Mittwoch, 9. November 2011

Der andauernde Triumphzug des neoliberalen Scheiterns

  1. Der bittere Befund: Auch Rot und Grün und viele Medien kleben an der Agenda 2010 und den dahinter steckenden neoliberalen Vorstellungen

    Dieser Befund ist nicht unbedingt neu. Aber man gibt sich – auch ich gebe mich – gelegentlich der Hoffnung hin, unter dem Eindruck des offensichtlichen Scheiterns der neoliberalen Theorie würden sich zumindest Rot und Grün und einige Medien eines Besseren besinnen. Das ist leider nicht der Fall. Die aggressive Reaktion auf das Grundsatzprogramm der Linken ist ein aktueller Beleg dafür. Die programmatischen Festlegungen der Linken sind in wichtigen Teilen ein Spiegel, den die Linkspartei der SPD und den Grünen [vorhält]. Sie erkennen darin, dass sie wichtige und richtige eigene Positionen verlassen und verraten haben.

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  2. Schon nach dem Zusammenbruch der Lehman-Bank im September 2008 las der britische Politikwissenschaftler Colin Crouch mit dem Buch "Postdemokratie" dem Neoliberalismus die Leviten. Jetzt erklärt er, warum der Totgesagte eigentlich immer noch so erstaunlich lebendig ist. (...)

    "Denn die Krise des Keynesianismus [in den 70er Jahren] führte nicht deshalb zu seiner Abschaffung statt zu einer Reform oder Anpassung, weil irgendetwas an seinen Ideen grundsätzlich falsch gewesen wäre, sondern weil die Schicht, deren Interessen er vertrat - die Arbeiterschaft der westlichen Industrieländer - sich in einem historischen Niedergang befand und ihre gesellschaftliche Macht zu verlieren begann. Im Gegensatz dazu haben die Kräfte, die heute vom Neoliberalismus profitieren - globale Konzerne insbesondere des Finanzsektors -, keineswegs an Einfluss verloren. (Obwohl die Banken für die Krise 2008/2009 verantwortlich waren, gingen sie gestärkt aus ihr hervor.)"

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Anmerkung: Beide Texte sind zur Erklärung der ungebrochenen Macht des Neoliberalismus, die nach seinem offensichtlichen (und vorhersehbaren) Scheitern rational kaum erklärbar ist, hilfreich. Allerdings ist beiden Autoren vorzuwerfen, dass sie auch weiterhin im kapitalistischen Denken verharren - sie wollen den Kapitalismus "reformieren", anstatt ihn, wie die Linke es formuliert, zu überwinden. Eine solche Rückkehr zur "guten, alten Zeit" des Kapitalismus, in der er angeblich an die Leine gelegt und streng reguliert war, kann es indes nicht geben - aus mehreren Gründen:

  1. Einen "guten Kapitalismus" hat es nie gegeben - in der Zeit zwischen 1948 und den 70er Jahren waren die meisten Leidtragenden dieses Systems lediglich noch nicht so unübersehbar auch in den westlichen Industrienationen zu finden, sondern in anderen, fernen Regionen der Welt. Leid, Hunger, Ausbeutung, Tod, sich anhäufender Reichtum bei sehr Wenigen und katastrophale Natur- und Resourcenzerstörungen hat es auch in dieser Zeit gegeben - auch wenn das noch nicht von allen gleichermaßen wahrgenommen wurde. Die Revolte 1968 hat ja nicht deshalb stattgefunden, weil alles zum Besten bestellt war - es war eine antikapitalistische Revolte, die auch damals schon die furchtbaren Auswirkungen dieses kruden Systems auf die Menschheit und die Welt gesehen hat.


  2. Heute hat der Kapitalismus Formen und Dimensionen angenommen, die nicht mit 1968 oder den 70er Jahren vergleichbar sind - der Vergleich mit 1928 ist da schon näherliegender (vgl. Hickel: "Gesamtwirtschaftlicher Analphabetismus oder Brüning lässt grüßen" [pdf]). Was auf die schrecklichen neoliberalen Auswüchse nach 1928 folgte, dürfte hinlänglich bekannt sein.


Es lohnt sich sehr, das viel gescholtene Grundsatzprogramm der Linken einfach mal zu lesen - die dort formulierten Gedanken, Pläne und Ziele kann ich nahezu ausnahmslos befürworten. Wieviel davon bei einer eventuellen Regierungsbeteiligung der Linken allerdings tatsächlich in die Tat umgesetzt werden würde, steht auf einem anderen Blatt.

Während wir aber noch lesen, donnert der neoliberale Katastrophenzug unter CDU-, FDP-, SPD- und grünem Applaus unaufhaltsam auf den Abgrund zu.

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