

Darüber hinaus wird ein erheblicher Bevölkerungsanteil verpflichtet, ja gezwungen, nahezu 50 Fragen aus dem persönlichen Lebensbereich zu beantworten. (...) Ihre Auskunftsbereitschaft kann im Falle der Verweigerung entweder mit Verwaltungszwang – also unter Androhung und Festsetzung von Zwangsgeldern – oder per Androhung eines Bußgeldes bis zu 5.000 Euro durchgesetzt werden. Widerspruch oder Klage gegen die Befragung haben keine aufschiebende Wirkung, das heißt: Die Fragen sind jedenfalls vor einer gerichtlichen Entscheidung zu beantworten. (...)

Mit den zweckentfremdeten Informationen aus diversen staatlichen Datenbanken, angereichert mit sensiblen Daten einer Zwangsbefragung, können hochproblematische Personenprofile entstehen. Die Datensätze werden zusammengeführt, zentral gespeichert und können über eine eindeutige Ordnungsnummer auch zugeordnet werden. Für jede Anschrift, jedes Gebäude, jede Wohnung, jeden Haushalt und jede Person wird eine Ordnungsnummer vergeben und geführt – obwohl das Bundesverfassungsgericht eine solche Identifikationskennziffer bereits in seiner Mikrozensusentscheidung von 1969 und in seinem Volkszählungsurteil von 1983 ausdrücklich untersagt hat.

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Anmerkung: Bislang heißt es von Seiten der Regierung, dass diese Daten für vier Jahre gespeichert bleiben sollen - ein Missbrauch aber selbstverständlich ausgeschlossen sei. Natürlich. Man fragt sich unwillkürlich, wieso solche Daten überhaupt erhoben und so lange gespeichert werden, noch dazu nicht anonym, sondern eindeutig jeder Person zugeordnet werden können? Es liegt doch auf der Hand, dass die Absicht, die dahinter lauert, eine ganz andere ist als die, die offiziell verkündet wird.

Das Schlimmste dabei ist aber, dass nicht einmal der persönliche Widerstand einen erkennbaren Nutzen brächte - obwohl der ja eigentlich gar nicht vorgesehen und entsprechend strafbewehrt ist -, denn der Großteil dieses "Zensus" läuft verdeckt und automatisch zwischen verschiedenen Ämtern ab, ohne dass die Bürger das überhaupt bemerken oder beeinflussen könnten.

In diesem Stadium sind wir also bereits: Die neoliberale Bande erstellt detaillierte Personenprofile von allen Bürgern und Bürgerinnen, lässt darüber hinaus zusätzliche Befragungen bei 10 Prozent der Bevölkerung durchführen (und erweckt damit und mithilfe der Propagandamedien den falschen Eindruck, es seien ja "nur" 10 Prozent der Bevölkerung insgesamt betroffen) - dann vergibt sie eindeutig zuzuordnende Kennziffern für alle Profile und Personen und speichert das Ganze "für vier Jahre" ab. Und in vier Jahren wird das befristete "Anti-Terror-Gesetz" ... Verzeihung, die Datenspeicherung dann "aufgrund akuter Gefährdungslagen" oder weshalb auch immer einfach verlängert.

Es ist nichts anderes als ein gläserner Bürger, den sich die neoliberale Bande da gerade am Grundgesetz vorbei bastelt - und es sollten überall schrille Alarmglocken läuten, wenn Begriffe wie "verdeckte Datenzusammenführung", "Speicherung" und "Ordnungsnummern" fallen. Es ist kaum auszudenken was geschehen wäre, wenn die Nazis oder auch die Stasi über solche Monsterdatensammlungen über alle Bürger verfügt hätten. Es ist ebenso kaum auszudenken, was diese Wirtschaftslobbyisten und Egoismus-Fetischisten, die uns heute regieren bzw. terrorisieren, damit anfangen werden - der totalen Überwachung sind damit Tür und Tor weit geöffnet.

Die Medien und folglich auch die meisten Menschen interessiert das kaum. Und in den dunklen Gemäuern der Ämter und Regierungsbüros reibt man sich schon jetzt die Hände und freut sich diebisch darauf, schon sehr bald alles über Hans Schmidt, Maria Meier oder den schrägen Karl von gegenüber zu wissen ...

Das muss jedem Demokraten den puren Angstschweiß auf die Stirn treiben.

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