Donnerstag, 29. Oktober 2015

Panopticon: Brave New World


Die wichtigsten "Manhattan-Projekte" der Zukunft werden umfangreiche, von der Regierung geförderte Untersuchungen darüber sein, was die Politiker und die daran teilnehmenden Wissenschaftler "das Problem des Glücklichseins" nennen werden, mit anderen Worten, wie man die Menschen dahin bringt, ihr Sklaventum zu lieben.

(Aldous Huxley: "Brave New World")

Die "schöne neue Welt", vor der schon Huxley in seinem 1932 erschienenen Roman gewarnt hat, rückt in immer greifbarere Nähe. Ich versuche an dieser Stelle gar nicht erst, eine Auflistung all der Zumutungen, Perversionen und Zerstörungen, welche die herrschende "Elite" durch ihre Politclowns bereits auf den Weg gebracht hat, zu notieren - dazu wäre schon ein komplettes Buch nötig. Stattdessen greife ich zwei Beispiele heraus, die gerade aktuell sind und wieder einmal trefflich illustrieren, auf welch einem furchtbaren Weg wir uns befinden.

Bei n-tv las ich gestern:

Im Bundesinnenministerium wird deshalb in diesen Tagen daran gearbeitet, wie die Organisation der Flüchtlinge effektiver bewältigt werden kann. Eine der Varianten, die dabei zur Diskussion steht, ist die digitale Flüchtlingskarte, die der CDU-Bundestagsabgeordnete Marian Wendt vorgeschlagen hat. / Der sächsische Politiker will alle Stammdaten und Informationen über einen Asylbewerber künftig auf einer Chipkarte speichern. Jedem Flüchtling soll bei der Einreise eine solche Karte ausgehändigt werden, auf der außer einem Bild auch Name und Registrierungsnummer aufgedruckt sind. Auf dem Chip gespeichert sind zudem Fingerabdrücke, Hinweise zur Herkunft, Familienstand, Ausbildung sowie Daten der zuständigen Erstaufnahmeeinrichtung und Ergebnisse der Gesundheitsuntersuchung. Zugriff auf die Karte sollen alle zuständigen Behörden haben: das Bundesamt für Migration, Bundespolizei, Ausländerbehörden in Ländern und Kommunen und die Aufnahmeeinrichtungen.

Am Testballon der Flüchtlinge wird also wieder einmal ein staatliches Totalüberwachungssystem "diskutiert", das den "gläsernen Bürger" ermöglichen soll. Es versteht sich von selbst, dass ein solches System, das sich, sollte es umgesetzt werden, sicherlich "bewähren" wird, danach auch für andere Bevölkerungsgruppen wie etwa BezieherInnen von Sozialleistungen und letztlich auch für den Rest der Bevölkerung eingeführt würde. Der Schritt zum implantierten RFID-Chip für alle Menschen ist dann nur noch ein recht kleiner.

Selbstverständlich beginnt der Artikel gleich mit einem regelrechten Brüller: "Sie gilt bisweilen als übertrieben gründlich und schwerfällig, doch im Vergleich zu Spanien oder Italien genießt die Bürokratie in Deutschland einen guten Ruf" schreibt der Autor Christian Rothenberg zu Beginn, so dass sich der geneigte Leser von Anfang an stirnklatschend fragen darf, in welchem vergammelten Paralleluniversum der Mann wohl lebt. Liest hier jemand mit, der auch nur jemanden kennt, dessen Schwippschwager entfernt davon gehört hat, dass die Bürokratie in Deutschland einen guten Ruf genieße?

Es ist eine extrem schaurige Vorstellung, dass beispielsweise die Polizei auf die Gesundheitsdaten, das Ausländeramt auf die Fingerabdrücke oder jeder popelige Hanswurst in irgendeiner deutschen Behörde auf sämtliche persönliche Daten eines Menschen Zugriff hat - dem Weg in den Totalitarismus wäre damit nicht nur das Tor einladend weit geöffnet, sondern sogar eine regelrechte Prunkallee gebaut, an deren Ende logischerweise das Panopticon wartet.

Das zweite Beispiel kommt etwas subtiler daher, hat es aber ebenfalls in sich. Es geht um das geplante "Basiskonto für Jedermann", das gestern im Bundestag durchgewunken wurde. Das vordergründige Ziel dieses Planes ist es, allen Menschen die Führung eines Girokontos zu ermöglichen - also beispielsweise auch Verschuldeten, Obdachlosen oder Flüchtlingen. Wer hier allerdings eine "menschenfreundliche" Handlung der neoliberalen Bande vermutet, befindet sich einmal mehr auf dem Holzweg. Es ist deutlich ersichtlich, dass dies ein weiterer Schritt auf dem perfiden Weg zur geplanten Abschaffung des Bargeldes ist. In Irland ist man schon einen Schritt weiter - dort werden heuer zunächst die Ein- und Zwei-Cent-Münzen abgeschafft.

Was die komplette Abschaffung des Bargeldes bedeutet, wird schnell klar, wenn man sich das aberwitzige, totalitäre Potenzial dieses Vorganges ausmalt, wie es in unzähligen Science-Fiction-Geschichten schon vorerzählt wurde. Da reicht beispielsweise ein Knopfdruck in irgendeiner Behörde, um einen Menschen komplett von jeglichen Zahlungsmöglichkeiten auszuschließen und ihn so fast sämtlicher Handlungsspielräume zu berauben; da wird jeder auch noch so geringe Geldeingang stets staatlich registriert - irgendwelche Spenden oder Geschenke, die heute beispielsweise dem einen oder anderen Hartz-Terror-Opfer gelegentlich eine temporäre Entspannung der unerträglichen Zwangsverarmung bescheren, wird es dann nicht mehr geben.

Ich kann schon heute Menschen nicht verstehen, die ihre Einkäufe via Kredit- oder EC-Karte, via Überweisung - oder schlimmer noch: mit dem Handy - bezahlen. Ist es denen wirklich völlig egal, dass die Banken und Telekommunikationskonzerne damit exakt wissen (und diese Daten gewiss auch säuberlich speichern), was sie wann und wo gekauft bzw. getan haben?

Die kurze Geschichte der "menschlichen Zivilisation" kann man vielleicht so zusammenfassen (aus dem Evangelium des Charlie, 1,1): "Und als die privilegierte Schafherde endlich bemerkte, dass das gepriesene Paradies, in das man sie mit glitzernden Lichtern, markigen Versprechungen und warmen Beschwichtigungen geführt hatte, doch bloß der auch für alle anderen Schafe übliche Schlachthof war, blökte sie missmutig, bevor sie sich gegenseitig zerfleischte und den Schlächtern auch diese schauerliche Arbeit abnahm."


5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

In der Übersetzung von Angela Merkel heisst das Buch von Huxley bestimmt "Neuland".

p3t3r hat gesagt…

Charlie braucht sich keine Mühe zu machen, ein neues Evangelium zu schreiben. In der Offenbarung des Johannes steht schon seit 1800 Jahren (+/-) in Kapitel 13, in dem "Das Große Tier" prophezeit wird:

16 Und es macht, dass sie allesamt, die Kleinen und Großen, die Reichen und Armen, die Freien und Sklaven, sich ein Zeichen machen an ihre rechte Hand oder an ihre Stirn
17 und dass niemand kaufen oder verkaufen kann, wenn er nicht das Zeichen hat, nämlich den Namen des Tieres oder die Zahl seines Namens.
18 Hier ist Weisheit! Wer Verstand hat, der überlege die Zahl des Tieres; denn es ist die Zahl eines Menschen, und seine Zahl ist sechshundertundsechsundsechzig.

epikur hat gesagt…

Wo kann ich Charlies Evangelium bestellen?

Ich werde es selbstverständlich in Bar bezahlen. :D

Charlie hat gesagt…

@ Epikur: Ich habe das Manuskript leider noch nicht fertig - Gott, der olle Zausel, meldet sich nur sporadisch bei mir und redet dann meist so wirr, dass ich nur die Hälfte verwerten kann. ;-) Wenn ich das Werk in etwa 300 Jahren vollendet habe, bekommst Du selbstverständlich ein handsigniertes Exemplar geschenkt. :-)

Eike Brünig hat gesagt…

Ich finde trotzdem das Bilg von Orwell treffender. "If you want a picture of the future, imagine a boot stamping on a human face - erverytime forever."