Montag, 18. September 2017

Qualitätsjournalismus: "Die Partei" und die Propaganda


Gestern war wieder einmal ein wunderbares Beispiel für die "unabhängige Presse", die bekanntlich unabdinglich für die "freiheitlich-demokratische" Welt sei, bei n-tv zu finden. Ein gewisser Benjamin Konietzny, der sich an anderer Stelle selbst als "Kind (*1984) des Ruhrgebiets" beschreibt, das "Geschichte und Politikwissenschaft studiert" und sich zum Journalisten ausgebildet gelassen habe, hat dort einen Kommentar hinterlassen, der so kurz vor der "Wahl" (*lol*) ein beredtes Beispiel für die grenzdebile Verkommenheit dieser Journaille im Endstadium des kapitalistischen Unterganges bietet.

Unter dem vielsagenden Titel "Verachtung für alles: Wahre Demokratiefeinde wählen 'Die Partei'" zieht der Mann dermaßen vom Leder, dass es eine wahre Wucht ist und jedem Leser das vielleicht noch verbliebene Restgehirn aus dem Schädel haut. Ein paar besonders feine Beispiele seiner stumpfsinnigen Wahlpropaganda müssen leider sein. Er schreibt:

Wer diese Partei wählt, ist noch demokratieschädlicher als jeder Nichtwähler. Denn während dieser, frustriert vom immer gleich scheinenden Politikbetrieb, in seiner Passivität gefangen ist, schmeißt der Wähler der Partei "Die Partei" seine Stimme aktiv auf den Müll.

Belege für diese steile These bleibt er freilich schuldig – schließlich ist jede Stimme in diesem System "auf den Müll geschmissen"; dafür fährt er gleich fort und steigert seine Hasstirade:

Denn die fast 25.000 Parteimitglieder werden nichts weiter tun, als das, was sie auch die letzten Jahre getan haben: sich selbst und ihre scheinbare moralische Überlegenheit zu feiern. Frei von irgendwelchen konstruktiven Ansätzen zelebriert diese elitäre Gesellschaft ihre eigene Resignation und perfektioniert seine [sic!] Jovialität, alles, aber auch alles verachten zu dürfen und verpulvert damit obendrein hunderttausende Euro an staatlichen Zuschüssen.

Eigentlich müsste allerspätestens an dieser Stelle das Satirometer schrill anschlagen. Tut die kapitalistische Einheitspartei denn etwas anderes – mit dem kleinen Unterschied, dass die schwarz-rot-grün-gelben Gestalten nicht nur hunderttausende, sondern gleich viele Millionen Euro Steuergelder einstreichen (und damit sinnlos verpulvern)? Welche "konstruktiven Ansätze" zur Verbesserung der in den Faschismus kippenden Lage in diesem Land gibt es denn von Seiten der kapitalistischen Bande? Wer verachtet die Mehrheit der Menschheit und erklärt diesen Krieg gegen die Bevölkerung zur aktuellen, weiterzuführenden Politik, wer fördert elitäre Dünkel und wähnt sich selbst als zur "Elite" zugehörig, wer kriecht Superreichen in den Anus und tritt Armen mit Stahlstiefeln in die Fresse, wer überwacht die gesamte Bevölkerung und arbeitet stringent gegen die Interessen der Mehrheit und für die "Elite", wer lässt Flüchtlinge ertrinken und schiebt Diktaturen Geld zu, um "Flüchtlingslager" zu errichten, und wer stempelt Arbeitslose, Kranke, Alte und Behinderte zu Kriminellen? – Konietzny hat das uralte Prinzip des "Spiegel-Vorhaltens" wohl noch immer nicht kapiert. Deshalb resümiert er – und beweist endgültig, dass er nicht im Ansatz verstanden hat oder ganz bewusst propagiert, was in diesem zerbröselnden System gerade vonstatten geht:

Und dann gibt es "Die Partei", die sich genährt von den Errungenschaften der Wohlstandsgesellschaft zurücklehnt und in ihrer grenzenlosen Arroganz der Welt den Mittelfinger zeigt. Das beweist im Grunde die größte Demokratiefeindlichkeit aller Parteien.

Ich spare mir weitere Kommentare zur Demokratiesimulation und zur Wohlstandsgesellschaft, die unter vielem anderen im Müll wühlende RenterInnen und steigende Obdachlosenzahlen hervorgebracht hat. Eine größere Ehrung kann Satire eigentlich gar nicht erfahren: Sie sagt letztlich exakt dasselbe wie die menschenfeindliche Bande und wird von den Propagandanutten des herrschenden Systems inzwischen trotzdem ernst genommen und damit unfreiwillig geadelt – stets in der Hoffnung, dass der doofe Wähler gar nicht merkt, dass hier nur eine Wiederholung des schauerlichen Gefasels aus CDU-, SPD- und Co-Kreisen schon ausreicht, um das Bestehende ad absurdum zu führen. – Ich befürchte allerdings, dass diese dämliche Strategie tatsächlich aufgehen könnte und der "Durchschnittsdeutsche" allen Ernstes nicht mitbekommt, dass hier mit Atomkanonen auf Witze, die aus den Schloten der Schussvorrichtungen der "etablierten" Parteien rauchen, geschossen wird.

Um die Propaganda des Herrn Konietzny in den richtigen Journaille-Kontext einzuordnen, füge ich hier einmal einen Screenshot aus dem Ressort "Politik" vom gestrigen Tage bei n-tv ein – und das ist, wohlgemerkt, nur ein einziges Medium von vielen an einem einzigen Tag kurz vor dem absurden Wahltheater. Die "freie Presse" sei gebenedeit und schwanzgelutscht.


(Screenshot n-tv vom 17.09.17)

Mir fällt angesichts der vielen Schmerzen dazu nur noch ein Aphorismus von Erich Kästner ein, der in der tiefbraunen "Kakao"-Zeit des Untergangs geschrieben hat:

Was auch immer geschieht:
Nie dürft ihr so tief sinken,
von dem Kakao, durch den man euch zieht,
auch noch zu trinken.

(Erich Kästner [1899-1974], in: "Gesang zwischen den Stühlen. Gedichte", Deutsche Verlags-Anstalt 1932)

6 Kommentare:

altautonomer hat gesagt…

Ein Redakteuer namens Martin Kaul hat sich bereits am 14.09.2017 in der taz ähnlich übel geäußert. Hier seine Absatzüberschriften:

"In ihrem Kern verachtenswerter als die AfD"

"Alles ist ehrenwerter"

„Was hast du getan, als die AfD ins Parlament kam?“

Leute, die sich als Linke der parlamentarischen Form der Demokratiesimulation verweigerten, wurde bisher von Systemlinken gern der Vorwurf gemacht, sie würden als Nichtwähler die rechten und reaktionären Parteien stärken. Es war nie leicht, diesem Vorwurft mit überzeugenden Argumenten zu begegnen. Zurück blieb immer ein komisches Gefühl, bis hin zu einem schlechten Gewissen.

Nun gibt es für ehemals linke Nichtwähler und hartnäckige, alteingesessene Politikerverdrossene ein Angebot - und das ist auch wiederum falsch (siehe oben). Ein neuer Trend der Wahlrecht-ist-Wahlpflicht-Apologeten. Denn im Grunde geht es diesen Mietmäulern um Manipulation in eine Richtung, die den bürgerlichen Journalisten in den Kram passt. Für sie sind dann auch gleich -so ihre subtile Botschaft- alle Nichtwähler und PARTEI-Wähler überhebliche Zyniker einer Zuschauerdemokratie.

altautonomer hat gesagt…

Link vergessen:

http://www.taz.de/!5447201/

altautonomer hat gesagt…

Und weil ich einmal so richtig in Fahrt bin, gleich noch dieses mutige Plakat der PARTEI hinterher und auf den Punkt gebracht:

https://twitter.com/martinsonneborn/status/907269478135857152

Anonym hat gesagt…

Aloha!

"Zutiefst demokratiefeindlich", hm, da wird dann wohl in Kürze der VS aktiv, und als Wähler gilt man dann
bei der Misere schnell als Gefährder.Zur Erquickung der DfA, oder doch andersrum.

Und auch in der Provinz wird durch die Journaille vermittelt, das Nichtausschließen von R2G sei ein wichtiger Grund für
das anstehende Debakel der SPD.Verbunden mit der kaum verhohlenen Empfehlung, doch lieber in die Opposition zu gehen, und das Feld hier nicht der DfA zu überlassen.Demokratie braucht eine starke Opposition.....bla und blubb.

lg
Hagnum

Nachtrag: Seehofers Hotti hat bei dem albernen Farbenspiel SchwarzGelbGrün ausgeschlossen.Na dann stehts wohl schon fest, daß es SGG werden wird.

Harri hat gesagt…

'"Die Partei" zeigt der Welt den Mittelfinger'

Der Artikel einer wütenden beleidigten Leberwurst.
Vermutlich wurde ihm der Mittelfinger gezeigt, wahrscheinlich irgendein ein abschlägiger Bescheid von Seiten der Partei. Wär' interssant zu wissen, was sie ihm vor den Latz geknallt haben ;-)


Und letztlich gute Wahlwerbung für die Partei.

Charlie hat gesagt…

@ Altauto: Hast Du schon mitbekommen, dass es nun auch bei den Esos Wahlwerbung gibt? Häuptling Plattfuß spricht sich dort für - *trommelwirbel* - die Linkspartei aus.

In diesem Zusammenhang zitiere ich mal wieder Rainer Trampert:

"Wagenknecht, gegen die sich kein innerparteilicher Aufstand regt, filtert kriminelle Flüchtlinge heraus (»Gastrecht verwirkt«), schürt Ängste vor »60 Millionen« Flüchtlingen, will vermeiden, dass »Kinder in einem Umfeld aufwachsen, wo kein Deutsch mehr gesprochen wird«. Sie kritisiert, dass Merkel Fremde »mit einem freundlichen Gesicht« empfange, und fragte: »Wo ist ihr freundliches Gesicht gegenüber Menschen in Notsituationen hier im Land?« Der wabernde Volksverrat befeuert eine sich reproduzierende Kollektivpsychose. (...) Die Linkspartei jedenfalls treibt mit Wagenknecht, die mit der AfD-Vorsitzenden Frauke Petry in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung ein Gespräch führte, bei dem der Austausch der Namen nicht aufgefallen wäre, auf die Querfront zu – oder sie bricht auseinander."

Es ist einfach nicht zu fassen, wie ignorant, dumm, desinformiert oder schlicht naiv so viele Menschen sind, die sich für Linke halten oder es gerne wären. Es verwundert nicht weiter, dass derlei Gesülze bei den Esos vom Stapel gelassen wird - die Wahlpropaganda für diese pseudolinke Partei wird aber auch in vielen anderen Blogs betrieben. Ist das nun Dummheit, Bösartigkeit oder doch nur Resignation?

Liebe Grüße!

P.S.: Ich wiederhole noch einmal: Bitte hier keine Links zu Twitter, Facebook & Co. posten! Danke.