Sonntag, 15. August 2010

"Der Kapitalismus ist gescheitert"

Der Managementexperte und Bestsellerautor Fredmund Malik über Konsequenzen aus der Finanz- und Wirtschaftskrise - und warum sich niemand vorzeitig in Sicherheit wiegen sollte (...)

Handelsblatt: Es gibt aber bereits Anzeichen für eine Erholung der Wirtschaft. Auch an der Börse sind die Kurse gestiegen.

Malik: Wer jetzt Entwarnung gibt, hat anscheinend nicht die Krise der 30er-Jahre studiert. Die aktuelle Erholung an der Börse ähnelt der von 1930, als auf den Crash im Oktober 1929 eine sensationelle Rally bis hinein in den April folgte. Zu diesem Zeitpunkt gaben alle Auguren der damaligen Zeit Entwarnung. Man glaubte auch an die Wirksamkeit der Fed-Maßnahmen. Dabei begann das Debakel erst. Am Ende stand der Dow Jones im Jahr 1932 bei 40 Punkten.

Handelsblatt: Und heute?

Malik: Der gegenwärtige Bullenmarkt hat seinen Ursprung im Jahr 1982. Damals stand der Dow Jones bei 1000 Punkten. Das ist auch die Fallhöhe, mit der wir rechnen müssen.

(Weiterlesen - mit eingeschaltetem Gehirn)

Anmerkung: Ein interessantes Beispiel dafür, wie ein Kapitalist den Kapitalismus "retten" möchte, indem er die gröbsten Auswüchse, die immer am Ende des Zyklus' auftreten, abmildern möchte. Immerhin weist er auf die gegenwärtigen Parallelen zur Krise von 1929/30 hin - das erlauben sich die meisten "Experten" heutzutage nicht, um nicht allzu offensichtlich die Fehler zu wiederholen.

Besonders absurd wird es aber, wenn Malik feststellt: "Der Kapitalismus ist genauso gescheitert wie der Sozialismus. Diese Krise ist das Symptom eines fundamentalen Wandels, es sind die Geburtswehen für eine neue Welt. So etwas hat in der Geschichte möglicherweise noch nie stattgefunden. Die Lösungen werden nicht aus der Ökonomie, auch nicht von den Regierungen kommen. Die Menschen werden lernen, sich gegenseitig zu helfen. Ich denke, wir werden eine neue Menschlichkeit erleben. Das neue Kapital ist Wissen, während Geld an Bedeutung verlieren wird. Der krasse Egoismus der letzten Jahre wird sozial geächtet sein. Menschen Sinn zu ermöglichen wird wichtiger."

Man kann sich gar nicht oft genug an den Kopf greifen, wenn man solche hanebüchenen Schlussfolgerungen aus dieser wiederholten Krise lesen muss. Wir haben es oft genug erlebt (und auch beim letzten Crash des Kapitalismus in den 30er Jahren wurde schon ein "neuer Mensch" beschworen) - es wird keinen "fundamentalen Wandel" geben, obwohl der höchst sinnvoll wäre! Anzeichen sind nirgends erkennbar, nicht einmal in kleinen hilflosen Ansätzen, das genaue Gegenteil ist (wieder einmal) der Fall. Und der Gipfel, der blanke Zynismus ist es, wenn man dann lesen darf: "Die Menschen werden lernen, sich gegenseitig zu helfen." - Ja, wo lebt der Mann denn? Seit Jahrzehnten wird uns das Gegenteil gepredigt und medienwirksam vorgelebt! Es geht in diesem System um Entsolidarisierung, um Egoismus, um "Eigenverantwortung" in ihrer neoliberalen Pervertierung. Wahrscheinlich soll der Satz bloß bedeuten: Der Staat als Helfer in der Not hat ausgedient - in der Zukunft muss das eben irgendjemand anderes übernehmen, wenn er denn gerade Zeit und Lust und Geld dazu hat. Da eine "neue Menschlichkeit" zu entdecken, ist genauso zynisch wie der Spruch "Arbeit macht frei" über dem Tor des KZ.

In einem Punkt möchte man dem Herrn Malik aber wünschen, dass er richtig liegt: "Der krasse Egoismus der letzten Jahre wird sozial geächtet sein." - Allein: Woher soll das inmitten dieses neoliberalen Sumpfes, der den Großteil der Menschen in den Schmutz zieht, denn kommen? Wird ein göttlicher Blitz vom Himmel herabfahren und die Erleuchtung bringen? Werden all die Nachbeter der marktradikalen Ideologie plötzlich entmachtet oder tot umfallen oder das Gegenteil dessen propagieren, was sie uns jahrzehntelang eingebläut haben?

Der Kapitalismus ist in der Tat gescheitert - aber nicht erst heute, sondern schon viele Male zuvor. Wie Herr Malik indes auf die verwegene Behauptung kommt, der Sozialismus sei gescheitert, erklärt er leider nicht. Falls er Stalinismus oder andere Diktaturen fälschlicherweise für Sozialismus hält, sollte er dringend eine Bibliothek aufsuchen und seinen Experten-Status zuvor beim Arbeitsamt abgeben.

15 Kommentare:

Mrs. Mop hat gesagt…

Im ersten Moment wollte ich dir in allen deinen kritischen Anmerkungen recht geben - aber dann:
"Allein: Woher soll das inmitten dieses neoliberalen Sumpfes, der den Großteil der Menschen in den Schmutz zieht, denn kommen? Wird ein göttlicher Blitz vom Himmel herabfahren und die Erleuchtung bringen?"

Nein, es wird gewiss kein göttlicher Blitz vom Himmel herabfahren. Es wird auch keine Erleuchtung geben. Aber es wird eine große, existentielle Not geben. Was, wenn nicht diese bittere Not, könnte die Entsolidarisierung, die in uns hineingeprügelt wurde, zumindest partiell aufheben?

Sage ich jetzt fernab aller Romantisierung o.ä. Es wird die Entscheidung jedes einzelnen sein, ob er sich dem Zugrundegehen (sei es dem Verhungern) fügt, oder ob er endlich mal bei seinem Nachbarn klingelt (wenn er noch welche hat und sofern die Klingel noch funktioniert) und sich mit ihm bei einem gemeinsamen Bier (sofern es noch welches gibt) überlegt, wie das Überleben zu schaffen sein könnte.

Not - verzeih' mir, wenn es trivial klingt - hat seit jeher erfinderisch gemacht. Allerdings, und das ist die nicht unwahrscheinliche Kehrseite der Medaille, auch gewalttätig und kriminell. Nur eins steht fest: Freiwillig verhungern wird niemand wollen.

Charlie hat gesagt…

Das klingt keineswegs trivial, was Du schreibst - allerdings zeigt ein Blick in die Geschichte, dass diese Hoffnung, die Du hegst, ziemlich utopisch sein dürfte.

Sicherlich gab es Widerstand und auch Solidarität in der Phase des aufstrebenden Faschismus in den 20er und 30er Jahren - aber das wurde ja konsequent und mörderisch bekämpft und endete bekannter Maßen in einer Katastrophe unfassbaren Ausmaßes. Meinst Du wirklich, das könnte heute anders verlaufen? Wo siehst Du Anzeichen dafür, oder worauf begründet sich diese Hoffnung? Das, was ich in meinem Umfeld mitbekomme, lässt da keine Hoffnung keimen. Da wird unbarmherzig gegen "Sozialbetrüger" gehetzt - und damit sind nicht die Banken und andere Zocker gemeint, die dieses Prädikat wirklich verdient hätten.

Not macht erfinderisch, gewiss. Allerdings führt das doch meistens dazu, dass die Menschen damit beginnen, sich mit dem herrschenden System abzufinden und sich darin einzurichten, so gut es eben geht - das kann man am Beispiel der 30er Jahre genauso sehen wie am Beispiel der ehemaligen DDR.

Und einen Punkt darf man auch nicht außer acht lassen: Die Überwachungsmechanismen, die die "Elite" heute besitzt, stehen in keinem Vergleich zu den Möglichkeiten vergangenener Zeiten. Und diese Mechanismen werden sie auch einsetzen - das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Dadurch wird das (ohnehin latent vorhandene) Denunziantentum weiter gestärkt, ein möglicher Widerstand wird also immer schwieriger, gefährlicher und damit unwahrscheinlicher.

Der Punkt, an dem die große Masse der Menschen endlich "aufwacht" und merkt, dass nicht nur "die anderen", irgendeine Minderheit, das Ziel das Anschlages ist, wird wie gewohnt jenseits des "Point of no Return" liegen. Dann ist das Kind schon im Brunnen und die Welt brennt.

Dir ist zuzustimmen, wenn Du schreibst: "Nur eins steht fest: Freiwillig verhungern wird niemand wollen." Allerdings wird genau dies ja wieder den Egoismus bzw. in diesem Fall den Selbsterhaltungstrieb fördern - es ist ja kein Geheimnis, dass halb verhungerte Menschen keine Skrupel haben, auch den Schwächeren noch ihren letzten Rest Nahrung zu rauben. Und wer würde sich anmaßen, das ethisch zu kritisieren? Es gibt dazu eine Szene aus dem Film "Der Pianist", die das sehr deutlich macht: Da reißt ein alter, halb verhungerter Mann einer Frau einen Topf mit Brei aus der Hand, der daraufhin zu Boden fällt, und jener alte Mann stürzt sich sodann wie von Sinnen auf diese Breimasse und schaufelt sie wie von Sinnen vom Boden in seinen Mund, während die Frau schreit und weint und hilflos auf ihn einschlägt - und all das inmitten einer großen Menschenmenge im Warschauer Ghetto.

Ich sehe keine Anzeichen für Optimismus, und ich sehe auch keine erwachende Solidarität - auch wenn das ein bitterer, tiefschwarzer Kommentar ist.

Mrs. Mop hat gesagt…

Was ich schrieb, war nicht als "Hoffnung" gemeint, sondern eher als Handlungsaufforderung im jeweils ureigenen Bereich des einzelnen Individuums (d.h. erst mal bei sich selber anfangen). Als Hoffnung, da hast du freilich recht, wäre es blanke Utopie.

Ich dachte dabei auch weniger an (in irgendeinem Sinne politischen) Widerstand, sondern mehr an den Versuch der Vernetzung (sorry, großmäuliges Wort für etwas ganz Alltagsnahes) im Nahbereich, um dem Druck und der konkreten Not im Alltag besser standhalten zu können.

Um es mal weniger abstrakt zu formulieren (Achtung, jetzt geht es runter auf eine ganz kleine, staubkorngroße persönliche Ebene): Du glaubst gar nicht, wie ich mich freue, morgens (gern auch zu einer anderen Tageszeit) einen Kommentar von jemandem wie dir zu lesen, der anscheinend in vergleichbaren Zwangslagen steckt wie ich. Zwar ändert das nicht einen Deut an meiner insgesamt (nur im sozioökonomischen Sinne!) unerfreulichen Situation; aber es lässt mich den Tag beginnen mit dem Gefühl, dass mein 'Schicksal' kein rein zufälliges, vereinzeltes ist.

Als ich anfing zu bloggen, tat ich es (auch) aus dem Druck heraus, dieses Gefühl der Vereinzelung nicht mehr ertragen zu wollen/können - mein damaliges (Offline)Umfeld hatte mir das nämlich pausenlos gespiegelt; zwar stets mit wohlwollenden Worten und einem gehörigen Schuss hilflosen Mitleids, aber spürbar konnotiert als Distanzierungsversuch von jemandem, den sie 'eigentlich' für einen Versager hielten. Letztlich hat mich das noch mehr in diese Vereinzelung getrieben.

Genau so habe ich meinen letzten Kommentar gemeint: Einen ersten Schritt tun, um aus diesem grässlichen (und übrigens destruktiven) Vereinzelungsloch rauszukommen. Ohne diesen allerersten Schritt sind alle anderen Versuche der Mobilisierung/Politisierung/Organisierung und was der großen Worte noch so herumgeistern, völlig witzlos. Jeder muss selbst zuschauen, mit was für Leuten er sich umgibt - welche Leute ihm guttun, welche ihm schaden, welche ihn lähmen, welche ihn weiterbringen, welche ihn herausfordern. Verstehst du, was ich meine?

Also, wie gesagt, das war jetzt die Ebene des Staubkorns und außerdem ein fürchterlich langer Kommentar, puh. Zum kurzen Schluss habe ich noch etwas (wie ich finde) Spannendes für dich: einen Auszug aus dem Buch eines amerikanischen Bloggers, der sich mit genau diesen Themen auseinandersetzt. Es handelt sich um Fiction, aber es ist brutal real. James Howard Kunstler (der Name des Bloggers/Autors) hat es gestern abend ins Netz gestellt, und ich habe es in einem Atemzug verschlungen, obwohl ich gestern abend weiß Gott Dringenderes zu tun hatte, wie du ja weißt ;).

Hier kommt's:
http://kunstler.com/blog/2010/08/vacation-special----excerpt-from-the-witch-of-hebron.html

Würde mich interessieren, was du davon hältst.

Bis demnächst ;).

Mrs. Mop hat gesagt…

Grade gefunden. Passt zum Thema. Lies mal:

http://tamagothi.wordpress.com/2010/08/14/leere-strase/

Charlie hat gesagt…

Danke für diesen Kommentar.

Verlassen wir also die Meta-Ebene und begeben uns auf die nicht minder wichtige persönliche Ebene, die Du mit dem Begriff "Staubkorn" zu Unrecht herabstufst. ;-)

Ja, so gesehen kann ich das wunderbar verstehen, was Du schreibst. Meine beste Freundin und ich "streiten" seit Jahren darüber, was sinnvoller und wichtiger ist: Sollte man das "große Ganze" im Auge behalten, oder sollte man im eigenen Umfeld, bei all den scheinbar kleinen Dingen des Alltags im zwischenmenschlichen Zusammensein beginnen? Wir haben inzwischen nach unzähligen Diskussionen wohl beide erkannt, dass beide Wege parallel beschritten werden müssen, um wirklich weiterzukommen (was aber ungemein schwierig ist).

Auch die Motivation, aus der heraus Du zum Bloggen gekommen bist, kann ich wunderbar nachvollziehen. Bei mir war's so ähnlich. Ich habe allerdings mehrere Anläufe gebraucht - so einige Blogs sind nach mehr oder weniger kurzer Zeit wieder verschwunden. Aber als ich diesen hier begann, war mir sonnenklar, dass ich ihn weiterführen werde - egal, was da auch kommen mag. Zuerst war er gedacht als "Ersatz" für die allwöchentliche Linkliste, die ich meinen Freunden und Bekannten immer habe zukommen lassen, um sie darüber aufzuklären, dass es nicht ausreicht, die Tagesschau zu gucken und ab und an die Zeit und vielleicht noch die lokale Tageszeitung zu lesen. Da habe ich oft eine sehr positive Resonanz bekommen - deshalb dieses Blog.

Seit ich allerdings dazu übergegangen bin, die geposteten Artikel zu kommentieren, hat sich da vieles verändert ... manche Bekannte sind heute Ex-Bekannte, und manch ein Familienmitglied hat den Kontakt zu mir auf ein sehr überschaubares Maß reduziert. Und das ist auch gut so.

Persönliche Dinge halte ich hier aber dennoch weitesgehend heraus - denn dieses Blog verstehe ich (vielleicht anders als Du Deines - was völlig wertneutral gemeint ist) nicht als Tagebuch oder etwas an meine Person Gebundenes, sondern als - wie der Subtitel nahelegt - "Logbuch", das dem Leser (Zielgruppe war ja ursprünglich mein Freundes- und Bekanntenkreis) verdeutlichen sollte, auf welchem Katastrophenkurs sich diese Gesellschaft befindet.

Vielen Dank auch für die beiden Links! Dem zweiten ist ja wirklich nichts hinzuzufügen ... ich habe den Text zwar erst einmal gelesen, aber ich kann mich da nur geschlossen halten: Dazu fällt mir nur ein "So ist es" mit angeschlossenem Seufzer ein. Den längeren Text des Künstlers Kunstler habe ich mir noch nicht angeschaut - ich hoffe aber, ich komme bald dazu, das nachzuholen.

Mrs. Mop hat gesagt…

Kenne ich sehr, sehr gut, wenn Bekannte allmählich zu Ex-Bekannten werden. Wobei es im Einzelfall gedauert hat, bis ich ehrlichen Herzens sagen konnte: Ja, das ist auch gut so. Weil es der Zeit und der Reflektion bedurft hat, bis mir klar wurde, dass diese Verluste zu verschmerzen sind. Ein paar meiner (Ex)Bekannten wissen um mein Blog und haben bis heute kein einziges Wort des Feedbacks dazu verloren. Geschweige denn, sich mal ins Kommentarfeld verirrt. Wenn ich es richtig sehe, verhält es sich bei deinen 'Leuten' ähnlich?

"...erkannt, dass beide Wege parallel beschritten werden müssen, um wirklich weiterzukommen...", da möchte ich jetzt fast entgegnen: zuerst das Staubkorn, dann die große Wollmaus. Fast, wie gesagt. Weil, sonst läuft es wohl auf Staubspalterei raus ;).

Macht Spass mit dir.

Charlie hat gesagt…

Du redest wie meine beste Freundin. Ist das am Ende eine Verschwörung? ;-)

Ja, Du hast vollkommen recht: Von denjenigen, für die dieses Blog ursprünglich gedacht war, hat sich bisher kein einziger in die Kommentare verirrt. Wenn eine Reaktion kam (und die war sehr spärlich), kam sie per Mail oder im persönlichen Gespräch. Anfangs habe ich mich darüber noch gewundert und gelegentlich nachgefragt - aber das habe ich inzwischen aufgegeben.

So what - die Zugriffszahlen sagen mir, dass es immerhin ein paar Interessierte gibt, die ganz gerne mal vorbeischauen, und das ist weitaus mehr als ich ursprünglich beabsichtigt hatte. :-)

Aber zurück zum Thema: Das "Staubkorn" ist gescheitert. Sagte doch vor ein paar Tagen erst ein entfernter Freund zu mir: "Du hast doch recht mit dem, was du da schreibst. Ich hab doch auch versucht, diesem ganzen Blödsinn von wegen Überwachung und Datenspeicherung und Spaltung der Gesellschaft entgegenzuwirken, ich hab' FDP gewählt! Die bewirken nur nichts."

Mein Entsetzen kannst Du Dir vorstellen? Ich war - sprachlos.

Mrs. Mop hat gesagt…

Nicht wundern - was so ein echter Offline-Hardliner ist, der hat sofort ein Brett vor dem Kopf, wenn er ein Kommentarfeld nur von ferne sieht. Ist halt einfach nicht denen ihr Medium (sorry für den Genitiv-Rape).

Ich glaube, bei diesen Menschen sind massive Berührungsängste am Wirken. Als ob das Blog oder der Austausch mit dir darüber - egal über welches Medium - sie kontaminieren könnte. Mit was eigentlich?, fragt man sich kopfschüttelnd.

Tja, der Freund hatte wahrscheinlich gedacht, FDP hätte etwas mit Freiheit und (wohlverstandenem) Liberalsein zu tun. Muss ein Träumer sein. Baldiges Aufwachen sei ihm von Herzen gewünscht.

Charlie hat gesagt…

Ob das wirklich "nur" Berührungsängste und technische Bretter vor den Köpfen sind? Ich bezweifle das ein wenig. Vermutlich hat das wirklich etwas mit diesem seltsamen Mechanismus der bewussten Verdrängung zu tun, das z.B. Ulrike Herrmann in ihrem Buch "Hurra, wir dürfen zahlen - Der Selbstbetrug der Mittelschicht" beschreibt.

Zur FDP fällt mir nicht mehr viel ein. Ich war eigentlich der Meinung, dass es sich inzwischen auch bis in bürgerliche Wohnstuben herumgesprochen hat, dass diese selbsternannte "Gurkentruppe" keineswegs liberale, sondern allenfalls (und das sind die freundlichsten Worte, die mir einfallen) wirtschaftsliberale und eigennützige Politik macht. Da lag ich wohl falsch.

Mrs. Mop hat gesagt…

Ich meinte weniger ein technisches Brett.

Eher so: In dem Moment, wo ich in einem öffentlich zugänglichen Medium einen Kommentar hinterlasse, habe ich Stellung genommen, verbindlich und für andere einsehbar, kann meine vertretene Position nicht mehr zurücknehmen, es sei denn, ich lasse mich auf einen Diskurs ein und korrigiere meine Position, wiederum öffentlich und für andere...usw.

Farbe bekennen. Sich exponieren. Sich angreifbar machen. Gegenpositionen beziehen. Sich unbeliebt machen. Damit leben. Daran wachsen. Immer weiter.

Allesamt Aktivitäten, die den Stromlinienförmigen aus der Mode gekommen sind. Autonomes Denken war mal. Bloß keine Kanten zeigen. Man könnte ja zur Rechenschaft gezogen werden.

(Offline-Hardliner war ein falsch gewählter Begriff von mir, weil er zu sehr nach 'Technikmuffel' klingt. Siehste - schon passiert: Ich muss mich korrigieren. Meine Begrifflichkeiten überdenken. Und ertragen, dass andere mich vielleicht für doof halten, weil ich noch nicht mal in der Lage bin, mich klar auszudrücken. Damit leben. Daran wachsen. Und sich weiter exponieren. Manchen Leuten - mir - macht das Freude. Vielen nicht.)

Mrs. Mop hat gesagt…

Volltreffer: Ich musste eben den Code 'agora' eingeben.

Wer sagt's denn...;)

Charlie hat gesagt…

Ah ja, dann war das ein Missverständnis, Verzeihung. Wenn Du das so gemeint hast, habe ich nichts weiter herumzumeckern. ;-)

Jedenfalls nicht an Dir. An den Kommentar-Unwilligen aus dem Bekanntenkreis allerdings schon, denn ich bin ziemlich sicher, dass der eine oder die andere da doch schon manchmal ins Grübeln geraten ist.

Andererseits ist es geradezu verwegen, bezüglich eines Blogs wie diesem und bisherigen 12 Kommentaren, verfasst von zwei Personen, von "Öffentlichkeit" zu reden. ;-) Vor allem aber dürfte der Titel des Beitrages - auch wenn er wortgleich im Handelsblatt steht (dort ebenfalls in Anführungszeichen wie hier) - einen der grundsätzlichsten Gründe ausmachen, wieso sich niemand äußern mag.

Wer hier oder anderswo ein wenig mitgelesen hat, weiß inzwischen ja, dass der Verfassungsschutz nicht die Verfassung, sondern den Kapitalismus schützt. Demnach haben alle, die den Kapitalismus in Frage stellen, als "Verfassungsfeinde" zu gelten. So irrsinnig diese Logik auch ist - ich kann nachvollziehen (aber nicht verstehen), dass sie den einen oder anderen davon abhält, sein kleines Refugium der (scheinbaren) finanziellen Sicherheit durch einen Kommentar in einem unbedeutenden Blog aufs Spiel zu setzen.

Zur "agora" sage ich an dieser Stelle aber besser nichts, sonst verfalle ich noch in einen Wahnzustand, der mich wieder an der Zeitmaschine arbeiten lässt - denn die Anfänge der Demokratie erscheinen mir in solchen wahnhaften Momenten irgendwie schöner als deren Ende.

P.S.: Abgesehen von uns beiden liest hier unten sowieso keine Sau mehr mit. *g*

Mrs. Mop hat gesagt…

Du bist mein Lieblingsverfassungsfeind :).

Immer, wenn ich dich hier besuche, kriege ich (rein optisch) das Gefühl, das subversive Hinterzimmer einer abgedunkelten Hafenkneipe zu betreten. Man könnte glatt vergessen, dass sogar an solchen Orten der Feind mithört.

Wenn sie irgendwann kommen (...coming to take you away, ha ha), stell' dich dumm und schick' sie zuerst zum Handelsblatt, "wieso, die haben doch damit angefangen?!".
In der Zwischenzeit kannst du dir den hier reinziehen:

http://www.youtube.com/watch?v=hnzHtm1jhL4

Danach wird dich nichts mehr schocken :).

Das mit der Sau nimmst du zurück. Ich bin mir sicher, dass hier einige Säue hinterm Peephole stehen und Katastrophenvoyeurismus betreiben :).

Charlie hat gesagt…

Das mit der subversiven, abgedunkelten Hafenkneipe fasse ich jetzt einfach mal als Kompliment auf. ;-) Welche andere Farbe als schwarz würde sich auch für ein Blog wie dieses anbieten? Außer braun fällt mir da nichts ein, und braun finde ich sch.... :-)

Danke für den Link. :-) Offenbar hat das Liedchen eine Vielzahl von Hobbyfilmemachern kreativ inspiriert - ein kurzer Blick auf die youtube-Liste bringt eine Unmenge an Ergebnissen. Nachdem ich also heute nachmittag mindestens sechs dieser Filmchen angesehen habe (dieses hier fand ich am besten: http://www.youtube.com/watch?v=YlIjG1AkLsg&feature=related ), bin ich nun überzeugt: Ja, ich bin irre, und bald werden die Männer in den sauberen weißen Kitteln kommen (die in fast allen Clips immer junge Damen in sehr kurzen Schwesterntrachten sind - wie merkwürdig) und mich ins Paradies führen! Danke für diese Erleuchtung! :-) (hihi, haha)

Und für alle Katastrophenvoyeure, die den o.g. Clip gesehen haben: So sehe ich aus, wenn ich hier etwas schreibe: http://i33.tinypic.com/akhfv8.jpg :-)

Mrs. Mop hat gesagt…

Doch, doch, ich bin ein Freund von Kaschemmen und Spelunken...;)

Was für ein Gruselvideo. Ich würde mal sagen, das ist der schlimmste von allen, wobei ich insgesamt nur zwei angeschaut habe, nicht sechs oder mehr wie du.

Tscha. Sonnengemüter die einen, Mondsüchtige die anderen halt, was soll man da machen ;).