Freitag, 17. Juni 2011

Über den Weg zu einer besseren Gesellschaft

(...) Was wir heute erleben, ist letztlich nichts anderes als "the same old story". Es gibt zwei Möglichkeiten des Selbstverständnisses von Linken: die der radikalen Überwinder des Systems (die aber leider noch immer in fast luftleerem Raum agieren) und jener, die aus den gegebenen Verhältnissen ein Maximum für die Menschen unterhalb der Liga von BDA- und BDI-Mitgliedern oder FDP- und CDU-Parteibuchträgern herausholen wollen, das Risiko von Vereinnahmung und Zugeständnissen dicht an der Schmerzgrenze eingeschlossen. Als "Arzt am Krankenbett des Kapitalismus" sind letztere vor 80 Jahren stigmatisiert worden – in polemischer Simplifizierung jener Worte, auf die diese Metapher zurückgeht. Der nicht nur von Ultralinks allzeit bemühte und geächtete Fritz Tarnow – Anfang der 30er Jahre einer der maßgeblichen sozialdemokratischen Gewerkschafter – hatte das Dilemma seiner Partei auf deren Leipziger SPD-Parteitag 1931 folgendermaßen in Worte gefasst: "Nun stehen wir ja allerdings am Krankenlager des Kapitalismus nicht nur als Diagnostiker, sondern auch – ja, was soll ich da sagen? – als Arzt, der heilen will?, oder als fröhlicher Erbe, der das Ende nicht erwarten kann und am liebsten mit Gift noch etwas nachhelfen möchte? In diesem Bilde drückt sich unsere ganze Situation aus. Wir sind nämlich, wie mir scheint, dazu verdammt, sowohl Arzt zu sein, der ernsthaft heilen will, und dennoch das Gefühl aufrechtzuerhalten, dass wir Erben sind, die lieber heute als morgen die ganze Hinterlassenschaft des kapitalistischen Systems in Empfang nehmen wollen."

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Anmerkung: Und wie selig jubelnd würden wir reagieren, ähnliche Worte wie die Tarnows heute aus der SPD vernehmen zu dürfen ... doch das ist schlichtweg nicht vorstellbar. Die heutige SPD ist, wie alle anderen etablierten Parteien auch, ein korrupter Haufen voller Opportunisten, die sich weit rechts von Helmut Kohl bewegen.

Zur Diskussion über die Linke, die eigentliches Thema des Textes ist, finde ich indes auch keine sehr ermutigenden Worte: Ich bekomme allmählich den Eindruck, dass die absurden "Flügelkämpfe" auch dort inzwischen zu einer Konformisierung beigetragen haben. Wenn es dazu kommen sollte, dass auch dort die "Realos" - wie schon bei den Grünen und bei der SPD geschehen - die Oberhand gewinnen, macht sich die Partei lächerlich und überflüssig - und wird über kurz oder lang das Schicksal der FDP teilen.

Das Versinken in der Bedeutungslosigkeit ist hinsichtlich der FDP ja ein extrem begrüßenswertes Ereignis, das gefeiert werden muss - hinsichtlich der Linken aber wäre es eine Katastrophe, da mit der Partei die letzte einigermaßen aussichtsreiche Chance auf positive Veränderungen in diesem Land verschwände. Deshalb ist ein Slogan wie der Titel des Buches von Sahra Wagenknecht hilfreich, der klar besagt, dass die Linke den Kapitalismus (und zwar komplett und nicht bloß die neoliberalen Extremauswüchse) überwinden will, um eine bessere Gesellschaftsform zu errichten: "Freiheit statt Kapitalismus".

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