Dienstag, 16. Mai 2017

Drogen oder Gewalt: Schlips-Borg vs. Arbeitslose


Australien ist weit entfernt. Und doch bietet auch dieses kapitalistisch verseuchte Land immer mal wieder Beispiele an, wie man ganz besonders asoziale, menschenfeindliche Politik machen kann, die über das übliche Maß der faschistischen Perversion noch hinausgeht – die Schlips-Borg der hiesigen Katastrophenverwaltung nehmen das sicher sehr wohlwollend und begierig lernend zur Kenntnis. Bei n-tv war kürzlich zu lesen:

Wer staatliche Zuwendungen bekommt, soll sie nicht in Drogen investieren. Deswegen starten die Behörden in Australien ein Pilotprojekt: Wer sich arbeitslos meldet, muss zum Drogentest. Wenn der Test positiv ist, gibt es nur noch bargeldlose Unterstützung.

Das muss man sich, wie so oft im finsteren Kapitalistan, auf der Zunge zergehen lassen. Wer am Boden liegt, bekommt nun auch in Australien erst einmal einen deftigen Tritt mit Schmackes in die Fresse, während zugekokste Banker und Politiker, die genau diese Vorgehensweise beschlossen haben, weiterhin das Geschick der Welt bestimmen. Ich brülle mir lachend die Seele aus dem Hals, wenn ich so einen abgrundtief menschenfeindlichen Bockmist lesen muss.

Zunächst ist natürlich zu fragen, ob zwangsverarmte Menschen, die kaum genug Geld haben, um sich halbwegs gesund zu ernähren, überproportional auch Konsumenten von teuren Drogen sind. Ich denke, dass allein die Logik hier schon weiterhilft und dem geneigten Leser nahelegt, dass Sozialhilfeempfänger – ganz im Gegensatz zu Bankstern und Politkrimininellen – eher weniger Geld für teure Drogen zur Verfügung haben. Die Asozialität dieser Denkweise wird also sofort offensichtlich.

Gleichzeitig wird hier ein generelles Phänomen in den Fokus gerückt: Es ist keine neue Erkenntnis, dass der Rausch ein essenzielles Faktum fast jeder menschlichen Gemeinschaft ist – sei es nun eine abgeschottete Gruppe indigener Menschen in Südostasien oder eine Kleinstadt in Irland oder Westfalen. Nach kapitalistischer Unlogik wird das "Recht auf Rausch" von der Obrigkeit aber nur jenen zugestanden, die über entsprechend viel Geld verfügen – allen anderen wird es rigoros verwehrt.

Wieso kommt eigentlich niemand auf die Idee, nach Drogentests in Banker- und Politikerkreisen zu fragen? Und was sollte "schlimm" daran sein, wenn beispielsweise ein Arbeitsloser, der keine Perspektive in diesem System und entsprechend keine kapitalistische Zukunft mehr besitzt, anstelle von Bohnen und Kartoffeln gelegentlich mal eine "funny cigarette" raucht, um das triste, gruselige Dasein etwas zu versüßen? Ich persönlich leiste mir das nicht – aber ich kann jeden verstehen, der das anders handhabt.

Aber wir befinden uns nicht im Paradies, sondern in Deutschland – und hier wird wie gewohnt nicht das Beste, sondern das Allerschlimmste in die Tat umgesetzt: Australien ist in diesem Fall ein guter Wegweiser der korrupten Bande, für die arbeitslose, arme, kranke und alte Menschen ein auszumerzendes, unproduktives Gräuel sind. Im Text heißt es dazu:

Das Projekt solle Menschen helfen, die bestmögliche Chance auf einen Arbeitsplatz zu erhalten, betonte Sozialminister Christian Porter. Es gehe um eine Verhaltensänderung.

An diesem Punkt muss ich mich entscheiden, ob ich mir voller Wonne 10 Liter Aldi-Schnaps in den Schädel schütte (ich trinke nie Schnaps) oder doch lieber die verantwortlichen Schlips-Borg – langsam und genüßlich – ermorde. Eine Verhaltensänderung dürfen solche Leute aber durchaus erwarten: Ich bin Pazifist und verabscheue Gewalt in jeder Form – hier stoße ich allerdings an meine Grenzen. Die Wahl zwischen Drogen und Gewalt ist in diesen untergehenden, verfaulenden Zeiten wahrlich nicht einfach.

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Das Haus des Henkers


(Zeichnung von Otto Nückel [1888-1955], in: "Der Simpl", Nr. 15 vom Dezember 1946)

4 Kommentare:

Arbo hat gesagt…

Etwas anders gelagert, aber im Geiste Geschwister das hier aus DE: https://hartz4widerspruch.de/jobcenter-pinneberg/

promenadenmischung hat gesagt…

Tja, Rausch und Orgasmus werden derzeit wieder zu Herrschaftsprivilegien
umgemodelt.;-) Der Plebs möge keusch und enthaltsam gehalten werden, ganz wie
in den perversen Feuchtträumen bigotter Pfaffen in Politik und Bewusstseins-
Management …

Charlie hat gesagt…

@ promenade: Oder, wie Uthoff es in der jüngsten Ausgabe der "Anstalt" in seiner Rolle als "CEO" sinngemäß formuliert hat: "Lebensfreude? Um Gottes Willen - wir sind in Deutschland!!!" ;-)

Liebe Grüße!

drogenlog hat gesagt…

@promenadenmischung, so sieht's aus, feudalistische Zusẗände eben. Obwohl sich der verarmte Plebs in früheren Zeiten wenigsten ungehemmt in schmuddeligen Tavernen besaufen und prügeln durfte. Wer heute was auf sich hält und sich nicht zum Plebs zählt, darf heute höchstens mal "in gepflegter Gesellschaft" ne Pulle Wein aufmachen (oder auch zwei, drei oder vier - aber huch, da ist uns wohl gestern was entglitten, mein Schatz. Und der Joint, ach ja, der Tobi hatte halt was dabei, war doch lustig, oder?) Die selben Leute fahren dann am nächsten Tag mit dem ICE und rümpfen die Nase, wenn da jemand vorm Bahnhof steht und an der Kippe zieht und ne Flasche Bier in der Hand hält, keine Termine hat und einfach den Tag vertrödelt, der Taugenichts.