Montag, 2. Mai 2016

Kapitalistan: Schutzbedürftige Konzerne und kriminelle Whistleblower


Erinnert sich noch jemand an die "LuxLeaks", die Ende 2014 die Steuerflucht- und Steuervermeidungsstrategien zahlreicher Konzerne offenlegten? Dieser "Polit-Skandal", wie er bis heute von der hirnschmelzenden Systempresse genannt wird, hatte selbstverständlich keinerlei Konsequenzen im korrupten Lande Kapitalistan - jedenfalls nicht für die Konzerne. Dafür wurden jetzt die Whistleblower, die diese Informationen an die Öffentlichkeit gebracht haben, angeklagt:

Sie deckten die fragwürdigen Steuerdeals hunderter Konzerne in Luxemburg auf. Dafür müssen nun die Skandalenthüller vor Gericht - und nicht etwa die Firmenbosse: Zwei Ex-Buchprüfern und einem Reporter drohen bis zu zehn Jahre Haft.

Die hiesige Systempresse ist sich nicht zu blöde, weiter zu berichten, dass die EU sich "zwei Jahre nach dem Skandal nicht nur den Kampf gegen Steuerflucht auf die Fahnen geschrieben" habe - was grober Bullshit ist, da in dieser Hinsicht selbstverständlich nichts geschehen ist und auch weiterhin nichts geschehen wird, da können diese Schlips-Borg so viele Fahnen beschriften wie sie wollen -, um trotzdem zu dem lapidaren, unkommentierten, kafkaesken Schluss zu kommen:

Das EU-Parlament beschloss vor rund zwei Wochen eine neue Richtlinie, die Geschäftsgeheimnisse wie die brisanten Steuerbescheide bei Deltours Arbeitgeber PwC in Zukunft besser schützen soll.

Orwell hätte das nicht besser erledigen können. Der angebliche Skandal, der ein rein medial aufgeblähter Scheinskandal war, ist selbstverständlich im Sande verlaufen, ebenso wie es auch mit allen anderen Enthüllungen (Snowden, "Panama Papers" etc.) geschehen ist bzw. derzeit geschieht. Die Whistleblower hingegen müssen weiterhin mit dem strengen "Arm des Gesetzes" rechnen - wobei hier nicht nur im Fall Snowden von einer willkürlichen, gänzlich unrechtsstaatlichen Justizverfolgung auszugehen ist, die direkt aus der Welt der dystopischen Science Fiction adaptiert erscheint. Dabei verschleiert die Systempresse den Sachverhalt gleich doppelt und dreifach, denn auch die plakativ erwähnten "Firmenbosse", die in der Regel straffrei ausgehen, sind ja nichts weiter als Vasallen und kleine Schergen der eigentlichen Nutznießer, die in der gesamten Berichterstattung - so absurd diese ohnehin ist - nirgends auch nur erwähnt werden: Superreiche sind sakrosankt in Kapitalistan - und die neoliberalen Hassprediger aus der Politik und den Medien tun alles dafür, damit das auch so bleibt.

Könnte die Bande eigentlich noch deutlicher illustrieren, dass sie keineswegs die Aufklärer, sondern die Geheimnisse der korrupten Konzerne und damit den dauerhaften, völlig absurden Profit der selbsternannten "Elite" zu schützen gewillt ist?

Enthüllungen, die den pervertierten Bereicherungswahn der Superreichen offenbaren, sind im gegenwärtigen Endstadium des kapitalistischen Krebsgeschwüres völlig wirkungslos - die Sau wird einige Tage oder auch Wochen durchs Dorf getrieben und dann geht man brav wieder zum korrupten Alltag über, allerdings nicht ohne die "Geheimnisverräter" vor irgendwelche Gerichte zu zerren und ihnen "rechtsstaatlich" den Garaus zu machen. So funktioniert die "freiheitlich-demokratische Grundordnung" der kapitalistischen Welt.

Gänzlich absurd wird dieses Szenario, wenn man sich einmal mehr vor Augen führt, dass die asozialen, von ihren politischen Marionetten natürlich gewollt ermöglichten Steuertricks der Konzerne lediglich den kleinen Ausschlag in der großen Kurve der ohnehin stattfindenden Ausplünderung und Ausbeutung der gesamten Welt darstellen, die medial überhaupt nicht thematisiert wird - sie sind letzten Endes nichts weiter als die Spitzen eines vollständig verschwiegenen Tsunamis, der auch ohne sie für die größtmögliche Zerstörung sorgen wird.

Vor Gericht gezerrte Aufklärer und eine mit allen Mitteln zu schützende "Elite", die weiter in ihren Geldspeichern baden, ihre Privilegien genießen und die Macht ausüben will, während die überwältigende Mehrheit der Menschen auf diesem Planeten nicht zählt - woran erinnert mich das bloß?

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Wüste Landschaft



(Gemälde von Enzo Cucchi [*1949] aus dem Jahr 1983, Öl auf Leinwand, Privatbesitz [sic!], "Sammlung Angela Westwater", New York, USA)

2 Kommentare:

epikur hat gesagt…

Was soll man dazu noch sagen... Aufklärung, Philosophie, Freidenkertum, Kultur, Sprache, Empathie, Humanismus: alles wird dem Gott des Mammon geopfert. Wer dagegen opponiert (in welcher Form auch immer) ist ein Querulant oder eben kriminell.

Charlie hat gesagt…

@ epikur: Ich frage mich seit langem, was man dazu noch sagen soll ... eigentlich ist ja längst alles gesagt und die Orwell'schen Fakten liegen offen und für jeden sichtbar auf dem Tisch. Es ist wohl eine Besonderheit unseres gruseligen Zeitalters, dass selbst frei verfügbare, nicht zensierte Informationen keinerlei Wirkung mehr entfalten und die Propagandamaschine des Kapitalismus trotz alledem friedlich und zufrieden surrt.

Wäre ich ein Fatalist, müsste ich jetzt den "Glauben" an die Menschheit verlieren.