Freitag, 4. September 2015

Kapitalistischer Zynismus, nächstes Level


Gestern las ich bei n-tv einen kurzen Text, der mich wieder einmal ziemlich schockiert zurückgelassen hat. Dort wird unter anderem berichtet:

Der Spitzenverband der 295 deutschen Landkreise schlägt vor, den Mindestlohn für Asylbewerber vorübergehend zu senken. Die ankommenden Menschen sollen so schneller zu Lohn und Brot gelangen.

Zum einen ist es ja so, dass Asylsuchende und sogenannte "Geduldete" in den ersten drei Monaten ihres Aufenthaltes in Dunkeldeutschland ohnehin keine Ausbildung beginnen bzw. nicht arbeiten dürfen. Eine Ausnahme stellt hier lediglich die Schulpflicht für Kinder dar - wobei auch diese bereits in gewohnt asozialer Weise in Frage gestellt wird. Auch staatlich "anerkannte" Flüchtlinge müssen zunächst eine behördliche "Arbeitserlaubnis" beantragen, bevor sie sich um einen Job oder einen Ausbildungsplatz bemühen dürfen - dabei gilt für "Arbeitgeber" allerdings, dass "bevorrechtigte Arbeitnehmer" (also Deutsche und EU-Bürger) stets zu bevorzugen sind. Für Menschen, deren Asylverfahren sich in die Länge zieht oder die in diesem Land nur "geduldet" sind, endet das staatlich verordnete Arbeitsverbot erst nach ganzen 15 Monaten - erst dann dürfen auch diese Menschen eine "Arbeitserlaubnis" beantragen.

Dies als generelle Info vorweg, da sie im n-tv-Artikel vollständig fehlt. Im Text ist zunächst nur von "Asylbewerbern" die Rede, also von Menschen, die einen Asylantrag gestellt haben, über den noch nicht entschieden wurde. Später wird als Synonym plötzlich das Wort "Flüchtling" benutzt, das ja weitaus umfassender als der Begriff "Asylbewerber" ist. Ob das schlicht journalistische und/oder politische Schluderei ist oder ob hier ganz bewusst Konfusion erzeugt bzw. verstärkt werden soll, vermag ich nicht zu entscheiden.

Im Kern zielt auch dieser Vorstoß klar erkennbar darauf ab, das allgemeine Lohnniveau weiter massiv zu drücken und den ohnehin lächerlichen und längst nicht "flächendeckend" gültigen Mindestlohn noch weiter ad absurdum zu führen. Es geht hier natürlich nicht darum, einen "guten Beitrag zur Integration" von Flüchtlingen zu leisten, sondern um möglichst billige Arbeitssklaven, die sich zum Zwecke der Profitmaximierung der Unternehmen willig und umfassend ausbeuten lassen.

Das Geheul des DGB und der SPD, das im Text zitiert wird, ist indes genauso infam und verlogen wie der Vorschlag selbst - schließlich gibt es längst "Arbeitnehmer zweiter und sogar dritter Klasse", für die der Mindestlohn nicht gilt und die ständig von (teils sogar völlig entgeltlos zu leistender) Zwangsarbeit bedroht sind, nämlich die Millionen Opfer des staatlichen Hartz-Terrors, für den DGB und insbesondere SPD und Grüne hauptverantwortlich sind. Wenn DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell nun also in die Pressemikrofone plärrt, einzelne Beschäftigungsgruppen vom Mindestlohn auszunehmen und das als Beitrag zur Integration zu bezeichnen sei "reiner Zynismus", ist die zynische Kafkaeske komplett und ich kann nur noch irre schreiend und wild die Haare raufend davonrennen.

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Das letzte Bad



(Lithografie von Honoré Daumier [1808-1879], aus der Serie "Sentiments et passions", in: "Le Charivari", 1840)

6 Kommentare:

Fluchtwagenfahrer hat gesagt…

Moin Charlie,
so leid es mir tut, aaaabber das du die Strategien unser GroKo und dessen Wasserträger hier heraus stellst (verrätst)geht so ja mal nicht.
Schande über dich, Querulant!!
Freu dich doch, das demnächst ein Syrischer Arzt dich und deine Lieben im Krankenhaus behandelt.

Das der dann für ne Flasche Wein und nen Camenbert arbeitet muss dich doch nicht stören.
Ist doch gut so, so werden wenigsten die Krankenkassenbeiträge/Zusatzbeiträge nicht ganz so dolle angehoben.

Is doch alles supper gut.

p.s. ich kann gar nicht soviel fressen wie ich kotzen könnte.
schönes Wochenende und bleib Gesund

Charlie hat gesagt…

@ Fluchtwagenfahrer: Ich habe als Antwort auf Deinen Kommentar ein kleines Gedicht von Günter Eich ins Blog gestellt.

Es ist meine humanistische Berufung, in dieser perversen Welt selbstverständlich ein "Querulant" zu sein. :-)

Liebe Grüße!

Ich bin kein Roboter hat gesagt…

Der große Knall wird noch kommen...
Momentan leben wir in "Weimar 2.0".
Passend dazu ein Buchtipp; habe es diese Woche zuende gelesen und bin begeistert von den "hellseherischen" Fähigkeiten des Autors:
Jack London - Die Eiserne Ferse

Gute Beschreibungen über den Kapitalismus und dass dieser stets nur für den Großteil der Menschheit Armut "produziert"

(Buchtipp bekam ich wiederum hier: http://www.trueten.de/permalink/Urlaubsliteratur-Jack-London-The-Iron-Heel.html)

Charlie, schau mal rein ;-)

André hat gesagt…
Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.
jakebaby hat gesagt…

André

Wer mit Pennern wie zB. Ulfkotze(Kopp), Elsaetzer(Compact) oder Mährholz(Montagsdaemlich) verkehrt, ist selbst schon mit angebrachter Vorsicht zu geniessen.

Hegest du fuer obengenannte als auch Ken Sympathien, solltest du deine Prioritaeten ein 'wenig mehr nach links und in Richtung Realitaet justieren .... bevors noch brauenlicher wird ....

Charlie hat gesagt…

@ Jake: Please don't feed the troll ("André" = "Herr Karl").