Freitag, 5. Mai 2017

Das Ende der Solidarität: "Unterm Strich zähl' ICH"


Ich erinnere mich noch gut (und äußerst ungern) an die Zeit, als eine gute Freundin Anfang der 90er Jahre in den Fängen der Osho-Sekte (vormals Bhagwan) feststeckte und ich verzweifelt darum bemüht war, sie aus diesem esoterischen, furchtbaren und zerstörerischen Sumpf wieder hinauszubegleiten. Damals begegnete mir zuerst die auch heute in solchen Kreisen übliche Geisteshaltung, die u.a. in einem Sinnspruch wie diesem zum Ausdruck kommt: "Wenn jeder nur an sich selber denkt, ist doch an alle gedacht!"

Diese zutiefst egoistische Weltsicht ist heute allerdings auch jenseits ominöser Sektenkreise weit verbreitet und muss sogar als kapitalistischer Gesellschaftskonsens angesehen werden, der – gerade auch von den Massenmedien – stetig befeuert und proklamiert wird. Eine perfide Reklamebotschaft wie "Unterm Strich zähl' ich" ist symptomatisch für diesen krankhaften Zustand.

So verwundert es nicht weiter, dass inzwischen selbst mit diesem ekelhaften Prinzip Geschäfte gemacht werden. Offensichtlich gehört das menschenfeindliche Prinzip "Jeder ist sich selbst der Nächste" längst auch zur grausigen "deutschen Leitkultur", wie sie nicht nur Thomas "die Misere" in die Welt erbricht.

Vor kurzem war auf Zeit Online ein Text zu lesen, der dies auf erschreckende Weise illustriert. Unter dem Titel "Eine Tupperparty für Apokalyptiker" berichtet die Autorin Friederike Oertel dort:

Benjamin fährt mit einem Fluchtrucksack U-Bahn, hortet zu Hause Wasserkanister und ein Notradio. Er trainiert für Katastrophen und verdient damit sogar Geld. Warum? / (...) Es ist eine Tupperparty für Apokalyptiker: Viel Theorie, keine Praxis, Teilnahmegebühr 60 Euro und die Gadgets können direkt im Anschluss bei ihm bestellt werden. Fünfzehn Leute sind gekommen: Eine Anwältin ist im Internet auf den Kurs gestoßen. Sie hat den Thriller Blackout gelesen, in dem der österreichische Schriftsteller Marc Elsberg die Folgen eines europaweiten Stromausfalls beschreibt. Nun will sie wissen, was zu tun ist, wenn das Ende naht. Ein Teilnehmer Mitte 30 sucht die extreme Naturerfahrung, ein Pärchen spürt eine diffuse Bedrohung, fühlt sich vom Staat im Stich gelassen und will die Vorsorge nun selbst in die Hand nehmen. Eine ältere Dame in rosa Tweedblazer mustert ein Pulver, aus dem man Omelett zubereiten kann und erkundigt sich nach dem Preis. Eine Monatsration mit getrocknetem Gemüse, Pumpernickel und Vollmilchpulver kostet 279 Euro. Die Rettung in postapokalyptischen Zeiten hat ihren Preis.

Die Lektüre lohnt sich. Anhand dieses Beispiels wird deutlich, welchen Stellenwert der pure Egoismus – im Zweifel stets auch auf Kosten anderer, möglicherweise völlig unbeteiligter Personen – im Weltbild des "modernen Menschen", der im Kapitalismus leben muss, inzwischen einnimmt. Das kommt in Sätzen wie diesen zum Ausdruck: "Auch ein Fluchtrucksack ist gepackt. Darin: robuste Kleidung, Seile, Messer, eine Machete – die braucht er, falls er sich den Weg freikämpfen muss." – Hier wird nicht einmal mehr ansatzweise die Möglichkeit angedacht, dass Menschen im Falle einer tatsächlichen Katastrophe apokalyptischen Ausmaßes vielleicht doch besser überleben können, wenn sie gemeinschaftlich handeln und sich gegenseitig helfen, anstatt auf einzelkämpferischen Egoismus zu setzen. Die Filmindustrie der vergangenen Jahrzehnte hat hier freilich ebenso fleißig an der rückhaltlosen Auflösung jedweder Solidarität mitgestrickt wie die Politik und die politischen Medien.

Jemand wie der im Text vorgestellte Benjamin mag in diesem Szenario vielleicht nur eine "Geschäftsidee" sehen, mit deren Hilfe er auf relativ einfache Weise persönlichen Profit generieren kann – die beteiligten Firmen tun das jedoch in jedem Fall. Dennoch ist hier eine Tendenz klar erkennbar, die das kapitalistische Prinzip des "The winner takes it all" (das logischerweise impliziert, dass die überwiegende Mehrheit der "loser" nichts bekommt und somit – in diesem Szenario – schlicht krepiert) zu einem perversen "Gesetz" erhöht, welches noch weit hinter die Steinzeit zurückfällt.

Benjamin hat allerdings auch nichts dagegen, wenn die Katastrophe ausbleibt: Im Anschluss an seinen Kurs können sich die Teilnehmer für ein Survival-Training im Wald anmelden. Auf dem Programm stehen Feuer machen, Wasser filtern, Nahrungssuche, das Schlachten eines Kaninchens – Pfadfinden für Erwachsene. Solange die Apokalypse ausbleibt, ist Preppen für ihn vor allem ein gutes Geschäft.

Ein Sinnbild für diese gruselige Geisteshaltung ist der zum Sterben zurückgelassene, bis zur Nacktheit ausgeplünderte, frierende und weinende alte Mann im Ausnahmefilm "The Road", an dem auch die beiden "Helden" dieser Geschichte achtlos und unsolidarisch vorübergehen und ihn damit dem sicheren Tod überlassen. Dieser großartige Film, den ich trotz mancher Widersprüchlichkeiten nur wiederholt empfehlen kann, weil er nicht irgendeinen Idealzustand, sondern das heute wahrscheinlichste Szenario des kapitalistischen, egoistisch motivierten Unterganges auf die Leinwand bringt, in dem es selbstredend kein hollywoodtypisches Happy End gibt, zeigt das Dilemma sehr gut auf. – Ich höre schon die Einwände: Wenn es doch so wahrscheinlich ist, dass kapitalistisch (a-)sozialisierte Menschen sich im Fall der Fälle so schrecklich verhalten, wieso soll dann die Vorbereitung darauf falsch sein?

Dem halte ich entgegen: Wer sich menschenfeindlich verhält, wird stets auch nur Menschenfeindlichkeit erfahren. Es ist dringend an der Zeit, die Solidarität neu zu entdecken und dem kapitalistischen Terror des Eigennutzes endlich wieder den Stinkefinger zu zeigen. Und das müssten insbesondere junge Menschen, die anders ticken als Benjamin, tun. Nur – wo sind sie?

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"Bedaure, ich bin im Verein gegen Bettelei!"

(Lithographie von Honoré Daumier [1808-1879] aus dem Jahr 1844, aus der Serie "Les philantropes du jour"; unbekannter Verbleib)

12 Kommentare:

Arbo hat gesagt…

Lieber Charlie,

zu dem, was Du am Anfang mit Bhagwan beschreibst, und dem restlichen Inhalt gibt es auch noch eine einfachere Parallelität: Diese EndzeitapokalyptikerInnen - ob nun ernst gemeint oder nicht - sitzen ja selbst einem esoterischen Glauben auf oder sind EsoterikerInnen. Das ist mittlerweile offenbar auch eine (Esoterik-)Bewegung, die nicht zwangsläufig im Glaubenskern den 'Kapitalismus' inhaliert haben muss, die aber von Leuten mit kapitalistischer Gesinnung - wie Du es beschreibst - offenbar sehr gut zu nutzen verstanden wird. (Wie es bei div. Sekten ja auch der Fall ist.) Ich schreibe das nur, weil mir ein Fall im Gedächtnis haften geblieben ist, wo eine Bekannte einen Typen kennenlernte, der sich nach und nach als so ein Apokalyptiker herausstellte - so mit Vorräten in der Garage etc., das volle Programm. Das war dann auch einfach kein Spleen, so LARP oder Rollenspielmäßig in Richtung 'Ausflucht', wo Du die Affinität zu Mad Max, Fallout u.ä. auslebst. Sondern das war ernst gemeint - und verdammt gefährlich.

Da trifft sich nämlich das Menschenfeindliche, das Du gut beschreibst, mit einem Skeptizismus und einer Anti-Haltung gegen Staat und Gesellschaft sowie einer Öko-/Umweltapokalyptik, die zwar ein reales Fundament haben kann (Big Brother, NSA, NSU, Atomlobby und Runterspielen von Atomkatastrophen etc.), dann aber esoterische Wurzeln ausbildet, die eine breitere Masse abzufassen versuchen, als uns das im ersten Moment klar ist. Das hat dann schon was von Reichsbürgertum.

Ich habe auch mal vor längerer Zeit eine Dokku auf ARTE (wo sonst) gesehen über Amis, die da im Wald Survival-Camps abhalten mit automatischen Sturmgewehren und so. Da vermischt sich White Power und der ganze Scheiß mit ähnlichen Apokalyptik-Gedanken.

Das ist meiner Meinung nach ein SEHR handfestes Problem, das tiefer liegende Wurzeln hat als die oberflächliche Safari in den Apokalyptiker-Park vermuten lässt.

Noch ein Punkt: Ich stimme Dir zu, dass diese Menschenfeindlichkeit im System steckt. Wir können es auch beim Namen - statt unter dem Slogan 'the winner takes all' - nennen: Daher steckt die simple Idee der natürlichen Auslese, 'survival of the fittest'.

Mit dem Fokus auf Wettbewerb, Konkurrenz und der verkürzten Interpretation der 'unsichtbaren Hand' a la 'Denk nur an Dich, dann ist allen geholfen' ist das natürlich tief verankert in unserer westlich-industriellen Lebensweise. Zweifelsohne steht unser Wirtschaftsdenken der von Dir kritisierten Menschenfeindlichkeit nicht sonderlich antagonistisch gegenüber.

Aber ich bin mir nicht sicher, ob das nicht eine viel ältere, primitive Haltung ist, sich aus der Solidarität, dem Mitgefühl mit anderen usw. herauszustehlen. Ich sehe hier eher den Rückfall in eine geradezu vor-kapitalistisch zu nennende, archaische und auf Gewalt setzende Stammeskultur. Da decken Fallout, Mad Max und The Book of Eli ziemlich genau diese Mentalität auf, die dahintersteckt.

--//

Arbo hat gesagt…

//-- Fortsetzung

Ein Letztes noch: Das Perfide an dem 'Denk an Dich' ist ja, dass tatsächlich etwas an dem Slogan dran ist. Wir stecken so tief im 'kapitalistischen' Hamsterrad drin, dass wir - so paradox das klingt - 'Selbstaufgabe für den Markt' betreiben. Ständig sind wir am Vergleichen, Selbstoptimieren usw., was weit ins Private reinreicht. Aber wann haben wir das letzte Mal wirklich mal darüber nachgedacht, was wir für uns selbst wollen? Wann haben wir mal etwas aus Muse gemacht? Nicht Sport, Musik usw. zur Selbstoptimierung, sondern weil es Spaß macht? Ich finde es durchaus legitim, wenn darauf hingewiesen wird, dass der Mensch auch mal Zeit für sich braucht.

Clevere 'Kapitalisten' haben das natürlich erkannt und bieten diverse 'Ruhezonen' an - ob beim Konsum in der Mall oder auf Arbeit oder danach (wenn's zum gemeinsamen Sportevent geht). Das ist natürlich nicht das, was ich meine. Ich hoffe, dass Du mich dazu auch nicht falsch verstehst.

Aber das zeigt das ambivalente Verhältnis. Einerseits ist das Credo 'Denk an Dich, dann denkst Du an alle' der tief inhalierte Motor unseres wirtschaftlichen Denkens. Andererseits stellt einen diese Denke paradoxerweise in die 'Selbstaufgabe für den Markt'. Das heißt, dass dieser Egoismus dazu führt, doch nicht an sich, sondern an 'den Markt' zu denken und sich völlig für ihn aufzugeben. Denn 'im Markt' kannst Du natürlich nur als selbstoptimierter Kämpfer im Kampf überleben. Das 'Denk an Dich' ist nur eine Illusion, die diesen Satz auf's Überleben im 'Markt' reduziert.

Der berechtigte Anspruch, auch mal an sich denken zu können, wird hier also missbraucht. Ich meine, auch mal an sich zu denken, schließt ja nicht aus, dass Du auch an andere denken kannst. Im von Dir beschriebenen Szenario wird das aber völlig von der Idee 'Mensch als Mitmensch, als Gesellschaftswesen' entkoppelt und zur anderen Seite hin - zum ICH - verdichtet.

Das macht die Sache mE insgesamt so schwierig: Wenn ich auch mal Zeit für mich haben möchte, muss das nicht zwangsläufig auf das rücksichtslose Ausblenden anderer hinauslaufen, was aber im 'kapitalistischen' wie auch archaischen Endzeit-Szenario völlig ausgeblendet wird.

LG
Arbo

Charlie hat gesagt…

@ Arbo: Der "gesunde Egoismus", den es freilich auch gibt, ist hier nicht mein Thema. Mir erscheint es reichlich absurd, dass Du angesichts einer Situation, in welcher die krankhaften Exzesse bis zum Äußersten kolportiert und ausgelebt werden, diese Selbstverständlichkeit überhaupt ansprichst.

Das erinnert mich fatal an die militärische Kommission, vor der ich seinerzeit darlegen musste, weshalb ich den Kriegsdienst verweigere: Ich "durfte" damals selbstverständlich nicht die wirklichen Gründe nennen, wenn ich "anerkannt" werden wollte, sondern musste so einen Bullshit absondern wie: "Wenn meine Freundin von Bewaffneten angegriffen wird, würde ich selbstredend von der Waffe Gebrauch machen und die Angreifer erschießen, fiele danach aber in ein schwarzes Loch und könne mich nicht mehr im Spiegel anschauen". Derlei Unsinn war jahrzehntelang übliche Praxis für vom Bundeswehrzwangsdienst bedrohte junge Menschen in diesem Land. Hätte ich stattdessen ehrlicherweise gesagt: "Nö, ich töte keinen Menschen, niemals und unter keinen Umständen, ganz egal, wie übel er mich oder einen Nahestehenden auch bedroht", wäre ich kein "Zivildienst"-Leistender geworden, sondern hätte mich vor Gericht mit dem Militär herumärgern müssen. Der "gesunde Egoismus" war auch damals schon Staatsdoktrin.

Solidarität ist keine "Kann"-Option, sondern die einzige Möglichkeit, die mir einfällt, wie die Spezies Mensch langfristig überleben kann. Irgendwelche individuelle Überlebensinstinkte in Extremsituationen spielen da keinerlei Rolle, sondern gehören überwunden.

Liebe Grüße!

Fluchtwagenfahrer hat gesagt…

Moin,
wer näheres zur Konzeption Zivile Verteidigung (KZV)lesen möchte,
sollte mal beim BMI vorbeischauen.
Meine Einschätzung als Staatsbediensteter ist: Rette sich wer kann.
Die Unterstützung anderer hilfesuchender Menschen sollte man mit auf dem z. B. Einkaufs)Zettel haben.
Aber,bei marodierenden, plündernden Banden hört der Spaß auf, da geht es um Selbstschutz.

Arbo hat gesagt…

@Charlie: Absurd ist höchstens die Situation, in der diese Banalität nochmal ausgesprochen werden muss. ;-) Ansonsten würde ich meinen, ist Dir die Komplexität dieser Problematik entgangen. Das Problem ist doch, dass im sogenannten 'Kapitalismus' sehr wohl die von Dir genannten Punkte erkannt werden, sie werden nur in der breitest möglichen Form - unter Inkaufnahme diverser Widersprüche - ausgeschlachtet. Ich meine, dass der Egoismus, den Du beschreibst, menschenfeindlich ist, ist offensichtlich. Dass aber im sogenannten 'Kapitalismus' auch die Menschenfreundlichkeit bunt verpackt wunderbar ins Getriebe passt, wird nicht so schnell erkannt. Deshalb habe ich oben nochmal auf den 'gesunden' Egoismus hingewiesen: Nicht alles, was uns als 'gesund' verkauft wird, ist es auch. Und dazu wird ein doppeltes Spiel getrieben: Das von Dir genannte Überhöhen zum und Rechterfertigen vom narzisstisch-rücksichtslosen ICH, aber auch die Knautschzone für die negativen Konsequenzen, die damit 'kapitalistisch' eingefangen werden. Da loht es sich, genau hinzuschauen und nicht blind jedem Gegentrend hinterzulaufen. Ein gemeinschaftliches Happening, das Gemeinschaft, Mitfühlen usw. zelebriert, bedeutet noch lange nicht die dezidierte Haltung, die einem 'kapitalistischen' ICH-Trend entgegenzusetzen wäre. Im dümmsten Falle ist es nämlich nur Lippenbekenntnis, Staffage...

Übrigens wird selbst wiederum die 'Solidarität' ökonomisiert: nennt sich 'Sozialkompetenz', 'Teamfähigkeit', 'Konfliktfähigkeit' etc. - aber eben nur soweit, wie sich das rentiert.

LG
Arbo

Mabel - Joy hat gesagt…

Vielleicht wird der Begriff Solidarität unmenschlich strapaziert?

Wenn man morgens die Augen öffnet und schon wieder mit der ganzen Schuld beladen wird für alles , was schief läuft auf dieser Welt, dann versteh ich jeden, der sagt: Wenigstens übernehme ich nach besten Wissen und Gewissen die Verantwortung für mich selbst und meine Nächsten. Meine Nächsten sind in der Regel eine relativ überschaubare Zahl.

Dass zu meinen Nächsten Menschen gehören sollen, die alle unter Gesellschaft etwas anderes verstehen, die vor allem sehr genau zwischen zugehörig und nichtzugehörig unterscheiden, deren Religion mir irgendwie übergestülpt wird, mit ihrer Frauenfeindlichkeit, Homophobie, ihrem Antisemitismus, delegiere ich an die,die einen Hang zur Selbstverleugnung haben .

Einen Imad Karim, Basam Tibi, Mina Abadi, u.ä. würde ich ohne wenn und aber in den Kreis meiner Nächsten aufnehmen. Gerade sie macht man hier praktisch zu Unberührbaren. Ihr Hintergrundwissen muss man im Gutstaat verleugnen, weil das irgendwie Rechte sein müssen, sonst wären sie ja grenzenlos liebe Liebende.

Zwischen Hilfsbereitschaft und Unterwerfung liegen Welten.

Es gibt in diesem Land soviele Heilige, die in blauen Stunden Terroristen als umarmenswerte Ebenbilder Gottes sehen, da muss es als Gegengewicht auch noch Menschen geben, die die Bodenhaftung nicht verloren haben. Selbst wenn man die Prepper als Irre bezeichnen will, na und! In diesem Irrenhaus hat jeder das Recht auf seine Art zu spinnen. Über Abweichungen vom Irresein wacht die STASI .

Martin hat gesagt…

Hat zwar nix mit dem Thema zutun aber von deinem geliebten Spiel "Outlast" gibt es jetzt einen zweiten Teil. Hab ich aber selbst noch nicht gespielt, werde ich aber definitiv bald machen.

promenadenmischung hat gesagt…

Auf dem Strich/ zähl nur ich ;-)

Charlie hat gesagt…

@ Mabel - Joy: Dein Kommentar entsetzt mich zutiefst. Ich bin momentan leider gesundheitlich arg angeschlagen und kann daher nur kurz darauf eingehen, aber ich möchte Dich dennoch fragen: Mit welcher "Schuld" wirst Du - und von wem? - allmorgendlich beladen? Wie kommst Du auf den absonderlichen Gedanken, ein Prinzip wie die Solidarität könne "überstrapaziert" sein - ausgerechnet in einer Zeit, die erklärtermaßen und für jeden ersichtlich die Abschaffung eben jenes Prinzips äußerst aggressiv proklamiert und durchsetzt?

Kopfschüttelnde Grüße aus dem Krankenbett!

Charlie hat gesagt…

@ Arbo: Es ist nicht nötig bzw. nicht zielführend, persönlich zu werden. Ich verkneife mir derartige Unterstellungen also und weise lediglich darauf hin, dass die "Komplexität" des Themas vielleicht doch eher auf einer anderen, höheren Ebene zu suchen ist: Wenn im Rahmen des kapitalistischen Systems so etwas wie angebliche Menschenfreundlichkeit "bunt verpackt" und profitorientiert verkauft wird, handelt es sich per definitionem nicht mehr um "Menschenfreundlichkeit", sondern um ein Produkt, eine schnöde Ware. Der Kapitalismus verkauft schlichtweg alles, wenn der Profit stimmt - da sind Inhalte nicht nur belanglos, sondern jederzeit durch das Gegenteil austauschbar.

Ich kann Deine Gedankengänge nicht nachvollziehen. Was kritisierst Du an meinem Text nun genau? Wo vermutest Du da einen Denkfehler? Habe ich mich irgendwo missverständlich ausgedrückt?

Das Prinzip der Solidarität ist der Erzfeind des Kapitalismus. Und in den (handverlesenen) Fällen, in denen er auf diesen Zug aufspringt, geht es ausschließlich um Profit (worum denn auch sonst) - beispielsweise beim Thema der noch "effizienteren" Ausbeutung der Menschen durch mehr Flüchtlinge, die für Billigstlöhne oder Schwarzarbeit ausgenutzt werden können, um "Kosten" zu sparen und den Rest der Bevölkerung noch dazu einem Wettbewerb nach unten (auch gerne "rat race" genannt) auszusetzen. Das hat wahrlich nichts mit Menschenfreundlichkeit zu tun.

Der Karren steckt offenbar noch tiefer im Dreck als vermutet.

Liebe Grüße!

Troptard hat gesagt…

G 20-Penner
Von Kay Sokolowsky
http://www.kaysokolowsky.de/die-g20-penner/#more-12558

Hier ein Textauszug :

« Am 7. und 8. Juli dieses Jahres wird in Hamburg der „G20-Gipfel“ hochgestapelt. Weil das Treffen der 20 mächtigsten Hackfressen der Erde auf dem Messegelände dieser Freier- und Handelsstadt stattfinden soll – und leider nicht auf einer jener Schwerölrußschleudern mit Plantschwanne, die am Kreuzfahrerkai festmachen –, muß die City der Cité hermetisch abgeschirmt werden. Die Kosten für den Spaß kann man nur ahnen. Jedenfalls hat die Bundesregierung schon mal 235 Millionen Euro zugesagt. Cansu Özdemir, die Fraktionschefin der Linken in der Hamburger Bürgerschaft, erinnert daran, daß der G20-Summit in Toronto 2010 nach Kehraus und Kassensturz 900 Millionen Euro verschlang.
—In diesem Riesenhaufen aus Talern ist kein einziger Kreuzer vorgesehen für die Bürger der Gemeinde, und für deren schwächste eh nicht. Hinz & Kunzt, die Obdachlosengazette meines Heimatkaffs, informiert gemeinsam mit der Diakonie, daß die Berber in der Hamburger Innenstadt bereits heute, zwei Monate vor dem korrupten Event, von den Ordnungshütern aufgefordert werden, ihre Platte zu putzen und bloß nicht wiederzukommen. Aus einem Artikel von Benjamin Laufer:

Mehrere Obdachlose berichten in der Zeitung [Hinz & Kunzt] von Aussagen der Polizei, daß sie ihre Schlafplätze bis zum Gipfeltreffen räumen müßten. „Wir haben bereits jetzt den Eindruck, daß die Stadt für den Gipfel aufgeräumt werden soll“, sagt Sozialarbeiter Karrenbauer. «

Charlie hat gesagt…

@ Troptard: Danke für den Lesetipp. Solidarität mit Obdachlosen von Seiten des kapitalistischen Staates hat es zwar nie gegeben, aber immerhin wird hier wieder einmal deutlich, in welch einem verkommenen, menschenfeindlichen System wir allesamt leben müssen, solange dieses System besteht.

Ich halte ja nicht viel von den "Neulandsozialdemokraten", aber Wellbrock hat vor einigen Wochen dennoch einen recht treffenden Text zum Thema des "G-20-Treffens" in Hamburg geschrieben, den ich durchaus empfehlen kann. Da passt die "Säuberungsstrategie", von der Du nun berichtest, nur allzu gut in den Kontext.

Ich erinnere weiterhin an die "Mutter" aller neuzeitlichen kapitalistischen Deformierungen und Zerstörungen, die auch weiterhin wie von Sinnen "Reformen" genannt werden, natürlich aus den USA stammen und von der CDU (insbesondere Roland Koch) heiß bejubelt wurden: In einem Telepolis-Artikel aus dem Jahr 2002 wird das etwas näher beleuchtet (die Lektüre ist dringend empfohlen). Dort wird das Ziel des US-amerikanischen Hartz-Vorbildes namens "Wisconsin works" (W-2) unverhohlen genannt:

"Diese beiden Studien (...) verschweigen nämlich, dass ein Drittel dieser Menschen 'verschwunden' ist: 'Sie arbeiten nicht, und der Staat kann ihren Verbleib und ihr Wohlergehen nicht ermitteln.' / (...) Bleibt noch zu erwähnen, dass sich die Zahl der Gefängnisinsassen in Wisconsin zwischen 1996-2000 verdoppelte [sic!]. Nur weil die Presse ständig über eine einzige Zahl berichtet, die Zahl der Arbeits- und Sozialhilfeempfänger, und sich nicht für größere Zusammenhänge interessiert, ist es möglich, dass das W-2 Modell als Erfolg durchgeht."

Es ging und geht auch weiterhin darum, Menschen auszusortieren, statistisch und physisch unsichtbar zu machen und sie ansonsten ihrem Schicksal bzw. der Obdachlosigkeit fern der Glitzermetropolen zu überlassen. Das ist Faschismus in seiner reinsten, kapitalistischen Form.

Liebe Grüße!