Samstag, 3. Mai 2014

Zitat des Tages: Nach der Haussuchung


Gut, sie haben nicht alles zerschlagen.
Sie werden abermals kommen,
das wird vergeblich sein.

Sie lärmen schon lange vor Mitternacht.
Sie haben die Blumen entwurzelt,
sie finden es nicht.

Sie haben die Rotte nur abgelöst,
die lebenslänglich
mein Haus umstellt.

Ich höre den kreisenden Stiefelschritt:
Stein, Blasrohr, Hellebarde,
Patronengürtel, Bombenwurf.

Sie suchen immer nur die eignen Waffen.
Sie finden nimmermehr das Spiel,
das jenen Namen trägt, der unaussprechbar ist.

(Günter Bruno Fuchs [1928-1977], in: "Nach der Haussuchung. Gedichte und Grafiken", 1957)



Anmerkung: Muss ich dazu tatsächlich etwas schreiben? Vermutlich nicht. Es gibt Gedichte, die verlieren ihren Wert, wenn man sie zu sezieren versucht - dieses ist eines davon. Deshalb mache ich hier einfach nur einen Punkt. Oder vielleicht doch ein Ausrufezeichen!?!

2 Kommentare:

piet hat gesagt…

Nachdem oblomow via Schrottpresse mich schon für Fuchs entflammt und ins Antiquariat gescheucht hat, sehe ich heute hier ein weiteres Perlchen. Ich find es wichtig, daß es nicht vergessen wird.

Charlie hat gesagt…

@ piet: Ich freue mich, dass Du meine Einschätzung teilst - auch wenn sie, wie immer in diesem System, vergeblich ist. Wir müssen nur 100 Jahre zurückschauen: Einem kleinen Kreis sind Namen wie Tucholsky, Brecht oder Kästner auch heute sicherlich noch ein Begriff, aber wer kennt schon noch all die Mitstreiter der damaligen Zeit wie beispielsweise Walther Hasenclever, Ernst Toller oder Alfred Lichtenstein, um nur drei von so vielen zu nennen? Die haben damals allesamt sehr beachtenswerte Texte (nicht nur Lyrik) veröffentlicht und waren zu ihrer Zeit ziemlich bekannt - heute aber sind sie längst (und größtenteils schon ziemlich lange) im Nirwana des kapitalistischen Terrors verschwunden.

In vielen anderen Bereichen ist dasselbe zu beobachten - zum Beispiel in der Musik: Die zu Beginn des 20. Jahrhunderts gefeierten und im Spießbürgertum regelmäßig Skandale verursachenden Komponisten sind nahezu allesamt sang- und klanglos wieder im Vergessen versunken - heute gilt (ganz im Sinne der "Elite") eher die Annäherung der ernsthaften an die populäre Musik als "modern".

Das Werk des Herrn Fuchs folgt einer langen, ekeligen Tradition der kapitalistischen Welt - die wir auch durch eine "Neuveröffentlichung" im Internet gewiss nicht werden aufhalten können. Leider.

Wenn man sich anhand dieses Beispiels fragt, was da alles verloren zu gehen droht, hat man die Antwort auf die Frage, was im Laufe der Zeit schon alles verloren gegangen ist, bereits erhalten.

Liebe Grüße!