Freitag, 16. Dezember 2016

Rechtsstaat BRD: Im Zweifel gegen die Unschuldigen


Gerade eben habe ich mich erst über das menschenfeindliche Rechtsverständnis der US-amerikanischen Justiz ausgelassen - und schon kotet auch das deutsche Verfassungsgericht einen Beschluss in die Welt, der den Parteifunktionären aus Orwells "1984" ein süffisantes Grinsen ins Gesicht zaubert. Das oberste deutsche Gericht stellt fest:

Bei Demonstrationen mit Ausschreitungen darf die Polizei im Zweifel auch unschuldige Protestierer mit einkesseln.

Es lässt sich leicht ausmalen, wie dieser hanebüchene Freibrief vor Ort von den Staatsschergen umgesetzt wird:

Bullenchef: Hömma, Horst, schickma 'n paar Kollegen in Zivil zu dem Mob da drüben. Die solln sich 'ne Serviette vor die Fressleiste binden und 'n paar Wattebäusche zu uns rüber schmeißen, dann können wir dat ganze linke Pack einkesseln und den ganzen Tag hier festsetzen.
Wachtmeister Horst: Klaro, Chef, machen wir ja immer so. Wir dürfen unsere schönen neuen Schlagstöcke aber doch trotzdem noch einsetzen, oder? Wir haben doch so lange an den doofen Strohpuppen geübt ...
Bullenchef: Ach, da werden sich bestimmt Anlässe finden lassen, keene Sorge.

Wer eine solche "Einkesselung" durch vermummte, oft gewaltbereite und auf Eskalation gebürstete "Einsatzkräfte" noch nie erlebt hat, dem sei gesagt, dass das zutiefst entwürdigend und oft beängstigend ist und in der Regel auch deutlich länger als die im Bericht genannten fünf Stunden dauert. Wer in dieser Zeit aufs Klo muss, hat Pech - Toiletten gibt es in einem Polizei-"Kessel" nicht. Wer hungrig oder durstig wird, ist ebenso auf verlorenem Posten.

Ein paar staatlich gesteuerte Provokateure reichen aus, um eine ganze Menschenmenge - nun auf vollkommen "legale" Weise - daran zu hindern, von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch zu machen und sie obendrein zu schikanieren. Es ist schon eine tolle Sache, in einem freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat leben zu dürfen, dessen höchstes Gericht kein Problem mit dem offensichtlich verfassungswidrigen Hartz-Terror hat, dafür aber den militärisch auftretenden Staatsschergen, die sich selbst zumindest vor Jahrzehnten noch als "Freund und Helfer" (*glucks*) bezeichneten, ausdrücklich gestattet, die überwiegende Mehrheit der Unschuldigen zu drangsalieren. Das ist konsequent. Das Prinzip des "Agent Provocateur" ist auch den Richtern selbstverständlich bekannt.

Mein Gehirn gibt zu dieser Farce nichts weiter her. Die Mehrheit der Deutschen dürfte in ihrer gewohnten Niedertracht und Dummheit ohnehin nichts Verwerfliches an diesem Beschluss finden. Ich habe mir zur gleichlautenden Meldung bei Zeit Online einige der gehirnquälenden Kommentare durchgelesen und danach beschlossen, dass es kaum etwas wohltuenderes für diesen durchgefickten Planeten gäbe als ein rückstandsloses Verschwinden der deutschen Dumpfbevölkerung.

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Mai

Der Revoluzzer fühlt sich stark.
Der Reichen Vorschrift ist ihm Quark.
Er feiert stolz den ersten Mai.
(Doch fragt er erst die Polizei.)

(Erich Mühsam [1878-1934], aus: "Kalender 1913", in: "Brennende Erde. Verse eines Kämpfers", Kurt Wolff 1920)


4 Kommentare:

schadensmeldung hat gesagt…

Was das Verfassungsgericht zwischendurch so alles entscheidet,ohne mich darüber zu informieren. Ich meine: Ich kann doch nicht täglich metertief herumgraben, um zu solchen Erkenntnissen zu gelangen. Entweder versage ich dabei oder die Medien, also die Presse, die ganz oben bei Google News erscheinen. Lese ja jeden Tag auch die taz, wäre mir sicherlich aufgefallen, wenn hier was total schiefläuft.
Blöd ist halt, dass die immer zu lange benötigen, um sich mit irgendwas zu befassen was eindeutig zum Himmel stinkt. Diese Taktik stink ebenfalls zum Himmel, weil Schmidt und Meier gar nicht mehr wissen, worum es überhaupt geht.
2013, irgendwas in Frankfurt Main, gewaltbereite Chaoten, die unter Banker-Bullen-Notwehrreflexen in ihre demokratischen Ärsche gefickt wurden. Sorry meiner Ausdrucksweise, aber das stinkt schon gewaltig nach mehr Verfassungsmissbrauch.

altautonomer hat gesagt…

Für Verfassungspatrioten mal wieder ein Schmankerl: Freiheitsberaubung im Amt ist mit dem GG vereinbar.

Eine ähnliche Farce ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dass das Filmen und Fotografieren von friedlichen Demonstrationsteilnehmern durch die Einsatzkräfte mit dem Recht am eigenen Bild unvereinbar ist. Bei jeder Demo, an der ich teilnahm, liefen die Kameras auf dem Dach der weißen VW-Busse vom Landesverfassungschutz und es wurde von Anfang an auch von der Polizei mit Kameras auf Teleskopstäben gefilmt.

epikur hat gesagt…

Diese Meldung ist komplett an mir vorbei gegangen. Danke für den Hinweis! Auch wenn das kein Grund zum Feiern ist.

jakebaby hat gesagt…


Pre/post konstruierte rechtliche Massnahmen gegen Demonstranen?
Gabs denn nicht schon immer eh auf die Fresse?
Nur ein Beispiel diesbezueglich westlicher Demokratie.
http://jakester-express.blogspot.com/2009/12/ein-kaefig-fuer-die-demo.html

Gruss
Jake