Dienstag, 14. Oktober 2014

Enddarmleckerei in den Propagandamedien: Die "Mär vom Heiligen Heinz-Horst"


Heinz-Horst Deichmann ist im Alter von 88 Jahren gestorben. Anlässlich dieses Sacks Reis, der in China bzw. Essen (NRW) umgefallen ist, beehrten uns die kapitalistischen Propagandamedien in den vergangenen Tagen mit vielerlei "Nachrufen" auf diesen "bedeutenden Mann". Herausgreifen möchte ich hier die Variante des WDR, die ganz besonders schmierig-schleimig und hirnzersetzend ausgefallen ist. Dort lesen wir:

Selbstdisziplin, Bescheidenheit im Privaten und Verantwortung gegenüber Mitarbeitern und Gesellschaft prägten Heinz-Horst Deichmann. Er hat das elterliche Geschäft zur größten Schuhhandelskette Europas aufgebaut.

Damit ist die Richtung vorgegeben und der für diesen Text verantwortliche "Journalist" Christoph Stehr kann so richtig vom Leder bzw. aus dem Enddarm ziehen - ich empfehle vor der Lektüre den Konsum einer Flasche billigen Fusels, um den Inhalt des erbrochenen Textes satirisch auffassen zu können und nicht den Drang zu verspüren, den Schädel unentwegt gegen die Wand zu schlagen oder sich stundenlang unter die Dusche zu stellen.

Stehr zeichnet hier das Bild eines seligen Heiligen, der an Güte, Menschlichkeit und Selbstaufopferung kaum mehr zu überbieten ist. "Deichmann tut Gutes", fasst der Autor das zusammen, und nennt danach gleich reihenweise "soziale" Stiftungen und Projekte, die der Verblichene monetär unterstützt habe; sogar eine völlig verblödende, an biblische Jesus-Geschichten erinnernde Formulierung wie die folgende rutscht ihm aus dem Enddarm des Kapitalismus' auf die Zunge:

1977, während eines Besuchs in Indien, trifft er eine Gruppe von Leprakranken. Diese Begegnung veranlasst ihn, das Hilfswerk "wortundtat" zu gründen. Seit Jahrzehnten fördert es humanitäre Projekte in Indien, Tansania und der Republik Moldau. Kranke werden versorgt, Kinder erhalten eine Ausbildung, um später eine Familie ernähren zu können.

Man sieht den Heiligenschein über des Deichmanns Haupt förmlich leuchten, während man diese salbungsvollen Zeilen liest - und ich könnte noch weitere Beispiele anführen, was ich aufgrund meines akuten Brechreizes aber unterlasse. Interessierte lesen die "Mär vom Heiligen Heinz-Horst" ohnehin direkt beim WDR. - Lassen wir Herrn Deichmann lieber selber zu Wort kommen. Der Autor zitiert ihn so: "Unternehmer ist für mich nur der, der immer wieder sein ganzes Besitztum in das Geschäft steckt." Nur einen Absatz später schreibt er aber: "Deichmann steht wieder einmal auf der Liste der reichsten Menschen Deutschlands." - Ja, wie denn nun? Offenbar war der Mann doch nicht ganz so selbstlos, sondern hat stets so wenig wie möglich "investiert", um den größtmöglichen Profit für sich selbst daraus zu ziehen, wie es die kapitalistische Ideologie vorgibt - und keineswegs "sein ganzes Besitztum".

Es wird aber noch kruder: "Ohne Wachstum kein gesundes Geschäft", zitiert der Autor den Heiligen und geht, wie gewohnt, nicht weiter auf das kapitalistische Paradoxon des "unendlichen Wachstums" ein. Dieser Satz wird einfach als "Pater noster" der "Marktwirtschaft" in den textlichen Kontext gerotzt, das selbstverständlich nicht zu hinterfragen, sondern lediglich zu verbreiten ist. Passend dazu wird dann auch die offizielle religiöse Büchse aufgemacht, denn der Heilige war natürlich nicht nur raffender Kapitalist ("Unternehmer"), sondern auch Christ - ein studierter zumal. Stehr dreht auf:

Den Antrieb für seine karitative Arbeit schöpft Deichmann aus dem christlichen Glauben. In seinem Elternhaus wird zu jeder Mahlzeit gebetet und täglich aus der Bibel vorgelesen. "Der Ruf Gottes trifft einen auch als Unternehmer", sagt Deichmann. Seine Mitarbeiter sollten gern für ihn arbeiten, denn "sie gehören zum Unternehmen genauso wie der Unternehmer".

An dieser Stelle habe ich mich schnaufend übergeben - diese schrille Zeichnung eines "karitativen", gar "bescheidenen" Milliardärs ist an Wahnwitz gar nicht mehr zu überbieten. Man könnte genausogut auch vom "humanistischen" Nazi oder vom fleischfressenden Veganer schwadronieren. Der "Ruf Gottes" hat für Deichmann, wie für alle Kapitalisten ähnlichen Rangs, stets nur bedeutet, möglichst viele Menschen möglichst gnadenlos auszubeuten, um für sich persönlich möglichst viel absurden Reichtum anzuhäufen. Auf andere Weise wird in diesem furchtbaren System niemand zum Milliardär, ohne zu erben.

Mein persönlicher Nachruf auf diesen Habgierigen fällt entsprechend anders aus: Deichmann war einer dieser skrupellosen Verbrecher, die Billigware in Fernost zu Dumpinglöhnen produzieren und diese trotz des vergleichsweise niedrigen Preises anderswo äußerst gewinnbringend verkaufen ließen. Die vielen, vielen Millionen Euro, die andere Menschen so für ihn erwirtschaftet haben, hat er gerne an sich genommen, und es tat ihm nicht weh, einen Portokassenanteil davon für "soziale Projekte" auch wieder auszugeben. Wenn es einen Gott gäbe, schmorte diese Figur jetzt in der Hölle - so aber dürfen sich bloß die Erben seines ergaunerten Superreichtums darüber freuen, in die perversen Fußstapfen ihres bigotten Erblassers zu treten und das perfide Ausbeutungs- und Zerstörungswerk fortzuführen, bis das kranke System wieder einmal kollabiert.

Der Herr Stehr vom WDR hat sich mit diesem Orwell'schen Stück zu höheren Weihen im "Qualitätsjournalismus" bzw. Enddarm des Kapitals qualifiziert. Herzlichen Glückwunsch. Der Heilige Heinz-Horst wird ihn sicher reich beschenken.

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[Der Heilige Heinz-Horst]


"Tja - große Gewinne erfordern kleine Opfer!"

(Zeichnung von Karl Arnold [1883-1953], in "Simplicissimus", Heft 7 vom 12.05.1920)

4 Kommentare:

Charlie hat gesagt…

@ Nightowl: Ich weiß, ich weiß, über Verstorbene soll man nur Gutes sagen. Ich pfeife in diesem Fall aber sehr gerne auf diese Konvention - und ich sehe, dass Du das hier nicht unbedingt verwerflich findest. ;-)

Die Bibelstelle, die Du da verlinkt hast, verursacht bei mir böses Sodbrennen - auch wenn ich schon den einen oder anderen Pfaffen darüber "predigen" gehört habe - natürlich mit allesamt gänzlich anderen Auslegungen.

Mir persönlich fällt dazu lediglich die gleich in drei "Evangelien" überlieferte Textstelle (jeweils ein wörtliches Zitat des "Nazareners") ein: "Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt." (laut Wikipedia - ich hab's nicht überprüft - aus: Markus 10,25 - Lukas 18,25 - Matthäus 19,24).

Das hat in der Geschichte der Menschheit und auch der Christenheit aber noch nie dazu geführt, dass irgendwelche Machthaber oder andere "Elitemenschen" dem irgendeine Bedeutung beigemessen hätten.

Die Herrschaften legen auch die christliche Religion eben so aus, wie sie ihnen gerade in den eigennutzmehrenden Kram passt. Alles nichts Neues, wie Du schon geschrieben hast.

Liebe Grüße!

epikur hat gesagt…

Treffende, beißende Analyse unserer Massenmedien, die Konzernen und Unternehmen nur noch in den Rektus kriechen und jede noch so kleine "News" zu einer Riesensensation aufblähen. Sie sind eben die Anzeigenkunden, die Förderer, Geldgeber, Sponsoren und Verlagskumpels.

Nach oben kriechen und nach unten treten kann jeder - die Finanzoligarchie zu kritisieren, trauen sich aber immer weniger.

Schubyduby hat gesagt…

Juhuu...ein Bruder im Geiste !

Kleine Empfehlung (sagt so mein Doc):
Bevor bei Kenntnisnahme solcher medialen Flatulenzen beim, vorher geneigten,Leser die Schnappatmung eintritt,sollte er nach draussen an die frische Luft gehen (falls vorhanden). Dortselbst kann man dann den aufgespeicherten Druck seinerseits per Flatulenz mindern und mit : "drauf geschissen !" dem zuvor wahrgenopmmenen journalistischen Dünnpfiff den richtigen Nieveaulevel zuschreiben.


Werter Charlie.
Mit Vergnügen habe ich deine Stellungsnahme gelesen. Leider dabei meinen Kaffee in die Tastatur geprustet. Dir ist aber schon klar, dass der gemeine urbane Lemming anundfürsich diese deine Hinterfragung grenzwertiger Politlubhudelei nicht so wahrnimmt ? Die Masse braucht Vorbilder zum aufschauen. Egal wir die aussehen und in welchem casting diese gerade herumdödeln. Da ist ein veritabler Selfmademan, nach alter amerikanischer Art,für unsere Politbarden zwar zu männlich (man bevorzugt gedermäßig eher weibliche Heldinnen), aber er hat wenigstens Kohle en mass. Dass jenes "C" in der Politik nicht für "christlich", sondern für "Cash" steht, bedarf insofern kaum noch biblischer Zitate.
Da dererlei Abzocker vom Pfaffen auf der Beerdigung sowieso als "Wohltäter der Menscheit" belobigt werden.

Schubyduby

Charlie hat gesagt…

@ Schubyduby: Danke für die Blumen (glaube ich). Für eventuelle Schäden an Tastaturen, Monitoren oder Herzschrittmachern übernehme ich allerdings keine Verantwortung. ;-)

Deine Frage nach der Haltung des "gemeinen urbanen Lemmings" muss ich aber nicht beantworten, oder? Ein Blick in unsere "urbanen Zentren" und insbesondere in die dortigen offiziellen Wahlergebnisse reicht schließlich aus, um als entfernt vernunftbegabtes Wesen den ollen Strick aus Opas Kriegskiste vom Dachboden zu holen und sich theatralisch in einem der vielen Konsumtempel zu erhängen. ;-)

Ich schreibe diesen Mist in meinem Blog hier in Hintertupfingen ja nicht, weil ich hoffe, irgendeinen dieser Zombies aus der Bevölkerung, den Redaktionen, den Parteien etc. zu erreichen, sondern betreibe dies als eine Art "Selbsttherapie", um zumindest temporär zu vermeiden, dass ich als eben solche baumelnde Suizidleiche vorzeitig ende.

Kommentare wie Deiner helfen mir dabei - also vielen Dank dafür. :-)

Liebe Grüße!