Dienstag, 5. März 2013

Kapitalismus und Faschismus, damals und heute


Seltsam genug oder auch nicht: nach meinem Eindruck wird an Gedenktagen viel über den Faschismus gesprochen, über dessen Folgen und Erscheinungsformen; selten aber über die Ursachen des Faschismus und dessen Entstehungsbedingungen. Dabei sollte doch für jeden auf der Hand liegen: gegen die Symptome des Faschismus kämpfen zu wollen, heißt, gegen die Ursachen des Faschismus kämpfen zu müssen. Welches waren also die Ursachen des Faschismus? Welches die Bedingungen für seinen Aufstieg und Sieg? Oder ein wenig anders gefragt: Wer oder was brachte Adolf Hitler an die Macht?

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Anmerkung: Hier will ich einmal mehr meine unbedingte Leseempfehlung aussprechen, denn dieser Text fasst die wesentlichsten Punkte für den Aufstieg und politischen Triumph des Faschismus zum Ende der Weimarer Republik gut lesbar und in nicht allzu komplexer Form zusammen und führt die von der Politik und den Medien bis heute kolportierte "Machtergreifung Hitlers" - die nichts weiter als eine Propagandafloskel der Nazis selbst ist - ad absurdum.

Nach der Lektüre fällt es nicht mehr sonderlich schwer, die augenscheinlichen Parallelen zwischen der heutigen und der damaligen Zeit deutlich zu erkennen und zu verstehen, weshalb das Märchen von der "Machtergreifung" von jenen Kreisen bis heute immer und immer wieder erzählt wird. Einzig den Schlussfolgerungen des Autors kann ich nicht folgen, da er als Ausweg lediglich eine "neue SPD", die "zu ihren Wurzeln" zurückkehren müsse, anbietet und gleichzeitig feststellt: "Zugegeben: ich sehe diese SPD nicht." - um sodann in einer Art religiöser Hoffnung auf Erlösung zu enden. Vielleicht ist das sein persönlicher Versuch, der totalen Resignation zu entkommen, vielleicht hegt er diese paradoxe Hoffnung, obwohl er sie in seinem Text zuvor bereits schlüssig demontiert hat, tatsächlich - ich weiß es nicht. Was ich aber weiß: Nicht einmal in meinen rosigsten Träumen kann ich mir ein Szenario ausdenken, in dem die SPD zu einer solchen - quasi revolutionären - Partei mutiert, die im Verbund mit anderen linken Gruppierungen ein antikapitalistisches, menschenfreundliches und gemeinwohlorientiertes System etablieren könnte, das die jetzige selbsternannte "Elite" endlich entmachtet und enteignet. Dieser Gedanke ist utopischer als jede existierende Science-Fiction-Geschichte, und sei sie noch so exotisch.

Dies hat aber vor allem nichts mit einer herbeifabulierten "Spaltung der Linken" zu tun - die SPD ist schlicht nicht links und war es seit mindestens 1998 auch nie. Gerade diese hochalberne Behauptung, die SPD sei eine "linke Partei", ist ja ein wesentlicher Teil der kapitalistischen Dauerpropaganda, um das Theater der "verschiedenen Parteien", die alle "völlig unterschiedliche Ziele verfolgen", aufrecht zu erhalten. In den USA ist dieses Propagandatheater bis zur Perfektion gereift - dort "streiten" regelmäßig zwei identische Parteien um die Macht. In Deutschland sind es vier bzw. fünf, wenn man die bayerischen Rechtsradikalen namens CSU mit berücksichtigt.

Ich weiß, dass es unbefriedigend ist, zu diesem existenziellen Thema überhaupt keine Lösung anbieten zu können - da ist sogar eine nebulöse Hoffnung auf ein weltfremdes Utopia, das es mit höchster Wahrscheinlichkeit niemals - jedenfalls nicht in den nächsten Jahrzehnten - geben wird, besser und leichter anzunehmen. Sinnvoller oder zielführender wird es dadurch jedoch nicht. Für den heutigen Zeitpunkt in der Geschichte muss ich feststellen: Der Faschismus ist auf dem besten Wege, erneut die Macht zu übernehmen bzw. hat dies teilweise bereits getan, und es existieren keine relevanten größeren gesellschaftlichen oder politischen Gruppierungen oder Strukturen, die seinem erneuten Triumph etwas entgegenzusetzen hätten. Diese gilt es erst zu schaffen und zu organisieren - und die SPD kann dabei gewiss keine Rolle spielen, wenn Geschichte sich nicht einfach wiederholen soll.

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Not bricht Grundsätze
[oder: Die SPD einst und jetzt]


"SPD einst: 'Nieder mit Kapital, Thron und Altar!'"
"SPD jetzt: 'Hilfe, unser Kapital und die Kirche sind in Gefahr!'"

(Zeichnung von Karl Arnold [1883-1953], in "Simplicissimus", Heft 23 vom 07.09.1931)

10 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Lieber Kapitän des Narrenschiffs, lieber 'Charly' also,

Danke für die positiven Äußerungen zu meiner Kurzanalyse. Gespannt wäre ich, ob auch andere LeserInnen meinen Schlußteil als etwas religiös empfunden haben ( g e m e i n t war es jedenfalls so nicht,'Du lieber Himmel', sagt da schon der Agnostiker!). Richtig ist: ich wollte ganz ausdrücklich am Textende die SPD 'ins Gebet nehmen' und ihr ein bißchen 'die Leviten lesen'. Ernsthafter: auch diesen Verein habe ich immer noch nicht aufgegeben, obwohl sie - für mich - seit allerspätestens 1914 nicht mehr wirklich zu den linken Parteien zählt. Für mich in zählen dieser Hinsich viel stärker manche NGO'
s zu dieser neuen Bewegung, auch Teile der Linkspartei.

Ein neues Thema, ich weiß!

Rano hat gesagt…

Guten Tag,

herzlichen Dank für diese prima Analyse. Und obwohl ich zum Establishment gehöre (BWLer, Anzugträger mit (gut bezahlter) Festanstellung), sehe ich mit Entsetzen etwas heraufziehen. Etwas zutiefst Inhumanes und Undemokratisches , dass die totale Unterwerfung unserer Gesellschaft unter die Knute der Kapitals (der "Märkte")anstrebt und jegliche Freiheit unterdrückt, außer der zu konsumieren natürlich.

Leider sehe ich keinen ernstzunehmenden Gegenpol und habe daher wenig Hoffnung.

Bitte weitermachen, brauche mehr davon.

Charlie hat gesagt…

@ Anonym bzw. Holdger: Vielen Dank für Deine Antwort. Ich habe den Schluss Deines ansonsten fabelhaften Textes deshalb als gleichsam "religiös" empfunden, weil Du - so habe ich es jedenfalls verstanden - gar keine Alternative zu der angesprochenen "neuen SPD" siehst - so als ob diese Partei für alle Zeiten und unabänderlich das politische Spektrum auf der linken Seite vertreten müsse. Das sehe ich indes völlig anders, wie ich ja auch geschrieben habe.

Der Sache wäre nach meinem Dafürhalten sehr gedient, wenn sich diese billige Unions-Kopie, die sich heute SPD nennt, einfach auflösen würde. Ich weiß, dieser Wunsch ist mindestens genauso utopisch wie die Hoffnung auf eine "neue, linke" SPD ... ;-)

Ich habe das an anderer Stelle schon einmal formuliert: Ich persönlich hielte es beispielsweise für eine richtig gute Idee, wenn wir von Italien lernen würden: eine neue Partei, gegründet beispielsweise von Georg Schramm oder Volker Pispers, hätte gewiss auch hierzulande ein nicht unbedeutendes Potenzial. Die Linkspartei dagegen halte ich für inzwischen schon zu korrumpiert als dass ich meine Hoffnungen in sie setzen könnte, und von den Piraten will ich gar nicht mehr sprechen.

Zunächst ist es aber so wichtig, das Problem des drohenden neuen Faschismus überhaupt ins Bewusstsein möglichst vieler Menschen zu bekommen - die meisten sehen das ja nicht einmal und schauen einen verständnislos an, als sei man irre, wenn man entsprechende Äußerungen zum Besten gibt - oder reduzieren das Problem gar auf den NSU und irgendwelche Nazi-Aufmärsche.

Auch deshalb finde ich Deinen Artikel so wichtig und möchte einen der zentralen Aspekte daraus noch einmal zitieren:

"Und hüten wir uns – nebenbei gesagt -, den Faschismus ausschließlich an alten Symbolen und Erscheinungsformen wiedererkennen zu wollen."

Politik und Medien arbeiten geflissentlich daran, dass den Menschen genau dies nicht bewusst wird - und da müssen wir ansetzen.

Liebe Grüße!

Charlie hat gesagt…

@ Rano: Dein Kommentar erstaunt mich (in positiver Hinsicht), denn ich kenne genügend Menschen, die sich in einer ähnlichen Stellung wie Du befinden, niemals aber auch nur ansatzweise ähnlich kritische Dinge äußern - ganz im Gegenteil. Ich hoffe, dass Du auch in Deinem Umfeld mit diesen Wahrnehmungen und Befürchtungen nicht hinterm Berg bleibst, sondern sie offen aussprichst.

Liebe Grüße!

dede hat gesagt…

ob religiös oder nicht ist doch gar nicht die frage. die spd ist teil des problems, und nicht die lösung, soviel sollte jeder verstanden haben.

Holdger Platta hat gesagt…

Lieber Charlie,

Pispers und Schramm (sowie auch Konstantin Wecker!) direkt in die Politik: das wäre schon was und hätte meine volle Zustimmung.

Und Zustimmung, ganz ausdrücklich, auch dazu, daß wir es - z. B., was die gesamte Hartz-IV-Thematik angeht - mit Neoformen von Faschismus heute zu tun haben. Da unterscheidet sich was noch graduell vom etablierten Faschismus damals, aber substantiell gibt es mehr als nur Ähnlichkeiten.

Gemeinsam mit Rudolph Bauer habe ich dazu vor einem Jahr ein ganzes Buch herausgebracht: "Kaltes Land. Gegen die Verrohung der Bundesrepublik. Für eine humane Demokratie". Mein erster Beitrag darin:"Auf dem Weg in einen 'kalten Faschismus'?" Und wenn Du in's Netz gehst (u. a. in's Archiv vom 'Spiegelfechter') und "Ein Brief ohne Antwort" anklickst, wirst Du ebenfalls fündig. Wenn Du magst, kannst Du diesen Text auch auf Deiner Website hier veröffentlichen. Sie gefällt mir, und auch die Kommentare (inklusive Kritik!) gefallen mir.

Charlie hat gesagt…

Lieber Holdger, vielen Dank für das Lob und die Buch- und Internetempfehlung - ich werde mir das sehr gerne einmal genauer ansehen, denn gerade dieses Thema bereitet mir - neben einigen anderen Themen - nun schon seit Längerem große Sorgen.

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Jetzt habe ich Deinen "Brief ohne Antwort" gelesen und muss sagen, dass er mich tief bewegt hat - ich war damals, als Clement und Müntefering ihre unsäglichen Aussprüche (Erwerbslose seien "Parasiten" und "Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen") getätigt haben, zu konsterniert und zu schockiert, um überhaupt angemessen reagieren zu können.

Ich werde Dein Angebot also sehr gerne annehmen und Deinen Beitrag auch hier noch einmal wiederholen - herzlichen Dank für die Erlaubnis dafür. Das wird ein paar Tage dauern, da ich mir erst Gedanken darüber machen und ggf. ein paar Zeilen dazu anmerken möchte. Dazu habe ich noch eine Frage: Hast Du diesen Text tatsächlich an die Dame geschickt und keinerlei Antwort bekommen?

Liebe Grüße!

Holdger Platta hat gesagt…

Lieber Charlie,

ja, ich habe tatsächlich den Brief (der ursprünglich gar kein Offener Brief sein/werden sollte) an die Dame geschickt, und es traf tatsächlich nie eine Antwort bei mir ein. Trotz mehrfacher Nachfragen...

Freilich ist eine andere Erfahrung in diesem Zusammenhang ebenfalls wichtig:

Zweimal sprach ich mit anderen Beschäftigten beim Zentralrat der Juden (telefonisch) über diese Anfrage. Diese beiden anderen Mitarbeiterinnen stimmten den Aussagen in meinem Text ohne jede Einschränkung zu. Und ganz ausdrücklich verneinten sie auch jeden Verdacht, daß man diesen Brief - an welcher Textstelle auch immer - als 'antisemitisch' bezeichnen könnte.

Mir war (und ist!) das wichtig, weil ich in der Tat keinerlei Interpretationen in dieser Richtung Vorschub leisten wollte (und will).

Liebe Grüße auch von mir
Holdger Platta

dani hat gesagt…

@ rano

der gegenpol - das sind wir - du und ich - und all die anderen, die BEWUSST UND KLAR hinschauen können und sehen was passiert.
und nicht die klappe halten!!!!! :-)

herzlichen gruß
dani

Charlie hat gesagt…

@ dede: So klar ist das offensichtlich nicht allen - ich kenne auch genügend Beispiele dafür aus meinem eigenen Umfeld. Erst kürzlich unterhielt ich mich mit jemandem ausführlicher über Merkels Katastrophenkurs und dessen schlimmen Auswirkungen für ganz Europa ... und als wir dann zu dem Punkt kamen, wie man diesen Wahnsinn stoppen könne, schallte mir ein "Steinbrück wird's schon richten" entgegen. Als meine Kinnlade dann in Richtung Bauchnabel kippte und ich vorsichtig nachfragte, wurde ich belehrt: Die Sozialdemokratie sei die einzige Option - in der "PDS" säßen ja sowieso nur "ewig Gestrige" aus der SED-Diktatur der DDR.

Noch Fragen? ;-) Ich hatte keine mehr und bin gegangen und habe mich betrunken.

Liebe Grüße!