Donnerstag, 11. Oktober 2012

Die neue Armut des Anton Schlecker


Nicht einmal ein Viertel (5.900) aller 23.000 ehemaligen Schlecker-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter haben acht Monate nach der Insolvenz des Unternehmens einen neuen Job gefunden, schreibt das Hamburger Abendblatt. Währenddessen soll der Firmenpatriarch Anton Schlecker dem Insolvenzverwalter ein Millionenangebot gemacht haben, um seine Villa in Ehingen zurückzukaufen, meldete die Süddeutsche online am 30. August.

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Anmerkung: Soviel also zur oft beschworenen Mär vom "großen Risiko" der Wirtschaft. Die Autoren des Ossietzky (oder des Hamburger Abendblattes) haben sich zwar leicht verrechnet (5.900 sind etwas mehr als ein Viertel von 23.000), was den Sachverhalt aber nicht weniger grotesk macht. Herr Schlecker und seine Familie müssen im Gegensatz zur Mehrheit ihrer ehemaligen LohnsklavInnen offensichtlich nicht so bald einen Antrag auf Hartz-Terror und Zwangsverarmung stellen.

Auf die naheliegende Idee, die Millionen statt dessen unter den 23.000 Menschen, die den Saftladen bis zum Schluss am Laufen gehalten und die Millionen selbst erwirtschaftet haben, aufzuteilen, kommt in diesem System niemand.

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Die soziale Frage


"Nach der Statistik kommt auf zwei Mann eine Hax'n." - "Stimmt. Der And're hat's gefressen, und ich hab zugeschaut."

(Zeichnung von Paul Schondorff [1880-?], in "Simplicissimus", Heft 26 vom 26.09.1927)

2 Kommentare:

Anabelle hat gesagt…

Sehr interessant - ich habe noch Medienberichte im Ohr, in denen die Schleckers lauthals über ihre Verarmung lamentiert haben! So furchtbar kann die Verarmung ja nicht sein, wenn das stimmt, was die Süddeutsche da schreibt.

Oder ist für einen Superreichen der Verlust von einigen Millionen, die er nie ausgeben kann, schon eine "Verarmung"? Man weiß so wenig.

Dein Fazit, Charlie, finde ich wieder mal entwaffnend klasse. Wer hätte das Geld mehr verdient als die ehemaligen Angestellten dieser dubiosen Billigfirma?

Charlie hat gesagt…

@ Anabelle: "Man weiß so wenig."

In der Tat! Man möchte bei den Mohns, Springers, Quandts oder Schleckers so gerne mal Mäuschen spielen und sie belauschen, wenn sie sich Gedanken über Reichtum und Armut machen (falls sie das tun)!

Wie das in der relativ wohlhabenden Mittelschicht in der Regel abläuft, kann ich Dir indes aus erster Hand berichten: Da seien die Armen, Schwachen, Kranken etc. selbst schuld an ihrer Misere und es bestehe kein Anlass und kein Spielraum, ihnen zu helfen - es gehe diesen "Schmarotzern" sogar noch viel zu gut.

Du kennst das Geseiere dieser nach oben Buckelnden und nach unten Tretenden ja selber zur Genüge. Es ist wohl davon auszugehen, dass sich die Haltung vieler Superreicher davon nicht wesentlich unterscheidet, sondern eher noch etwas radikaler (faschistischer) ist.

Mehr dazu in der Studie von Wilhelm Heitmeyer: "Deutsche Zustände" (1-10).