Heute führt mich die - immer dringender notwendig werdende - Realitätsflucht ins Fantasy-Reich Antaloor: Es geht um das Rollenspiel "Two Worlds II" des polnischen Entwicklerstudios Reality Pump aus dem Jahr 2010.
Zur Geschichte möchte ich hier, wie immer, nicht allzu viel verraten: Auch in diesem Spiel schlüpft man in die Rolle des "namenlosen Helden" (Parallelen zur Gothic-Reihe sind allenthalben zu finden) und muss das Land von fiesen Monstern, Untoten, allerlei anderen Bedrohungen und natürlich vom Tyrannen, der hier Gandohar heißt, befreien. Die Story ist also alles andere als neu, immerhin aber relativ hübsch und unterhaltsam erzählt. Es gilt, verschiedenste Haupt- und Nebenquests zu erledigen, wobei diese Unterscheidung in diesem Spiel wenig sinnvoll ist, da man zum Einen diverse Nebenquests benötigt, um mit der Haupthandlung voranzukommen, und da zum Anderen der größte Teil des Spieles aus Nebenquests besteht und man mehr als die Hälfte der Spielwelt gar nicht mitbekäme, wenn man lediglich dem Hauptteil folgte.
Es gibt ein genreübliches Levelsystem, in dem man nach dem Erreichen gewisser Erfahrungswerte Attributs- und Skillpunkte für verschiedene Eigenschaften und Fähigkeiten des Helden vergeben kann. Es gibt den "Krieger", der die Feinde mit Schwertern, Äxten, Hellebarden oder Hämmern niedermetzelt, den "Waldläufer", der eher dem Bogen oder der Armbrust zugetan ist, den "Meuchelmörder", der sich schleichend mit einem Dolch an seine Gegner heranschleicht, und natürlich den unvermeidlichen "Magier". Abgesehen davon, dass ich persönlich noch kein einziges Mal in einem solchen Spiel einen Magier gespielt habe, weil ich das einfach langweilig finde, ist das Magiesystem in "Two Worlds II" so dermaßen konfus ausgefallen, dass es mich an den wenigen Stellen im Spiel, an denen man es zwingend benutzen muss, in den Wahnsinn getrieben hat. Die Menschen, die sich das ausgedacht haben, müssen entweder Sadisten oder stark drogensüchtig gewesen sein.
Hübsch ist hingegen die Idee, dass man gesammelte Waffen und Rüstungen nicht bloß verkaufen kann, um Goldberge zu erlangen (die man im Spiel ohnehin anhäuft und kaum sinnvoll verwenden kann), sondern sie auch in ihre Bestandteile "zerlegen" darf, um die eigenen Waffen und Rüstungsteile damit aufzuwerten. So kann man im Verlauf des Spieles beispielsweise der benutzten Waffe und den angelegten Rüstungsteilen verschiedene "Wertekristalle" hinzufügen, die der Waffe bzw. dem Helden höchst unterschiedliche, zusätzliche Attribute verleihen (z.B. mehr Stärke, mehr Tragkraft, Feuer- oder Frostschaden etc.). Auch das Alchemiesystem ist durchaus gelungen - es war nie einfacher, sehr unterschiedliche Tränke zu brauen, von denen einige im Spiel durchaus notwendig sind und das vorzeitige Ableben des Helden verhindern können.
Es gibt eine Menge unterschiedliche Waffen, leider aber nur recht wenige Rüstungen im Spiel zu finden. Hervorzuheben sind auch die Fallen, die man auslegen kann, um Gegner hineinlaufen zu lassen und aus sicherer Entfernung ihrem Ableben oder zumindest ihrer deutlichen Schwächung zuzusehen. Ich habe diese Fähigkeit zwar nicht sonderlich weit ausgebaut, da ich viel lieber mit gezückter Zweihandaxt mitten in die Horde der Gegner stürme und wild um mich schlage (was zuweilen freilich ebenfalls ein vorzeitiges Ableben des Helden zur Folge hat), einige Versuche fand ich aber dennoch höchst amüsant.
Es handelt sich leider nicht um ein wirkliches "Open World"-Spiel, da die Handlung auf mehreren Inseln, die zudem in verschiedene Regionen aufgeteilt sind, spielt, die meist erst nach und nach freigeschaltet werden. Mich stört das allerdings nicht, denn streng linear ist das Spiel trotzdem nicht. Die Gestaltung der Landschaften und Städte bzw. Dörfer ist durchweg gelungen - es bleibt lediglich zu konstatieren, dass die Wildnis in Antaloor erschreckend leer ist: Wenn man abseits der Wege durch die Gegend streift, gibt es nahezu nichts zu entdecken (Reality Pump ist eben ein kleines Studio und kann nicht dasselbe leisten wie Bethesda & Co). Besonders hervorzuheben ist hier die Stadt New Ashos, die fernöstlich gestaltet ist und teilweise wie eine mittelalterliche japanische oder chinesische Stadt wirkt. So etwas kenne ich aus anderen Spielen dieses Genres bislang nicht.
Die Handlungen der Quests sind größtenteils recht gelungen - und teilweise äußerst witzig und abwechslungsreich. Anders sieht es bei den Standardgegnern aus - da ist es mir mehrmals passiert, dass ich an denen einfach vorbeigelaufen bin, weil ich schlichtweg keine Lust mehr hatte, den 118. Panther oder die 276. Riesenameise niederzumetzeln. Dafür gibt es in "Two Worlds II" tatsächlich das eine oder andere Rätsel, das zumindest rudimentär diese Bezeichnung verdient - sowie einige Labyrinthe, von denen mich das schwierigste einige Nerven und vor allem viel Zeit gekostet hat, um hinein- und wohlbehalten auch wieder hinauszufinden. Die Höhlen und meist unterirdischen Ruinen, die es zu erkunden gilt, gleichen sich leider oftmals stark. Da sie hier aber längst nicht so oft vorkommen wie beispielsweise in "Oblivion" oder "Skyrim", stört das nicht allzu sehr.
An der Grafik gibt es nichts auszusetzen (für das Jahr 2010 ist sie, entgegen der Behauptung im unten verlinkten Review) äußerst ansprechend), die Musik ist eher mittelmäßig (von guten und mitreißenden Passagen über durchschnittliche Plagiate bis hin zur belanglosen Fahrstuhldudelei ist alles vertreten) und die deutsche Synchronisation professionell und durchweg überzeugend.
Ein Hauptkritikpunkt bezüglich "Two Worlds II" sind die - trotz aktuellster Patches - nach wie vor vorhandenen Bugs. So kann es vorkommen, dass nach einer gelösten Aufgabe eine eigentlich vorgesehene Videosequenz nicht startet und man minutenlang auf einen schwarzen Monitor starrt, bis man begreift, dass man die Escape-Taste drücken muss, um die Sequenz zu überspringen und weitermachen zu können. Außerdem - und das ist wichtig für alle, die das Spiel noch ausprobieren möchten - stürzt es unweigerlich regelmäßig ab. Das betrifft laut diverser Foren nicht bloß mein Win7/64-System, sondern offenbar alle Windows-Versionen. Deshalb gilt hier die goldene Regel, die für Spiele dieser Art ohnehin zu beachten ist, ganz besonders: Häufiges Speichern, möglichst nach jedem Kampf, ist äußerst sinnvoll, um unnötigen Frust zu vermeiden. Die Tastenkombination "Alt/F1" für das Schnellspeichern geht einem hier in Fleisch und Blut über.
Eine weitere Kritik betrifft das spieltechnische Design: Es ist unverkennbar, dass das Spiel nicht allein für PC, sondern auch für Konsolen entwickelt wurde, was wie immer zur Folge hat, dass die wesentlich umfangreicheren Möglichkeiten des PCs nicht ausgeschöpft, nicht einmal angekratzt werden. Diese Konsolen-Kacke werden wir wohl nicht mehr los. Allein das Inventar ist schon eine konsolengeschuldete Unverschämtheit, die spätestens in der zweiten Spielhälfte, wenn man ziemlich viel Zeug mit sich herumträgt, zum Ärgernis wird (wurde mit dem Add-on ein kleinwenig verbessert).
Pirates of the Flying Fortress
Zum Add-on aus dem Jahr 2011 ist zunächst festzustellen, dass es sich - anders als bei so vielen anderen Spielen - tatsächlich um zusätzliche Inhalte handelt und nicht bloß um eine Komponente des Hauptspieles, die zu Profitzwecken separat verkauft wird. Allerdings irritiert das Spiel dennoch ein wenig, denn die Piraten-Thematik kommt im Hauptspiel überhaupt nicht vor - es ist inhaltlich völlig unsinnig, dass der strahlende Held und Retter Antaloors hier nun plötzlich von einem zwielichtigen Piratenkapitän angeheuert wird. Lässt man derlei logischen Klamauk aber beiseite, muss ich gestehen, dass es eine sehr gelungene Erweiterung des Spieles ist, die äußerst viel Spaß macht und teilweise sehr abgedreht daherkommt - Drogen sind für Entwickler von Rollenspielen offenbar das, was für normale Menschen der Kaffeepott ist.
Fazit
"Two Worlds II" ist ein rundum gelungenes, sehr umfangreiches Rollenspiel (70 Stunden Hauptspiel und 30 Stunden Add-on - bei meiner gemächlichen, stets alles erkundenden Spielweise) mit einigen Schwächen, die aber durchaus auszuhalten sind. Ich habe es gewiss nicht zum letzten Mal gespielt.
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