Dienstag, 26. Juni 2012

Sozialabbau im Lichte der "Bankenrettungen"


Für einen gebrauchten Holzschreibtisch, an dem ihre mittlerweile neunjährige Tochter Johanna ihre Hausaufgaben machen kann, hat Christina M. aus Berlin-Schöneberg vier Jahre gekämpft, schreibt die B.Z. Die "Hartz IV"-Bezieherin beantragte bei Johannas Einschulung vom Jobcenter einen Schreibtisch. Der Antrag wurde abgelehnt. "Ich hätte es nicht beantragt, wenn ich nicht bedürftig wäre. ›Hartz IV‹ reicht für einen Schreibtisch nicht aus", zitiert die Zeitung M. Rund 40 Briefe wurden zwischen M.s Anwalt und dem Jobcenter ausgetauscht, mit negativem Ergebnis. Zwischenzeitlich lieh sich die Frau Geld, um ihrer Tochter einen gebrauchten Tisch zu kaufen. Erst ein Urteil des Sozialgerichts zwang das Jobcenter nach vier Jahren, der Klägerin das Geld für einen Second-Hand-Tisch zu überweisen. Der Tisch hat 70 Euro gekostet.

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Anmerkung: Dies ist nur ein einziger grotesker Fall von zehntausenden - die Reihe "Sozialabbau" beim Ossietzky listet seit geraumer Zeit immer wieder einige davon auf. Es ist intellektuell und menschlich nicht mehr nachvollziehbar, dass auf der einen Seite in kürzester Zeit Milliarden von Steuergeldern an private, selbstverschuldet und aus reiner Habgier in Finanznot geratene Banken geschoben werden, während über lächerliche 70 Euro für das Kind (!) eines Hartz-Terror-Opfers geschlagene vier Jahre gestritten werden und die Gerichtsbarkeit bemüht werden muss. Die Absurdität dieser grotesken Albernheit sticht dermaßen grell und schrill ins Gehirn, dass es wahrlich schmerzt und man es einfach nicht fassen kann, dass ein solcher bitterböser Zynismus tatsächlich den Alltag in Deutschland darstellt.

Der Fall zeigt außerdem exemplarisch überaus deutlich, dass es der neoliberalen Bande mit ihrem Sozialabbau gar nicht um finanzielle "Einsparungen" geht - das Prozedere hat schließlich ein Vielfaches der ursprünglichen 70 Euro verschlungen. Es handelt sich auch nicht um einen Einzelfall, sondern um die gängige Praxis der Behörden. Ich würde nur zu gerne einmal wissen, wieviel des staatlichen Sozialbudgets seit den Hartz-Terror-Deformationen allein für Gerichts- und Anwaltskosten verpulvert worden sind. Ich bin aber fast sicher, dass solche Zahlen von der Bande nicht erhoben oder zumindest nicht publiziert werden. Wozu auch - denn es ist ja klar erkennbar, dass es nicht um "Einsparungen" geht, sondern um gezielte und bewusste Schikane, die Einschüchterung und Drangsalierung von Bürgern - und natürlich um die Vorbereitung auf noch weitaus schlimmere Grausamkeiten.

Und das alles - wie immer - nur zum Wohle der Banken bzw. der degenerierten Bande von Superreichen, denen diese Banken "gehören". Genauso wie vor 90 Jahren:

Bankbetrieb



(Zeichnung von Wilhelm Schulz [1865–1952], in "Simplicissimus", Heft 34 vom 19.11.1923)

4 Kommentare:

Darkmoon hat gesagt…

Cooles Bild. In den 20ger Jahren hatten die Leute wohl mehr Durchblick als heute....

Zu dem Hartz-Fall fehlen mir mal wieder die Worte. Ich will in einem Land nicht leben in dem sowas nicht nur vorkommt sondern sogar "Recht und Gesetz" ist. Einfach widerlich. Die nächsten "Nürnberger Rassegesetze" sind wohl nicht mehr weit entfernt.

Anabelle hat gesagt…

Über so etwas darf man gar nicht weiter nachdenken, dann wird man nämlich sofort irre. Wie sich diese Frau und erst das Kind gefühlt haben mag, kann man wohl nur erahnen. Ich schäme mich in Grund und Boden für dieses Land.

Die Zeichnung zeigt die Situation doch ganz deutlich - deutlicher könnte man es kaum darstellen. Sie plündern uns aus und der Staat schützt und stärkt sie dabei.

Gerhard45 hat gesagt…

Für alle die es verdrängt haben sollten: Die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe und die bruteale Verstärkung der Prepression gegen Bürger - Hartz 1 bis 4 - waren rotgrüne Herzensprojekte von Schröder, Fischer und Konsorten. Wieso werden die von IRGENDJEMANDEM noch gewählt??

Was aber soll da noch SCHLIMMERES kommen? Schlimmer gehts doch nicht mehr.

jakebaby hat gesagt…

"Schlimmer gehts doch nicht mehr."

Schlimmer geht Immer!!!