Samstag, 30. Mai 2015

Realitätsflucht (21): Gothic 3


Heute verschlägt es mich auf meiner Realitätsflucht - wie zuvor schon angekündigt - ins wunderbare Fantasyreich Myrtana, dem Spielzentrum von Gothic 3. Es gäbe zur Entstehung dieses Spieles sicherlich einer Menge zu sagen - schließlich war es 2006 der dritte Teil der bis dato überaus erfolgreichen und wegweisenden Gothic-Reihe des kleinen Entwicklerstudios Piranha Bytes und gleichzeitig ein Paradebeispiel für das kapitalistische Zerstörungswerk, dem jeder kreative Prozess in diesem System unterworfen ist, so dass das Spiel unfertig und derartig verbuggt auf den "Markt" geworfen wurde, dass es schlichtweg unspielbar war.

Die Wellen schlugen damals hoch - letztlich hat aber eine völlig "marktfremde" Macht dafür gesorgt, dass dieses damals lang ersehnte Spiel heute in einer zwar immer noch nicht vollkommen fehlerfreien, dafür aber gut spielbaren Fassung vorliegt. Verantwortlich dafür ist nicht etwa das Entwicklerstudio, sondern die so genannte "Gothic 3 Community" - es war eine Gruppe von Fans dieser Spielereihe, die in langwieriger und harter Arbeit aus dem unfertigen Monstrum ein halbwegs gutes Spiel gemacht hat, und es bedarf sicher keiner Erwähnung, dass diese Leute für ihre umfassende Arbeit nicht bezahlt wurden, sondern gänzlich andere Motive für ihr Tun hatten. Merkel, Lindner, Göring-Eckardt oder Gabriel erlitten lebensbedrohliche, hysterische Schreikrämpfe, wenn sie diese kapitalistische Gotteslästerung auch nur zur Kenntnis nähmen. Wer das Spiel heute käuflich erwirbt, kann daher im Intro nach den üblichen Hinweisen auf den Entwickler Piranha Bytes und den Vertrieb JoWooD auch einen deutlichen Hinweis auf das "CPT G3" - das "Community Patch Team - Gothic 3" - entdecken. Auch am Schluss, wenn das Abenteuer vorbei ist, sind zuerst die Namen der unentgeltlich tätigen Patcher zu sehen, bevor der reguläre Abspann anläuft.

Aber das nur am Rande. Dieses Rollenspiel ist ebenso grandios, wie es sperrig ist. Wer beispielsweise aus der wunderbar organisierten Skyrim-Welt zurück ins Gothic-Universum wechselt, wird sich sehr schnell und sehr nachhaltig wundern und verloren vorkommen - denn hier gibt es keine Questmarker, keine sprachlichen Wegweiser und erst recht keine spielinternen Hilfen. Und das ist durchaus beabsichtigt, denn der Spieler soll gefälligst mitdenken, sich Notizen machen und nicht bloß einer vorgefertigten Geschichte folgen.

Entsprechend offen ist nicht nur die Spielwelt, sondern auch die Geschichte - es obliegt allein dem Spieler zu entscheiden, ob er im von den Orks besetzten Myrtana die Seite der freiheitsliebenden Rebellen oder die der Besatzer wählt, und entsprechend unterschiedliche Aufgaben hat er zu erledigen. Es versteht sich quasi von selbst, dass ich das Spiel als großer Befreier gespielt habe und die fiesen Invasoren in epischen Schlachten aus dem Land getrieben habe. Auch muss ich nicht extra erwähnen, dass mir gerade diese Schlachten außerordentlich viel Spaß bereitet haben - auch wenn diese zum Teil äußerst kniffelig sind und sich - wie sollte es auch anders sein - insbesondere die Magier (Esoteriker) als besonders schlimme Gegner erwiesen haben, die einen strahlenden Helden, der ansonsten jeden Gegner mit ein, zwei Hieben mühelos umhaut, innerhalb kürzester Zeit ins Jenseits befördern können, wenn man nicht höllisch aufpasst. So sind sie eben, die Esos.

Natürlich kann man das Spiel auch in der Rolle eines Magiers durchspielen - mir ist das allerdings so fremd, dass mir ein solcher Gedanke gar nicht in den Sinn gekommen ist. Ich habe es - in bisher zwei Versuchen - stattdessen einmal als Nahkämpfer mit brachialen Äxten und einmal als Fernkämpfer mit einer entspannt zu bedienenden Armbrust versucht - und ich kann Menschen, die ein ruhiges Spielerlebnis suchen, die letztere Variante nur wärmstens empfehlen. In diesem Zusammenhang sei nur am Rande erwähnt, dass Kiffen, Saufen und Prügeleien hier herrlich inkorrekt zum typischen Tagesablauf der Spielfiguren gehören.

Die deutsche Sprachausgabe ist professionell, die Musik kann sich an jedem albernen Hollywood-Schinken messen lassen. Bugs gibt's im Spiel immer noch, allerdings sind mir keine storyrelevanten Ungereimtheiten aufgefallen. Ich habe das Werk auf einem Win7/64-System gespielt - abgesehen von langen Lade- und Speicherzeiten und ein paar wenigen Abstürzen gab es nichts zu bemängeln.

Their greatest weapon is fear
Mankind has lost all hope
But in the heart of one man
The Revolution begins

Woran erinnert mich das - abgesehen von üblichen Hollywood-Nebelkerzen - bloß? :-)


4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ich weiß nicht, wie oft ich Gothic 2+3 durchgespielt habe. Lange Zeit ein Dauerbrenner. Ich habe es in jedmöglichen Form durchgespielt.

Und ja, zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich dabei auch mal die Rebellen verjagen musste. Aber, es tat mir immer leid, wenn ich ein Lager auslöschen musste ;)

Als Magier habe ich erst Jahre später mal gespielt. Das ist echt am einfachsten. Feuerball gelernt, geskillt und gib ihm. Ganz bequem aus der Ferne.

Schade fand ich in Gothic 3 (nicht) nur, dass dort so viel Platz für so wenig Ideen verschwendet wurde.

Ich gehöre zu jenen, die auf die Story erstmal Kacken. Da wo ich hin will, da geh ich hin. Auch in Gothic, konnte ich trotz der größten Gegner und dem schwächsten Char immer da hin, wo ich wollte. Gerade das, finde ich auch eine Stärke von Gothic, da wird nichts komplett verbaut, da gibt´s immer einen Weg drum herum. Wie gesagt, man muss nur mal nachdenken ;)

Genauso eine Stärke ist aber auch das Leveldesign. Einmal irgendwo hin, sich rum gedreht, und man weiß nicht mehr wo man ist. Oder, hinter einer Ecke, eine völlig neue Szene. Einfach interessant.

Besonders gut war das in G2. Da gab es nicht Fackeln in der Wüste und eine Kiste dazu (wer nimmt seine Kiste bitte schön mit in die Wüste und lässt sie da stehen, sorgt aber noch dafür, dass sie sich Nachts nicht fürchten muss indem er die Fackeln anmacht???!). Nein. In G2 ergaben solche Szenen auch einen Sinn. Das mag ich sehr. Praktisch ein Stilleben wo eigentlich nichts passiert, man sich aber trotzdem viel dazu vorstellen kann.

Und ja, die "liebe" 3... sooooo schade. Wie hatte ich mich gefreut, bevor das raus kam und nach dem es raus kam. Leider hatte ich beim Release keinen entsprechenden PC. Ich konnte also immer nur Videos und Bilder sehen. Mann war das Cool. Die Vorstellung, dass die Stimmung und das Gameplay aus G2, jetzt auch grafisch nachgezogen hat.

Letzlich ging´s dann so.

Ich merke, dass ich noch sooo viel zu schreiben hätte. Ich glaub, ich kann den Standort eines jeden Blattes in Gothic nennen, so oft und gerne hab ich das gezockt. Doch nein, wirklich genug jetzt ;)

Charlie hat gesagt…

Danke für die späte Antwort. :-) Es ist schön zu wissen, dass es da draußen zumindest noch vereinzelte Menschen gibt, die ähnlich begeistert von dieser (aussterbenden) Art von Spielen sind.

Es ist ja nur tragisch zu nennen, welchen Niedergang Piranha Bytes da in wenigen Jahren hingelegt haben - nach den Gothic-Titeln (wobei der dritte Teil ja auch zunächst ein unspielbares Fiasko war, was erst später behoben wurde) über das noch ganz gute "Risen" hin zu den Totalausfällen "Risen 2 und 3": Das muss man erst einmal schaffen. Es ist eigentlich ein Wunder, dass es dieses Studio immer noch gibt - oder anders gesagt: Das Publikum wird offensichtlich immer anspruchsloser und debiler.

Ich will mir gar nicht ausmalen, wie schauderhaft "Elex" wohl ausfallen wird.

Ja ja, früher war alles besser! :D - Manchmal stimmt der olle Spruch aber leider.

Liebe Grüße!

Arbo hat gesagt…

Während ich Gothic 1 und 2 mit Begeisterung durchspielte, habe ich bei Gothic 3 irgendwann einfach aufgehört. Kann sein, dass mir das 'hierhin und dorthin' zu viel war. Keine Ahnung, angefühlt hat sich das mE aber nicht mehr so wie bei G1&2, was auch daran liegen kann, dass die Welt bei G3 größer ist - zumindest hat sich das für mich so angefühlt.

Nichtsdestotrotz stimme ich zu, dass es vom Flair her immer noch ganz gut ist und nur noch wenige Spiele zu finden sind, die das leisten. Kürzlich habe ich mir im Sonderangebot bei GOG nochmal Oblivion besorgt, habe es aber kurz nach der Installation wieder gelöscht...

Dragon Age hat mir noch sehr gefallen. Aber damit hört's langsam auch auf.

LG
Arbo

Charlie hat gesagt…

@ Arbo: Du hättest "Oblivion" nicht löschen, sondern ergänzend das kostenlose "Nehrim" installieren sollen. Wenn Du dieses Spiel noch nicht kennst, wird es Dich umhauen, da bin ich mir fast sicher. :-)

Ich befinde mich seit Wochen auf meinem zweiten Besuch dort und habe erst gestern den Erfolg "Raumzeitkrümmung" erhalten, den man für 80 Stunden Gameplay bekommt. Und dabei ich bin gerade mal am Anfang des zweiten von vier (oder waren es fünf?) Kapiteln. Das Spiel ist grandios - danach will niemand mehr "Oblivion" spielen.

Liebe Grüße!