Mittwoch, 18. April 2012

Zitat des Tages: Apokalypse

Wer
wird die Toten begraben
auf dem Schlachtfeld Europa,
wer wird sie zählen
und wägen und sagen:
das waren Menschen? Wer
wird denn, ehe
der Schnee des Vergessens
sich weiß auf
das Aas der Geschlachteten legt,
aufklagen
über den turmhohen Trümmern der Toten
zwischen Balkan und Pol?

Wird nach dem Heulen
des letzten verendenden Hundes
noch eine Stimme sein,
nur das Schrein eines Kindes
oder ein zitternder Flügelschlag
im zerschossnen Gezweig?

Stille wird sein und Zerstörung.
Und über den offenen Augen
von tausendmaltausend Gefallenen
werden Gewitter geschehen und
Monde verblühn.
Aus den verwaisten Atommeilern
wird sich Verwesung ergießen
über die Erde,
und die verkrüppelten Rosen
werden die Schöpfung verneinen.
Unüberwindliche Stille wird sein
auf dem Schlachtfeld Europa.

(Dagmar Nick [*1926]: "In den Ellipsen des Mondes", Gedichte 1945-1959, Aachen 1959)

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Wow. Ein nette alte Dame, und dann so düstere Worte! Hoffentlich muß Frau Nick das Schlachtfeld Europa nicht zum zweiten Mal miterleben...

Dede hat gesagt…

Äh, sorry, aber wenn du richtig gelesen hättest, hätte dir eigentlich auffallen müssen daß die Autorin eine junge Frau war, als sie das Gedicht geschrieben hat.

Bedrückend finde ich es aber auch sehr. Utopisch ist es aber wohl leider auch nicht.

Anabelle hat gesagt…

Ob nun eine ältere oder junge Frau .... was ist bitte daran bemerkenswert dass eine Frau düstere, kritische Gedichte schreibt?? Verlagern wir uns hier jetzt auf Piratenparteiniveau oder wie muss ich das verstehen?? Hallo?

Charlie hat gesagt…

Ruhig, Braune ... ;-) Meines Wissens hat sich noch kein Pirat oder einer deren Wähler hierher verirrt - und das trotz meiner schönen Piratenflagge! ;-)