Mittwoch, 23. Dezember 2015

Zitat des Tages: Bürgerliches Weihnachtsidyll


Was bringt der Weihnachtsmann Emilien?
Ein Strauß von Rosmarin und Lilien.
Sie geht so fleißig auf den Strich.
O Tochter Zions, freue dich!

Doch sieh, was wird sie bleich wie Flieder?
Vom Himmel hoch, da kommt sie nieder.
Die Mutter wandelt wie im Traum.
O Tannenbaum! O Tannenbaum!

O Kind, was hast du da gemacht?
Stille Nacht, heilige Nacht.
Leis hat sie ihr ins Ohr gesungen:
Mama, es ist ein Reis entsprungen!

Papa haut ihr die Fresse breit.
O du selige Weihnachtszeit!

(Klabund alias Alfred Hermann Henschke [1890-1928], in: "Die Harfenjule. Neue Zeit-, Streit- und Leidgedichte", Verlag die Schmiede, 1927)



Anmerkung: Erich Mühsam bedachte die Weihnachtszeit in seinem Gedicht "Die Monate" ganz lapidar so:

Dezember
Nun teilt der gute Nikolaus die schönen Weihnachtsgaben aus.
Das arme Kind hat sie gemacht, dem reichen werden sie gebracht.

2 Kommentare:

schadensmeldung hat gesagt…

Habe köstlich gelacht, und stelle mir gerade vor, wie sich dieser Text für eine Weihnachtspredigt verwenden liese, beispielsweise bei der Christmette im Limburger Dom.
Ich höre schon das Schweigen der Schafe.

Schirrmi hat gesagt…

und mir wurde das Lachen bitter