Montag, 27. Juli 2015

Zitat des Tages: Herbstgefühl


Der große, abendrote Sonnenball
rutscht in den Sumpf, des Stromes schwarze Eiter,
den Nebel leckt. Schon fließt die Schwäre breiter,
und trübe Wasser schwimmen in das Tal.

Ins finstre Laub der Eichen sinken Vögel,
Aasvögel mit den Scharlachflügeldecken,
die ihre Fänge durch die Kronen strecken,
und Schreien, Geierpfiff, fällt von der Höhe.

Ach, alle Wolken brocken Dämmerung!
Man kann den Schrei des kranken Sees hören
unter der Vögel Schlag und gelbem Sprung

wie Schuss, wie Hussa in den schwarzen Föhren
ist alle Farbe! Von dem Fiebertrunk
glänzen die Augen, die dem Tod gehören.

(Paul Boldt [1885-1921], in: "Die Aktion", Nr. 34 vom 21.08.1912)

Anmerkung: In einem Nachruf auf den so früh verstorbenen Dichter, der schon zu Leb- und Leidenszeiten verstummte und im Vergessen versank, hieß es 2014 [sic!]: "Heute lebt niemand mehr, der Paul Boldt beschreiben könnte. Kein Bildnis hat sich erhalten, kaum Handschriftliches. / Das Überlieferte ist überschaubar, schnell gelesen: 85 Gedichte, zwei Prosa-Miniaturen, sechs Postkarten aus dem Jahre 1913. Das Wenige aber ist von elementarer Kraft, explosiv. / Vor hundert Jahren erschien der einzige Lyrikband des am Silvestertag 1885 geborenen Paul Boldt. 'Junge Pferde! Junge Pferde!' wurde von Kurt Wolff als elfter Band in der Reihe 'Der jüngste Tag' herausgegeben und machte den Verfasser schlagartig bekannt." - Das Sonett ist ein beredtes Beispiel für das "Lebensgefühl" in einer untergehenden Zeit der kapitalistischen Habgier, die als "Krisenlösung" bekanntlich einzig den bis dahin furchtbarsten Weltkrieg zur Folge hatte.

Heute treffen Boldts bittere Worte erneut das Herz der ausgeplünderten Menschheit auf der doch so "reichen" Insel des "zivilisierten Westens" [lol!]. Die ersten Stellvertreterkriege sind längst im Gange, und der nächste Weltkrieg steht unweigerlich vor der Tür, wenn dem widerwärtigen Treiben der kapitalistischen Bande nicht endlich, endlich Einhalt geboten wird.

Heute gibt es keine Zeitschrift wie "Die Aktion" und keine Verlage wie den Kurt-Wolff-Verlag mehr, die derartige "zeitgeistliche" Texte publizieren und damit viele Menschen erreichen könnten - wir sind stattdessen umfassend eingelullt von der allgegenwärtigen Propaganda und kontinuierlichen Ablenkung und "Unterhaltung" der kapitalistischen Medienindustrie. Die Lage ist somit noch viel aussichtsloser als sie es 1912 gewesen ist. Es bedarf wahrlich keiner großen intellektuellen Kompetenz, sich die drohenden Folgen in der heutigen Blütezeit der Massenvernichtungswaffen und totalen Überwachung auch nur rudimentär auszumalen.

Boldt schrieb an anderer Stelle (in dem Gedicht "Der Dichter", 1914):

Sein Mund geht lüstern auf. Er lächelt wild.
Hinter die Zähne bergend seinen Schrei.

Es ist kein großes Mysterium, dass es dennoch weiterhin erschreckend ruhig bleibt im perversen Lande Kapitalistan.


5 Kommentare:

jakebaby hat gesagt…

"Heute gibt es keine Zeitschrift wie "Die Aktion" und keine Verlage wie den Kurt-Wolff-Verlag mehr, die derartige "zeitgeistliche" Texte publizieren und damit viele Menschen erreichen könnten - ..."
Potchen ... Charlie! .. das hat damals schon ueberhaupt Nichts verhindert und heute existiert derlei Publikation, welche heute wie damals eh nur ein promillisches Fragment der Gesamtbevoelkerung(auch mich ausgeschlossen)versteht, nicht einmal mehr.

"Es bedarf wahrlich keiner großen intellektuellen Kompetenz, sich die drohenden Folgen in der heutigen Blütezeit der Massenvernichtungswaffen und totalen Überwachung auch nur rudimentär auszumalen."
Es bedarf wahrlich auch keiner großen intellektuellen Kompetenz zu erkennen, dass selbst keine grosse intellektuelle Kompetenz existiert. Selbst Intelligenz ist kaum noch rudimentaer, da wir stattdessen umfassend eingelullt von der allgegenwärtigen Propaganda und kontinuierlichen Ablenkung und "Unterhaltung" der kapitalistischen Medienindustrie ....etc. blabla taeterae .... sind!
Alles verwirrend richtig/kontraer und umfangreich upgefucked ... Mission accomplished! ... Well done ... Fuck Yawl ...

Jetz kann ich dir ja ein paar Zilliarden Organismen (inklusive der Handvoll Menschen) nennen, welche nur mal unter dem Scheiss dieses dummmutierten Affen zu leiden haben. Muss ich nicht, die kennst du auch. ....

Wann solls denn gerne zu spaet sein, wenn nicht Vorgestern ...

jakebaby hat gesagt…

Nochwas,

"Die ersten Stellvertreterkriege sind längst im Gange, und der nächste Weltkrieg steht unweigerlich vor der Tür, ....." .... vor der Tuer?

Der "naechste Weltkrieg" wuetet seit '45.
Seither bis heute, gibt es wohl kaum einen Flecken auf diesem Planeten, welcher nicht mehr denn weniger in militaerisch/wirtschaftlich/stellvertretendverheuchelt-religioes'ideologisch'rassistisch ... verschissene Globalkriegshandlungen eingebunden ist .. und ja, logisch? .. nicht nur aber vor Allem das unersaettlich westliche Arschloch lechzt, kompromiss&alternativlos, nach seinem "Totalen Krieg".
Das darfst du gerne mit Kapitalismus um/be-schreiben. Nach den paar Jahren Mensch auf diesem Planeten, ist es schlichtweg Mensch ... Nature's Way, ... against Nature and Itself!
Und dem allereinzigen Arschloch auf diesem Planeten, welches sich staendig ueber die heftig fortschreitende Zerstoerung Desselben und natuerlich Sich Selbst sorgt und ereifert, und mir staendig erklaert den Planeten und vor Allem Sich Selbst so unbedingt vor Sich Selbst retten zu muessen, kann ich nicht mal mehr ein muedes Laecheln schenken.

Weiter so, schneller bitte, damit der Schrecken ein Ende nimmt. ? ... Darum muss ich nicht mal betteln ....


Charlie hat gesagt…

@ Jake: In diesem Punkt bleiben wir eben bis auf weiteres unterschiedlicher Meinung: Ich halte die globale Katastrophe der Menschheit nicht für eine Folge der "human nature" generell, sondern mache die grenzen- und gnadenlose Hab- und Machtgier einzelner Individuen dafür verantwortlich, die durch ihr perverses Handeln - systemisch bedingt - tatsächlich und kontinuierlich unermessliche Handlungsspielräume, Privilegien und Reichtümer für sich selbst generieren. Daran ist meines Erachtens nichts "Natürliches" zu finden - auch wenn gerade radikale Kapitalisten das immer wieder gebetsmühlenartig behaupten, um ihre eigene Perversion zu rechtfertigen.

Die eine "menschliche Natur" gibt es meiner Meinung nach ohnehin nicht. Es gibt lediglich Menschen und entsprechend viele - durchaus sehr unterschiedliche - "menschliche Naturen" auf der einen, und es gibt ein über viele Jahrhunderte geschaffenes Feudalsystem auf der anderen Seite, das eine winzige Minderheit privilegiert und dem Rest der Menschheit das letzte Hemd klaut und ihn geichzeitig fortwährend psychisch und emotional beschädigt, was entsprechend böse Folgen hat.

So jedenfalls erkläre ich mir das menschliche Desaster - und es kann durchaus sein, dass ich mich hier auf einem Holzweg befinde. Solange ich aber immer wieder Menschen sehe, denen Hab- und Machtgier zum eigenen Vorteil am Arsch vorbeigehen und die dafür durch Empathie, Humanismus und Hilfsbereitschaft glänzen, gebe ich diese Sichtweise nicht auf.

Liebe Grüße!

Fluchtwagenfahrer hat gesagt…

Moin,
Wachstum, Wachstum sagt Mutti (und der Krebs in mir)
das Endergebnis ist das Gleiche.

Charlie hat gesagt…

@ Fluchtwagenfahrer: Wenn ich Deine Mailadresse hätte, würde ich Dir dazu gerne einige persönliche Worte schreiben, sofern Du tatsächlich krebskrank bist. So muss ich das leider bleiben lassen, denn der Inhalt gehört wirklich nicht in die öffentlich lesbare Kommentarspalte eines Blogs. :-(

Liebe Grüße!