Donnerstag, 16. Oktober 2014

Realitätsflucht (5): Oblivion


Es ist mal wieder soweit: Die sirenenhaften Rufe aus den virtuellen Welten haben mich genötigt, mich ein weiteres Mal auf eine Abenteuerreise zu begeben, diesmal ins Land bzw. die Tamriel-Provinz "Cyrodiil". Ich habe das Spiel "The Elder Scrolls IV: Oblivion" vor einigen Jahren schon einmal gespielt, muss aber sagen, dass ich es jetzt - nachdem ich "Skyrim" gespielt habe - noch um einiges besser finde als damals.

Das Spiel ist, wie man es inzwischen aus der Elder-Scrolls-Reihe gewohnt ist, extrem opulent, sehr detailverliebt und dialogreich. Und auch wenn sich ein Vergleich mit dem Nachfolger "Skyrim" förmlich aufdrängt, sollte man den (abgesehen von der Story) tunlichst unterlassen, denn 2006 waren die grafischen Möglichkeiten und die so genannte "Künstliche Intelligenz" (KI) für derartige Spiele noch nicht in der Lage, das zu leisten, was für "Skyrim" fünf Jahre später bereits obligatorisch war. Wenn überhaupt ein Vergleich vonnöten ist, sollte man dafür Spiele wie "Risen" oder "Fable - The Lost Chapters" heranziehen.

Man merkt dem Spiel das Alter zwar an, selbst dann, wenn man die Auflösung, grafischen Details etc. aufs Maximum stellt, aber ich persönlich empfinde das keineswegs als störend - ich kann mich nach wie vor an dem grafischen Standard dieser Zeit erfreuen und brauche für ein gutes Spielerlebnis keine "HD-Grafik". Ich habe mich nach dem Start des Spiels in wenigen Minuten daran gewöhnt und im weiteren Verlauf nichts vermisst. 2006 gehörte "Oblivion" im Bereich der Grafik zum Besten, was damals möglich war.

Kommen wir aber zum eigentlichen Spiel, also zur Handlung und deren Umsetzung (eine Inhaltsangabe voller Spoiler lässt sich bei Wikipedia nachlesen). Das Spiel beginnt in einer fast schon traditionellen Szenerie: Unser Held, den wir spielen und dessen Erscheinungsbild wir wie gewohnt recht detailreich bestimmen können (Geschlecht, Spezies, Erscheinungsbild etc.), findet sich in einer Gefängniszelle wieder und erhält als erste Quest den Auftrag, daraus zu entkommen. Der Beginn ist, wie gewohnt, wie eine Art "Tutorial" gestaltet, in dem der Spieler die grundlegenden Funktionen und Aktionen kennen lernt. Gleichzeitig ist dieser Teil auch ein dramatischer Prolog, der den Auftakt für das folgende Spiel darstellt - ohne groß spoilern zu wollen, kann ich doch verraten, dass wir auf unserer Flucht Zeuge des Mordes an "Kaiser Uriel Septim VII." werden und von diesem, kurz bevor er stirbt, den "Hauptauftrag" erhalten, der durch das gesamte weitere Spiel führt.

Die Spielwelt, in die man nach der erfolgreichen Flucht gelangt, ist riesig und frei begehbar. Es gibt unzählige Orte (Städte, Dörfer, Höhlen, Ruinen, Grabstätten, Schreine etc.) zu entdecken, und man sollte tunlichst einen Notizblock neben der Tastatur liegen haben und akribisch jeden Ort, den man entdeckt und nicht sofort besucht, aufschreiben - ansonsten verliert man nach kurzer Zeit den Überblick und weiß nicht mehr, wo man bereits gewesen ist und wo noch nicht. Das Spiel gibt dazu nämlich leider keine Hinweise.

Überall trifft man auf NPCs, mit denen man sich unterhalten kann und dies auch in jedem Fall tun sollte, denn oft gelangt man so an wichtige Informationen oder erhält eine der unzähligen Quests, die in diesem Spiel zu erledigen sind. Dabei ist es allerdings wichtig, wie "freundlich" einem ein NPC gesonnen ist - dies lässt sich während jedes Dialoges mittels eines Minigames beeinflussen. Alternativ kann man auch "Bezauberungs-Magie" einsetzen, sofern man über diese Fähigkeit verfügt, um Personen "positiv zu stimmen". - Subjektiv empfinde ich "Oblivion" als weitaus dialoglastiger als jedes andere mir bekannte Rollenspiel (einschließlich "Skyrim"), was ich persönlich auch sehr gut finde. Allerdings sollte man das Spiel besser auf Englisch spielen, denn die deutsche Übersetzung wie auch die deutsche Synchronisation sind teilweise unterirdisch schlecht.

Was die Quests und Questreihen betrifft, muss ich ebenfalls feststellen, dass es in "Oblivion" weitaus abwechsungsreicher zugeht als in vergleichbaren Spielen. Hier heißt es nicht ganz so oft: "Betritt den Ort X, haue alles zu Klump, was sich dir in den Weg stellt, besiege den Endgegner und kassiere die Belohnung!" Es gibt ganze Questreihen, in denen man Leute beispielsweise verfolgen, belauschen, manchmal auch bestehlen soll, um weiterzukommen, und gelegentlich wird der Spieler auch völlig im Regen stehen gelassen und muss selber herausfinden, wie ein Problem denn nun zu lösen ist - Hinweise gibt es in diesen Fällen nicht. Das mag ich an solchen älteren Spielen sehr - leider ist diese Facette inzwischen fast gänzlich ausgestorben. Natürlich gibt es in "Oblivion" auch die verschiedenen "Gilden" (Magier, Kämpfer, Diebe) sowie die "Dunkle Bruderschaft" samt den jeweils zugehörigen Questreihen.

Außerdem gibt es noch die zweite Ebene dieses Spiels, nämlich die namensgebende Welt von "Oblivion", in der die "Daedra-Fürsten" und ihre bestialische Brut hausen. Ich möchte dazu nicht viel schreiben, dies hier muss reichen: "Cyrodiil" wird von den "Daedra" aus "Oblivion" bedroht und angegriffen, überall in der ganzen Provinz tun sich immer weitere "Tore" in dieses Höllenland auf, und es versteht sich von selbst, dass unser Held sie allesamt beherzt durchschreiten und in "Oblivion" gegen die "Daedra" kämpfen muss, um die Höllentore wieder zu schließen.

Bei diesem zweiten Ausflug in diese Welt von "Cyrodiil" und "Oblivion" habe ich eine Spielweise gewählt, die mir eigentlich gar nicht liegt: Ansonsten schwinge ich in solchen Rollenspielen stets mit Wonne große Schwerter oder dicke Äxte, diesmal aber habe ich mich entschieden, endlich auch einmal den Weg des Magiers auszuprobieren - obwohl ich zu Beginn gar keine Lust dazu hatte. Aber was soll ich sagen: Ich habe das Spiel jetzt etwa zu zwei Dritteln durch, und es macht wahrhaft höllischen Spaß, all die Skelette, Zombies, Goblins, Orks, Trolle, Geister, Daedra und was sich da sonst noch so alles in den finsteren Abgründen tummelt, mit Feuerbällen oder Blitzen zu überziehen, sie einzufrieren oder ihnen den Lebenssaft einfach aus der Ferne abzusaugen. Die Möglichkeiten für einen Magier sind äußerst vielfältig. Freilich muss man auch hier mit entsprechender Gegenwehr rechnen - es ist manchmal schon extrem witzig, mit welchen fiesen Zaubern und Flüchen starke Gegner agieren, auf die man als Spieler wiederum kreativ reagieren muss, wenn man nicht plötzlich in Unterhose völlig schutzlos vor dem Monstrum stehen und in kurzer Zeit den Löffel abgeben will.

Ich spiele die "Game-of-the-year"-Edition, welche die beiden Add-ons "Knights of the Nine" und "Shivering Isles" enthält. Beide sind durchaus empfehlenswert, allerdings sollte man beim ersten, das nahtlos in die Spielwelt integriert wird und schlicht eine eigene Questreihe darstellt, darauf achten, dass man sie konsequent von Anfang bis zum Ende weiterverfolgt und zwischendurch nichts anderes unternimmt - sonst kann es zu Problemen bei der Lösung kommen, die ich hier aus Spoilergründen nicht näher ausführen möchte. "Shivering Isles" hingegen ist eher das Rollenspiel-Äquivalent zu einem schrillen, abgefahrenen LSD-Trip, den ich so noch in keinem anderen Spiel dieser Art gefunden habe.

Fazit: "Oblivion" ist ein Spiel, das 2006 Maßstäbe gesetzt und Grenzen gesprengt hat und das auch heute noch zum Besten gehört, das auf dem Gebiet der Rollenspiele geschaffen wurde.


2 Kommentare:

epikur hat gesagt…

Ich kann Dir zum Thema Bugs und Übersetzungsfehler den "Oblivion Improved Mod" empfehlen. Überarbeitet auch das Inventar, die Map und vieles andere. Macht das ganze Spiel noch ein bisschen runder, ohne es inhaltlich zu verändern. Ist komplett von der Community jahrelang entwickelt worden und wird ständig weiter aktualisiert:

http://www.worldofelderscrolls.de/?go=dlfile&id=60

Charlie hat gesagt…

@ epikur: Herzlichen Dank für den Hinweis - die Mod ist mir aber bekannt. Ich hatte sie kurzzeitig installiert, war danach aber mit ständigen Abstürzen des Spiels konfrontiert (keine Ahnung, ob's an der Mod, an meiner PC-Konfiguration oder woran auch immer lag) und habe lieber wieder auf Englisch ohne Abstürze weitergespielt.

Für andere mag der Hinweis aber durchaus sehr hilfreich sein!

Es ist wohl unnötig zu erwähnen, dass es für "Oblivion" (wie auch für "Skyrim") inzwischen eine tatsächlich unüberschaubare Anzahl von Mods gibt, die keineswegs nur die Übersetzung, sondern auch alle anderen Parameter dieser Spiele (Inhalte, Quests, Orte, Umgebungsdarstellung, Gegenstände und so vieles mehr) betreffen. Wer sich da austoben möchte, muss viel Zeit und Toleranz mitbringen. ;-)

Liebe Grüße!