Montag, 23. Dezember 2013

Ein Pazifist feiert Weihnachten in Black Mesa


Vom Weihnachtsterror an die Grenze zum Amoklauf getrieben, bleibt mir heute nur, Euch etwas Altes, neu Aufgesetztes, politisch Inkorrektes und pädagogisch Wertloses zu empfehlen, das ich ansonsten meide wie die Gesellschaft von Jungliberalen und anderen Schlips-Borg, das dafür aber kostenlos ist: Ein echtes, richtiges, hirnzersetzendes und brutales Ballerspiel für den PC.

Die meisten von Euch dürften es ohnehin schon kennen - alle anderen, die es vielleicht selber noch spielen möchten, seien vor Spoilern gewarnt und sollten im Zweifelsfall nur den Downloadlinks weiter unten folgen und den Rest dieses Textes ignorieren.

Es geht natürlich um Black Mesa, vormals bekannt als Half Life. Das ursprüngliche Spiel ist uralt, aber eine völlig bekloppte Fangemeinde hat es als so genannte "Mod" in die Jetztzeit gerettet: Da hat eine ganze Horde von Menschen jahrelang unentgeltlich daran gearbeitet, die komplette Grafik und das komplette Gameplay an die heutige Zeit anzupassen, so dass sich das Spiel heute nicht grundlegend von regulären, kommerziellen Titeln unterscheidet.

Um es zu spielen, braucht Ihr bloß drei Dinge:

  1. Einen (kostenlosen) Steam-Account,
  2. die (kostenlose) "Source-Engine" sowie
  3. das eigentliche Spiel bzw. die ebenfalls kostenlose "Mod".

Dass sich für Steam eine separate Trash-Mailadresse empfiehlt, muss ich wohl nicht extra erwähnen, oder?

Wie auch immer. Wenn Ihr diese drei Dinge eingerichtet bzw. installiert habt, könnt Ihr loslegen - und auf eine Reise gehen, wie sie weihnachtlicher im (anti-)kapitalistischen Sinne kaum sein könnte. ;-) Das Spiel beginnt sehr opulent und langsam, aber die Intensität und die Schwierigkeit steigern sich im weiteren Verlauf sehr extrem - was auch meinen einzigen Kritikpunkt an dieser "Mod" darstellt. Denn man merkt ungefähr ab der Mitte des Spiels sehr deutlich, dass hier Fans und "Profi"-Spieler am Werke waren, denn für einen ungeübten Spieler und Grobmotoriker wie mich ist es ab diesem Zeitpunkt selbst im leichtesten Milchbubi-Modus fast unmöglich weiterzuspielen - und das betrifft nicht in erster Linie die Baller-Sequenzen, sondern vielmehr die "Jump-and-Run"-Einlagen und die Wegfindung. Immer wenn ich nach dem 20. Versuch an einer bestimmten Stelle dann doch endlich erfolgreich war und dachte: "Hey, schlimmer oder schwieriger wird's nicht mehr werden können, enstspanne dich jetzt mal!" - dann dauerte es maximal 10 Minuten, bis ich wieder in einer noch aussichtsloseren Lage war. Das ist auf Dauer - wie gesagt, erst in der zweiten Hälfte des Spiels - entnervend, denn es gibt keinerlei Hilfen, die man aufrufen kann - wenn man trotzdem weiterkommen will, kann man entweder nur endlos suchen und üben oder auf Cheats zurückgreifen. Aber auch die helfen beim Suchen des richtigen Weges nicht weiter, sie verhindern lediglich, dass man ständig an derselben Stelle wieder den Löffel abgibt.

Das Spiel ist natürlich so konzipiert, dass der Spieler an vielen Stellen fast zwangsläufig zunächst in sein Verderben laufen muss und erst dadurch lernt, wie er dort überleben kann. Aber diese Häufung in der zweiten Spielhälfte ist dann doch sehr extrem.

Dennoch macht das Spiel - zumindest bis zu diesem Punkt - einen Heidenspaß, denn es stellt sich recht schnell heraus, dass es eben doch viel mehr als ein stupides Ballerspiel ist und zudem eine recht durchdachte Story hat, die - der Fangemeinde sei Dank - in einer Grafik daherkommt, die sich vor der kommerziellen Konkurrenz wahrlich nicht zu verstecken braucht.

Es versteht sich von selbst, dass in diesem Spiel ein Konzern, deren kommerziell "forschende Wissenschaftler" und natürlich die staatlichen Soldaten die "Bösen" sind - und selbstredend spielt auch ein gewisser Schlips-Borg eine tragende Rolle, der - wie sollte es auch anders sein - die böse elitäre Bande, die hinter der ganzen Katastrophe steckt, repräsentiert.

Seit ich mir an Black Mesa die Zähne ausgebissen habe, sehe ich jedenfalls Metalltüren, Metallleitern, Luftschächte, menschenleere Bürokomplexe und überhaupt finstere Industrie- und Militäranlagen mit ganz anderen Augen - und ertappe mich unwillkürlich dabei, wie ich bei einem solchen Anblick unverzüglich mein Brecheisen oder eine dicke Wumme aus der Tasche ziehen will ...

Das ist großes Popcorn-Kino zur Weihnachtszeit: Dumpf, brutal, ekelhaft - und trotzdem so kreativ, herausfordernd und betörend. Die dämlichen Hollywood-Schinken des Kriegs- und Gewaltgenres, die auch dieses Jahr an Weihnachten wieder zuhauf im Verblödungs-TV gesendet werden, können da nicht einmal am Latrinenunterrand mithalten. Ich war, bin und bleibe Pazifist, aber in dieser virtuellen Spielewelt habe ich alle Hemmungen abgelegt und endlich mal wieder die alten Spiele der Kindheit wiederholt: "Boom, boom, bang, bang - lie down, you're dead!" Und wen ich mir dabei mit infantiler Freude vorgestellt habe ... das wollt Ihr wirklich nicht wissen.

Ein fröhliches Konsumterrorfest Euch allen.


2 Kommentare:

jakebaby hat gesagt…

Are you OK???

Charlie hat gesagt…

Jake, was meinst Du? Dieses irre Glitzern in meinen Augen oder mein hysterisches Lachen? ;-)

Aber ja, alles ist gut ...