Dienstag, 14. April 2015

Nachrichten aus Kapitalistan: "Weil überall Geld fehlt"?


Wer kennt ihn nicht, diesen dusseligen Spruch, der sich unter Anderem in absurden Feststellungen niederschlägt wie XY "muss den Gürtel enger schnallen" oder XY "hat über seine Verhältnisse gelebt"? Die angebliche Geldknappheit - ein systemisches Wesensmerkmal des eigentlich laut offizieller Propaganda ja "Wohlstand bringenden" Kapitalismus - wird immerzu als alternativloses Totschlagargument angeführt, wenn wieder einmal in großem Stil gekürzt, also verarmt (sprich: von unten nach oben umverteilt) werden soll.

Ein unscheinbarer Text bei n-tv klärt den so gebeutelten Verarmten oder von Armut Bedrohten nun lapidar auf:

42 Milliarden Euro für Aktionäre / Deutsche AGs zahlen Rekord-Dividenden / Nicht nur im Dax regnet es derzeit Geld für Anleger - in Summe zahlen alle börsennotierten deutschen Unternehmen laut einer Studie so viel Dividende wie noch nie zuvor.

Das widerliche Gesindel der Superreichen, das im Kapitalismus in diesem Zusammenhang gern euphemistisch als "Anleger" oder gar "Investoren" bezeichnet wird, füllt sich unverdrossen, kontinuierlich und nach wie vor völlig hemmungslos die schon lange aus allen Nähten platzenden, überquellenden Taschen, während zeitgleich das offizielle Gejammere über die angebliche Geldknappheit munter weiter aufrechterhalten wird.

So geht Orwell im 21. Jahrhundert. Und wie wir tagtäglich beobachten können, funktioniert der irrsinnige Schwindel auch heute noch immer - oder, korrekter gesagt, besser als jemals zuvor: Fast die gesamte Bevölkerung trabt grunzend wie eine Horde hirntoter Zombies im Propagandastrom mit, schuftet brav für den steten Vermögenszuwachs der feudalen Herrschaften und bemerkt nicht einmal, welche Sklavendienste sie überhaupt leistet. Es gibt massenhaft ZeitgenossInnen, die perfekt konditioniert sind und das infantile Märchen von der "Eigenverantwortung" schon so weit verinnerlicht haben, dass sie nicht einmal im Traum auf die Idee kämen, es angesichts der herrschenden Verhältnisse auch nur kurz in Frage zu stellen - während zeitgleich das "elitäre" Pack leistungs- und verantwortungslos die Milliarden auf Kosten aller anderer Menschen unaufhaltsam an sich rafft.

Dieser perversen Welt fehlt kein Geld, und zwar nirgends - dieser Welt fehlt lediglich eine ausgewachsene Revolution. - Darauf können wir im obrigkeitshörigen Dumm-Deutschland indes warten, bis der Bart gleich dreimal um den Erdball reicht und die Sonne verdunkelt.

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Gottvertrauen


"Halb sechs - sie muss kommen, die Weltrevolution!"

(Zeichnung von Karl Arnold [1883-1953], in "Simplicissimus", Heft 15 vom 08.07.1919)

9 Kommentare:

Matthias Eberling hat gesagt…

Wenn das ganze Geld und der Besitz an Immobilien usw. gerecht verteilt wäre - wer arbeitet dann noch für ein paar Euro auf dem Bau, auf dem Feld oder mit dem Putzlappen in der Hand? Damit legst du die Axt an das globale Geschäftsmodell. Schon allein deswegen würde jeder Ansatz einer Revolution sofort im Keim erstickt werden. Und darüber würdest du in den konzern- und parteieigenen Medien nie etwas erfahren ...

Die 42 Mrd. Dividende klingen nach viel, sind aber kein gutes Beispiel. Wenn man das Geld gleich verteilen würde, ergäbe das pro Nase in D nur etwa 500 €. Macht den Kohl also auch nicht fett.

Unknown hat gesagt…

Der Knackpunkt sind ja auch nicht die 42 Mrd, sondern das spärlich getarnte Feudalsystem in dem wir leben und der Fakt dass die armen Massen das auch noch ohne zu murren mitspielen.
Und das niemand mehr die von dir als unangenehm empfundenen Arbeiten machen würde wenn es eine Gleichverteilung gäbe halte ich für ein Gerücht.
Ich kenne viele Leute, die gerne solche "niederen Arbeiten" machen würden, wären sie nur ordentlich bezahlt.
Mal ganz davon abgesehen dass der Großteil dieser Arbeiten genau so gut automatisiert werden könnten, wenn nur der Wille dazu da wäre.
Das komplette System ist am Arsch und statt (wenn nötig mit Gewalt) dafür zu sorgen dass alle am Wohlstand teilhaben können, lässt der "Pöbel" sich gegeneinander aufhetzen und mit billigen Konsumgütern und Almosen abspeisen.
Charlie hat recht, wir brauchen eine Revolution, und ich glaube dass wir uns genau in diese Richtung auch bewegen, nur ist der Leidensdruck für viele offenbar noch nicht hoch genug um aufzustehen und für eine bessere Welt zu kämpfen.

Ich für meinen Teil lasse mich nach vielen Jahren als Konsumzombie jedenfalls nicht mehr ausbeuten und schäme mich auch nicht (mehr) dafür mein Recht auf Leben und Freiheit einzufordern.

Charlie hat gesagt…

@ Matthias: Die 42 Milliarden (so hanebüchen die Summe auch sein mag) sind ja nichts weiter als ein temporäres Beispiel für die stets stattfindende Bereicherung der "Elite" - diese miesen Gesellen kassieren kontinuierlich, ohne Unterbrechung, solche Summen, nicht bloß einmalig - ich dachte, das sei inzwischen klar.

Im Übrigen hat Hubert schon alles Nötige dazu geschrieben. Danke dafür!

Die Quandts, Springers und Albrechts dieses Planeten müssen endlich enteignet werden - anders ist eine Lösung dieser abgrundtiefen Perversion nur noch in Kriegsszenarien denkbar ... auf die wir ja offensichtlich und gelenktermaßen zusteuern.

Liebe Grüße!

Matthias Eberling hat gesagt…

@ Hubert

Schwer zu sagen, ob es für die miesen Jobs genug Leute gäbe. Würde man eine Putzfrau fragen, ob sie lieber in einer Modeboutique arbeiten möchte - geht sie dann noch putzen? Ich kenne Lagerarbeiter, die von sich behaupten, wenn sie nur 100.000 € im Lotto gewinnen würden, kündigen sie sofort. Dann werfen sie noch am selben Tag die Ketten ab und rennen ihren Herren davon. Und es gibt auch eine Menge Jobs, die ich persönlich für kein Geld der Welt machen würde, Schlachthof z.B.

Ich fände eine Revolution auch großartig, da sind wir uns alle einig. Aber ich werde nächstes Jahr 50 und ich sehe die Generation Smartphone heranwachsen. Da steht niemand auf, kein Aufstand weit und breit, allenfalls Online-Petitions- und Demo-Routine. Ich habe es in Berlin dutzendfach erlebt, wenn die Jugend mit Smartphone und Bierflasche in der Hand einmal um den Block latscht, um hinterher in der Kneipe damit anzugeben, man hätte etwas gegen das System getan. Nö, hat man nicht.

Matthias Eberling hat gesagt…

@ Charlie

Enteignet Springer! Da bin ich ganz deiner Meinung. Aber das auch schon meine Erzieherin im Kindergarten gefordert - 1968.

You sing my song. Aber jetzt lass uns mal konkret werden: Wie und wo fangen wir an? Ich habe dieses "Man müsste mal ..." gefühlte 1000 x zu oft gehört, als dass ich jetzt noch Hoffnung hätte.

Charlie hat gesagt…

@ Matthias: Hoffnung? Hoffnung habe ich nicht. Ich dokumentiere bloß.

Ich gehe davon aus, dass es erneut zur größtmöglichen Katastrophe kommen wird - von der einige wenige profitieren, während die Allgemeinheit in tiefe Qualen gestürzt wird. Alles wie immer, sozusagen.

Aber das ist selbstredend nur meine persönliche Spekulation.

Liebe Grüße!

Unknown hat gesagt…

Die große Revolution werden du und ich wohl nicht mehr erleben Matthias, zumindest nicht hier in Deutschland. Aber was hindert dich daran deine kleine, ganz eigene Revolution zu starten?
Einfach nicht mehr mitmachen beim rat-race, oder besser noch, sabotieren wo es geht und sich anbietet. Solidarität zeigen, nicht sich über die Generation Smartphone aufregen, sondern sie mitnehmen, mit gutem Beispiel voran gehen.
Das kann jeder auch sehr gut für sich allein machen, Leute ansprechen die in der Bäckerei morgens die Bildzeitung kaufen und ihnen erklären was für ein Drecksblatt das ist z.B.
Oder bei diesen unsäglichen "Maßnahmenträgern" oder den Jobcentern vor der Tür in der Zigarettenpause laut über Möglichkeiten des zivilen Ungehorsams nachdenken.
Das ist nicht einfach und kann oft sehr desillusionierend sein, aber man hat etwas getan und wenn man dann mal zu einem durchdringt macht das die 50 gelangweilten Zombiefressen, denen man vorher ins Gesicht geguckt hat, allemal wieder wett.
Nicht bei Ausbeutern wie Lidl einkaufen ist auch ein Schritt in die richtige Richtung, es gibt so viel was man tun kann wenn man sich mal entschlossen hat anzufangen damit.

Matthias Eberling hat gesagt…

@ Charlie

Wir brauchen also eine Revolution, aber keiner macht sie. Jetzt bin ich nicht nur hoffnungslos, sondern deprimiert.

Im Ernst: Die Herrschenden haben kein Interesse an einer Katastrophe, weil sie am Status Quo so prächtig verdienen. Und in den Medien bekommen wir ständig präsentiert, was Leuten passiert, die nicht brav dem Staat gehorchen. Failed States haben eine ausgezeichnete Wirkung auf den domestizierten Deutschen, der sich vor der Glotze Sorgen um sein Auto, seinen Job und seine Rente macht. Angst ist ein guter Schäfer.

Herzliche Grüße aus dem vorrevolutionären Schweppenhausen

Matthias Eberling hat gesagt…

@ Hubert

Sehr gut! Genau so lebe ich seit zwölf Jahren. Damals lief mein letzter Zeitvertrag in der regulären Berufswelt aus und ich habe eine Steuererklärung abgegeben. Seitdem bin ich frei, wenn auch in bescheidenen Verhältnissen lebend. Die drei Jahre als Kiezschreiber in Berlin waren eine ABM-Stelle. Ich schreibe nur noch für den Spaß, laut Verlagsabrechnung habe ich im ersten Quartal 2015 ganze 3 Euro verdient - und ich finde es geil. Scheiß doch die Wand an! Wenn alle so leben würden wie wir ... - dann hätten wir eine Revolution. Ich habe nur den Eindruck, Typen wie wir sind immer noch die Ausnahme.