Montag, 1. September 2014

Journalismussimulation: Wenn der Mainstream einen Hauch Realität erschnüffelt


In seinem Blog bei "standart.at" hat der österreichische Journalist Robert Misik vor kurzem einen kleinen Text veröffentlicht, den er mit der folgenden Überschrift versehen hat:

"Wenn die Welt am Abgrund torkelt / Wohin man blickt: Kollaps- und Zusammenbruchserscheinungen"

In der frohen Hoffnung, endlich einmal Klartext von einem zumindest halbwegs "etablierten" Mainstream-Journalisten, der gelegentlich sogar schon vergleichsweise an Vernunft grenzende Artikel veröffentlicht hat, lesen zu dürfen, in dem nun auch Ross und Reiter beim Namen genannt und vielleicht sogar der eine oder andere Hintergrund beleuchtet werden könnte, öffnete ich den Text - und blickte völlig entgeistert auf drei einsame, kleine Textabsätze nebst einem Schlusssatz. Nein, Klartext ist hier natürlich nicht zu erwarten, Hintergrundinformation erst recht nicht.

Es scheint für heutige Mainstream-Journalisten schon einer ausgewachsenen Novemberrevolution biblischen Ausmaßes gleichzukommen, wenn überhaupt einmal der zarte Versuch gewagt wird, leicht zweifelnde Fragen diffus in den Raum zu stellen, die eine mögliche Verbindung von "Finanzkrise", "Wirtschaftkrise" und drastisch zunehmenden Kriegen weltweit zum Inhalt haben - nur um sie gleich danach durch einen albernen, das vorher ultraleicht Angedeutete sofort wieder ins Absurde ziehenden Schlussatz zu relativieren. Diese drei Absätzchen illustrieren ganz vorzüglich die totale Bankrotterklärung des westlichen, "freiheitlich-demokratischen" Journalismus' und entblößen ihn unfreiwillig als wesentlichen Bestandteil der kapitalistischen Dauerpropaganda.

Es ist fast unnötig zu erwähnen, dass weitere wesentliche Bestandteile der momentanen, auf Untergang gestimmten Endphase des kapitalistischen Zyklus' - wie etwa die massiv anwachsende Armut bis hin zum furchtbaren Elend auch inmitten der Zentren der kapitalistischen Geld- und Prunk-Burgen, die gleichzeitige Anhäufung von absurdesten Super-Vermögen in den Händen einiger weniger offensichtlich geistesgestörter Individuen oder auch das zum absurden, gar grotesken Theater aufgeblähte Wahl- und Medienspektakel des pseudodemokratischen Buhlens gleichgeschalteter neoliberaler Blockparteien um "Wählerstimmen" - in diesem Textlein gar nicht erst vorkommen. Die Worte "Kapitalismus", "Neoliberalismus", "Korruption" oder meinetwegen auch irgendwelche Synonyme dieser Begriffe kommen dort gar nicht erst vor - die bösen Katastrophen brechen auch in Misiks kleiner rosafarbenen Kindergartenwelt offenbar wie von Geister- oder Gotteshand geführt quasi schicksalhaft über die armen Menschen herein, die dem teuflischen Unheil scheinbar hilflos ausgeliefert sind.

Eigentlich würde und müsste ich solchen Blödsinn schon seit vielen Jahren gar nicht mehr lesen und ihn erst recht nicht mehr bewerten - wenn es da nicht das kleine fatale Detail gäbe, dass trotz aller offenkundiger Absurditäten noch immer eine große Anzahl von Menschen dieser strunzdummen Propaganda regelmäßig auf dem Leim geht und sie - man fasst das nicht - gar für mehr oder weniger "unabhängige" Informationen hält.

Was treibt beispielsweise einen Herrn Misik dazu, aus dem reichhaltigen Fundus der gegenwärtigen Untergangssymptome nur einige wenige herauszugreifen, sie aneinanderzureihen und nicht einmal um sieben Ecken die Frage nach den tatsächlichen Ursachen dafür zu stellen, die ja wahrlich nicht schwer zu ermitteln sind? Misik ist gewiss kein dummer Mensch - was also treibt jemanden wie ihn an? Ist es denn wirklich so profan, dass einjeder nur an seine eigene "berufliche Existenz", das eigene Bankkonto, die eigene "Stellung" in diesem völlig verkommenen, pervertierten System denkt?

Wenn das zuträfe, hätten die perversen Eigennutzmehrer der neoliberalen Bande das Spiel einmal mehr gewonnen - und anachronistische Relikte wie ich stürben demnächst aus. Ich bin geneigt, den Konjunktiv an dieser Stelle als einen letzten Rest meines humanistischen Wunschdenkens anzusehen.


"Die Freiheit der Presse."

(Zeichnung von Thomas Theodor Heine [1867-1948], in "Simplicissimus", Heft 40 vom 31.12.1918)

3 Kommentare:

artikulant hat gesagt…

Standard-Boss Oscar Bronner ist regelmäßiger Teilnehmer bei den Bilderbergern ... Axel Springer war anfangs sogar finanziell bei der Gründung des Standard beteiligt!
Tut mir leid, sowas kann ich nicht lesen

Charlie hat gesagt…

@ Artikulant: Ich lese so etwas ja auch nicht gerne - ignorieren dürfen wir es aber auch nicht, denn die Mainstreammedien sind weiterhin die "Informations"-Quelle Nr. 1 für die Mehrheit der Menschen - so traurig bzw. fatal das auch sein mag.

Eine Chance auf einen halbwegs zivilisierten Ausweg aus diesem Irrenhaus kann sich erst dann ergeben, wenn sich die Mehrheit der Menschen tatsächlich bewusst ist, dass die in die Welt posaunten "Nachrichten" der Systemmedien nichts anderes sind als dumpfe Propaganda. Davon sind wir heute aber leider noch weiter entfernt als vom Jupiter.

Ich habe gerade gestern mal wieder einen Selbstversuch gestartet und mir anlässlich eines Besuches bei der Familie das "heute journal" vorgeknöpft. Was soll ich sagen - ich habe es exakt vier Minuten ausgehalten, danach war mein Blutdruck auf 250 und ich musste mit hochrotem Kopf den Raum verlassen, da ansonsten das TV-Gerät Schaden genommen hätte.

Ich war der einzige, dem es so ging. Alle anderen - und das waren durchaus intelligente Menschen mit akademischem Hintergrund - haben Klebers schmierigen Propagandasermon willig geschluckt als sei nichts normaler auf dieser Welt.

Ich kann mir das nicht mehr erklären. Um so wichtiger finde ich es, auch weiterhin immer wieder mit dem Finger auf diese Schmutzschleudern zu zeigen und laut "Du Doof!" zu schreien - wie sollten andere Menschen sonst angestoßen werden, über den Irrsinn, den sie da konsumieren und für bare Münze nehmen bzw. "freiheitlich-demokratische" Informationen nennen, endlich einmal nachzudenken?

Liebe Grüße!

artikulant hat gesagt…

Du hast recht, man muß ihre Lügen entlarven wo immer es geht!
Mir (in Ö) geht es ähnlich mit dem ORF und seinen ZiB Nachrichten. Der wiederholte Konsum dieser Heuchelei ist auf Dauer für einen denkenden Menschen gesundheitsschädlich.
LG