Mittwoch, 10. Dezember 2014

Realitätsflucht (7): Assassins of Kings


Nach längerem Zögern habe ich mich nun endlich auch einmal dem von vielen Seiten gerühmten Fantasy-Spiel "The Witcher 2: Assassins of Kings" gewidmet, das vom polnischen Entwicklerstudio CD Project RED im Mai 2011 veröffentlicht wurde. Gleich vorweg muss ich konstatieren, dass ich sehr gerne zuvor auch den ersten Teil aus dem Jahr 2007 gespielt hätte - leider ist es bislang aber niemandem gelungen, dieses Spiel auf einem Win-7-System (64b) zum Laufen zu bekommen. So startete ich also direkt in den zweiten Teil (in der "Enhanced Edition") und wurde mit einem fulminanten Intro, in dem wir natürlich - wie sollte es anders sein - Zeuge eines Königsmordes werden, begrüßt:



Wer sich über die Handlung dieses Spieles informieren möchte, kann beispielsweise bei Wikipedia nachlesen. Ich wusste jedenfalls, als ich begann, nichts über dieses Spiel und war zunächst wegen des vergleichsweise komplexen Kampfsystems, das in einem Tutorial ausführlich vorgestellt wird, ein wenig überfordert. Nach einer gewissen Eingewöhnungs- und Einarbeitungszeit war mir das Wesentliche aber klar - und ich wusste schon, dass ich hier mit dem aus anderen Spielen gewohnten simplen Herumklicken, um wild auf Gegner einzudreschen, wohl nicht sehr weit kommen würde.

Der Fokus des gesamten Spieles liegt klar auf der Erzählung der Geschichte - es gibt massenhaft Dialoge und viele animierte Zwischensequenzen, so dass ich mich zeitweise eher in einem interaktiven Spielfilm als in einem Rollenspiel wähnte. Das werte ich jedoch nicht negativ, denn die Geschichte ist spannend und bietet genug unerwartete Wendungen, um nicht als "Massenware" negativ aufzufallen. Dazu trägt der Hauptcharakter Geralt von Riva, in dessen Rolle der Spielende schlüpft, wesentlich bei. Besonders hervorheben möchte ich hier auch die endlich einmal professionelle und wirklich gelungene deutsche Synchronisation des Spieles. Gerade die Stimme Geralts unterstreicht die Atmosphäre sehr stark - die markigen Sprüche und oftmals bissigen und (selbst-)ironischen Bemerkungen des Helden machen einfach Spaß. Wenn Geralt wieder einmal von einer Horde Monstern angegriffen wird und sich wagemutig in den Kampf wirft, reicht beispielsweise ein hingeschlonztes "Ich bin zu alt für sowas!", um für wohlige Stimmung zu sorgen. An einer anderen Stelle gibt's gar einen hübschen Verweis auf ein anderes Epos des Fantasy-Genres: Geralt erhält wieder einmal eine schier unlösbare Quest und wird von seinem Auftraggeber abschließend sinngemäß darauf hingewiesen: "Alternativ kannst du natürlich auch einen der 20 Ringe der Macht finden." Darauf antwortet der Held lapidar: "Natürlich, und ich hüpfe dann barfuß über die Hänge des Vulkans ... vergiss es." - Solche Querverweise finde ich wunderbar.

Die Spielewelt von "The Witcher 2" ist nicht komplett offen, sondern in drei Areale unterteilt - für jedes Kapitel (im Spiel "Akt" genannt) eines. Das stört nicht, wie ich finde, denn die Areale sind recht groß und abwechlungsreich gestaltet - und bezogen auf die Handlung gibt es ohnehin keinen Grund, später noch einmal in bereits abgeschlossene Gebiete der vorhergehenden Kapitel zurückzukehren. Grafisch bewegt sich das Spiel auf einem eher unterdurchschnittlichen Niveau - selbst in der höchstmöglichen Auflösung bleibt die grafische Darstellung weit unter dem schon 2011 möglichen Standard. Mich stört so etwas ja nicht, aber wer darauf großen Wert legt, sollte gewarnt sein. (Dies bezieht sich natürlich nur auf die PC-Version des Spiels - der Konsolenfirlefanz muss ja trotz der überteuerten Preise stets mit schlechterer Grafik Vorlieb nehmen.)

Mein Hauptkritikpunkt an diesem Spiel ist die - auch durch Nachbesserungen in der "Enhanced Edition" nicht komplett abgestellte - wenig geglückte Ausbalancierung der Gegner. Gerade im ersten Kapitel wird das sehr deutlich: Nachdem ich mich stundenlang recht erfolgreich durch verschiedenste Gegnerhorden geschnetzelt und dabei auch das eingangs erwähnte komplexere Kampfsystem recht gut erlernt hatte, stieß ich zum Ende des Kapitels auf einen Gegner, der (für mich) nahezu unbesiegbar war. Ich habe alle Tricks, Kniffe und Taktiken ausprobiert und bin dennoch unzählige Male abgenippelt, so dass ich kurz davor war, das Spiel abzubrechen. Es war reines Glück, dass ich es beim gefühlten 187. Versuch - mit einem Restbalken an Lebensenergie, der etwa die Größe eines Fliegenschisses hatte - schließlich doch noch geschafft habe. Das muss - und sollte - nicht sein. Etwas ähnliches hat sich im dritten Kapitel - erstaunlicherweise aber nicht am vergleichsweise leichten Ende - wiederholt.

Abgesehen von einigen wenigen Bugs, wiederholten Abstürzen des Spiels und einer manchmal unzureichenden Quest-Information, was man denn aktuell auf welche Weise erledigen soll, habe ich sonst nur noch einen Kritikpunkt, den ich ansprechen muss, und das ist eindeutig der Umfang. Das Spiel ist zu kurz - obwohl durch die erwähnte "Enhanced Edition" auch in dieser Hinsicht bereits nachgebessert wurde. Gerade das dritte Kapitel, dem erzählerisch eigentlich ein Potenzial für ein ganzes Epos innewohnt, hat mich sehr enttäuscht. Allerdings gilt es zu bedenken, dass "The Witcher" aus einem vergleichsweise kleinen Entwicklerstudio stammt, das zudem - zumindest bisher - sämtliche nachträglichen Inhalte und Verbesserungen gerade nicht als zu bezahlende "DLCs" angeboten, sondern komplett kostenlos zur Verfügung gestellt hat. Wer also seinerzeit die erste Version des Spieles gekauft hat, konnte sich die etwa 10 GB große "Enhanced Edition" später kostenlos herunterladen. So etwas wäre bei den "Großen" auf dem Markt der Spieleentwickler - und nicht nur dort - undenkbar.

"Assassins of Kings" ist ein fantastischer Spielspaß, der trotz einiger Mankos und Schwächen neuerdings zu meinen Favoriten des Rollenspielgenres zählt. Ich bin sicher, dass mein erster Versuch als "Hexer" im Lande Temerien nicht der letzte war.


3 Kommentare:

Martin hat gesagt…

Schön, dass du dich für dieses Spiel entschieden hast. Allerdings kann ich einige deiner Kritikpunkte nicht nachvollziehen:

1. The Witcher (1) läuft ohne Probleme auf Win7 64-bit.

2. Die Grafik von The Witcher 2 ist atemberaubend und mit Übersampling kommen sogar moderne Grafikkarten ins Schwitzen.

3. Das Kampfsystem fand ich sehr zugänglich und ich habe das Tutorial nie gespielt.

4. Finde ich das Spiel in keinster Weise zu kurz, sondern extrem abwechslungsreich.

Freue mich schon so sehr auf den dritten Teil, der im Mai 2015 erscheint. Die Welt soll noch 40-mal (!!!) größer werden als im Vorgänger.

Charlie hat gesagt…

Hallo Martin,

schön, dass es unterschiedliche Meinungen dazu gibt. :-) Ich bleibe aber bei meinen Äußerungen - insbesondere was die Kompatibilität mit Windows 7 (64 bit) betrifft. Ich habe stundenlang Forenbeiträge gelesen und mich mit Legionen von Mitbetroffenen ausgetauscht - das Spiel ist allenfalls in sehr seltenen (allerdings nicht nachvollziehbar dokumentierten) Ausnahmefällen auf diesem Betriebssystem lauffähig. In der Regel guckt man in die leere Röhre.

Liebe Grüße!

blogger hat gesagt…

Hi Charlie,

ich kann solche Forenbeiträge beim besten Willen nicht nachvollziehen. Ich habe mir die Enhanced Platinum Edition gekauft, installiert und alles läuft auf Anhieb auf Win7 x64. Ohne Tricks und Fummelei. Wenn es anders wäre, hätten die Entwickler auch längst einen Patch herausgebracht. Warum es bei anderen nicht läuft liegt dann wahrscheinlich an einem anderen Grund. Und selbst wenn es eine Inkompatibilität geben würde, ließe sie sich mit etwas Kenntnis mit dem Microsoft Compatibility Toolkit recht einfach fixen. So habe ich schon viele ältere Spiele vor 2000 ans Laufen bekommen!

Wie gesagt, kauf es dir. Es wird laufen!

Was ist mit Gothic I & II? Die sprengen sowieso alles andere an Rollenspielen. Die laufen zwar ohne Fan-Patches, aber nicht ganz optimal. Ich habe alle erforderlichen Patches zusammengefügt, die zu einem bestmöglichen Spielerlebnis beitragen. Auch die Maussteuerung wurde verbessert. Bei interesse einfach eine e-mail an mich: googol89@gmail.com

Was ich dir noch empfehlen kann ist folgender Geheimtipp: "Neverending Nightmares"

Hat die wohl traurigste und deprimierendste Story, die ich jemals irgendwo erlebt habe. Kombiniert in einem komplett von Hand gezeichneten Grafikstil. Das Besondere daran ist, dass der Entwickler "Matt Gilgenbach" ähnliche Dinge erlebt hat und er sein geistiges Leiden in diesem Spiel zum Ausdruck bringen will. Er hat gesagt, dass seine Depressionen ihm bei der Arbeit geholfen haben, dieses Spiel zu designen. Der tut mir wirklich leid, denn sein Spiel vermittelt wirklich ein zutiefst abgründiges Gefühl der Trauer. Das ist richtig wuchtiger Horror.

Dieses Spiel gehört zu den Besten, die ich je gespielt habe. Immerhin war auch Thomas Grip von Frictional Games als Alpha-Tester involviert, der ja wirklich was von Horror versteht. Wer also ein besonders stilvolles und fantastisch inszeniertes Albtraum-Erlebnis mag, das wirklich ins Innere der Seele geht, der wird hier bestens bedient.

Es gibt 3 Enden über 2 Verschiedene Wege, die man je nach Spielweise erreicht. Die Spielzeit beträgt ca. 2-3 Stunden.

Vielleicht spielst du das ja irgendwann mal. Auf jeden Fall erstmal ein frohes neues Jahr!

Liebe Grüße!