Samstag, 9. Januar 2016

Lesetipp: Auflösung. Ein Nekrolog auf den Humanismus


Zum Wochenende möchte ich einen dringenden Lesetipp loswerden, der dabei hilft, so manche dunkle Gedankenwolke zu erhellen und die aktuellen Katastrophen und Untergangsszenarien im sich auflösenden Europa ein wenig besser zu verstehen. Dieser Text von Rainer Trampert sei jedem ans Herz gelegt, der sich verzweifelt fragt, warum diese Welt heuer einmal mehr - wie stets begleitet von populistischen, allzu schrillen, grotesk-stumpfsinnigen Erklärungsversuchen, die allesamt nichts mit der Realität zu tun haben - am Abgrund hängt.

Das ist keine leichte und erst recht keine erfreuliche Lektüre - aber sie hilft ungemein beim Verständnis. Ich könnte gleich abschnittsweise aus diesem Text zitieren, und auch wenn in wenigen Detailfragen durchaus die eine oder andere Kritik angebracht ist, beschränke ich mich hier auf das Fazit des Verfassers und hoffe, dass auch der sehr lesens- und bedenkenswerte, äußerst informative Rest von möglichsten vielen Menschen gelesen wird. Trampert resümiert:

Durch die historischen Niederlagen und Deformationen der kommunistischen, anarchistischen, sozialistischen und emanzipatorischen Visionen und Kämpfe fehlt heute das Korrektiv, das die religiös-fanatischen, nationalen, marktkonformen, ethnischen, tribalen, männerkultigen, rassistischen und faschistischen Wucherungen bremsen könnte.

Linke haben mitgeholfen, sich zu demontieren. Postmodern Gewordene ersetzten die Kritik an der Klassengesellschaft durch den Konsum und den positiven Geist, Linkskeynesianer erzählten, ein böser Neoliberalismus sei über die Menschheit gekommen. Demnach müsste es vorher einen guten Kapitalismus gegeben haben, zum Beispiel den in den "sozial-staatlichen keynesianisch geprägten sozialdemokratischen Jahrzehnten nach 1945" (Altvater), zu dem auch Helmut Kohl mit seiner geistig-moralischen Wende zurück wollte. In der Krise flüchteten Linke sich in die Kritik der Finanzen, adelten so die Ausbeutung und Entfremdung der Menschen im Mehrwertbetrieb und schoben alle Schuld auf New York, Finanzen, Banken, Spekulanten und benutzten auch all die anderen antisemitisch konnotierten Begriffe.

Hier ist prägnant zusammengefasst, was all die kurzsichtigen, durch ihren jeweiligen (durchaus unterschiedlichen) Tellerrand eingesperrten Pseudokritiker des kapitalistischen Wahnsinns - von "Pegida" über "Propagandaschau", "Ken Jebsen" und "Nachdenkseiten" bis hin zu den aktuellen politischen Karikaturen von den Grünen, der SPD und der Linkspartei - eint. Selbst den esoterischen Realitätsverweigerern bzw. Sektierern ist ein kleiner Nebensatz gewidmet.

Ich habe zwar wenig Hoffnung, dass dieser gute Text, der auch in der Jungle World erschienen ist, die richtigen bzw. eigentlich erforderlichen LeserInnen finden wird, möchte aber trotzdem meinen bescheidenen Beitrag zur Verbreitung leisten. Wenn auch nur ein Depp der "Pegida"-, "Jebsen"- oder "Propagandaschau"-Fraktion oder ein Fanboy/-girl der "Nachdenkseiten", des "Spiegelfechters" oder der Linkspartei zum eigenständigen Denken und Verstehen auch jenseits des individuellen Horizontes angeregt wird, wäre schon etwas - wenn auch nicht viel - gewonnen.

Das rassistische Hohlkopfvirus erlebt momentan quer durch alle genannten Fraktionen eine widerwärtige Renaissance, die ich selbst in meinen schlimmsten Albträumen nicht für möglich gehalten habe.

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Der letzte Demokrat


"Der liebste Platz, den ich auf Erden hab', das ist die Rasenbank am Elterngrab."

(Zeichnung von Karl Arnold [1883-1953], in "Simplicissimus", Heft 27 vom 05.10.1931)

18 Kommentare:

altautonomer hat gesagt…

Trampert hat bereits im Juli 2014 einen in der linken Wahrnehmung kaum beachteten aber sehr sympatischen guten Text entgegen vieler Prognosen so mancher Blogger verfasst:

http://www.rainertrampert.de/artikel/die-linke-endzeittheorie

"Die Marktwirtschaft ist so flexibel, dass sie durch die von ihr angeheizte Erderwärmung Länder überflutet und sich gleichzeitig als Instandsetzungsbetrieb anbietet, der den Niederlanden schwimmende Städte liefert und in Bangladesch Millionen den Fluten überläßt."

Zum Text heute: Linke Parteisoldaten streben danach, den Kapitalismus als Parlamentarier und demnächst vielleicht sogar Koalitionäre mitzuverwalten. Sie nennen es "überwinden"!

Anonym hat gesagt…

Tja, die Propagandaschau. Ich hab da eine Zeitlang mitgelesen, aber seit klar ist, daß man laut deren Definition gegen Flüchtlinge sein muß wenn man gegen Massenmedien ist, denn die verbreiten ja IMMER Lügen, kann ich da nicht mehr lesen ohne schlimme Bauchschmerzen zu kriegen.

Danke für den Trampertext, der erklärt vieles von dem was ich bisher nicht verstanden habe.

Reicht Kotzen noch aus oder sollen wir uns besser alle umbringen damit wir das Finale nicht mehr erleben müssen?

Charlie hat gesagt…

Ich habe keine Mühen gescheut und mir das aktuelle Video des gegelten Schlips-Borg Ken Jebsen versucht anzusehen. Allerdings bin ich nicht über die ersten Minuten hinausgekommen, denn dort stellt der Schwachmat einen seiner Gäste, nämlich den bedauernswerten Dirk C. Fleck, der vermutlich gar nicht weiß, in welchen Jauchegruben er sich dort aufhält, mit den folgenden Worten im gewohnten, fast nicht zu folgenden Staccato-Rhythmus vor:

"Dirk C. Fleck, Urgestein als Journalist, aber seit geraumer Zeit auch als Autor tätig; er hat seinen neusten Roman mitgebracht, einen Endzeitroman; am Ende dieses Endzeitromanes gibt es einen Schauprozess gegen Barack Obama, alles aber, was ihm vorgeworfen wird, basiert tatsächlich auf Fakten, dabei habe ich noch gelernt; toll, dass Sie hergefunden haben, Herr Fleck."

Bei der Lektüre hat also "sogar" Herr Allwissend-Jebsen "noch gelernt". - Mehr muss man über diesen skurrilen Spinner, der sich ganz offensichtlich im Besitz der goldenen Löffel der umfassenden Weisheit wähnt, wirklich nicht wissen. Ein Text wie der verlinkte Beitrag von Trampert bleibt für Jebsen gewiss ein Buch mit sieben Siegeln - oder eine böse Provokation, die sein schlichtes Donald-Duck-Weltbild angreift.

Dieser Mann ist unerträglich. Es ist mir ein vollkommenes Rätsel, dass diesen Deppen überhaupt jemand ernst nehmen kann.

Fluchtwagenfahrer hat gesagt…

Moin Charlie, danke für den Lesetipp.
Passt. Und was kommt bzw. passiert jetzt im großartigem Land der Smartphonewischer, Big Brothergucker, Gehetzten und "ALTEN".
Wer kann und will das aufhalten? Ich hatte mal vor Jahren ein Buch gelesen mit dem Titel "Die Schlafwandler" oder so ähnl., es ging darum wie es zum 1 WK kam. Paralelen kann ich auch jetzt erkennen. Wenn es zu ungemütlich wird, komm zu mir aufs Land im Norden, Gästezimmer ist da.

LG

p.s. Meine Prognose, diese Jahr wird noch viel härter als die vergangenen Jahre, also immer schön Kopf einziehen.

altautonomer hat gesagt…

Amüsante Passage aus dem Text:
"In der Sendung „Was nun Frau Merkel?“ fragten Bettina Schausten und Peter Frey: „Hat Ihr Herz über Ihren Verstand gesiegt?“ Und was sie denn darauf antworte, dass Deutsche Angst davor hätten, „Fremde im eigenen Land zu werden“. Die sinnvolle Antwort, dass noch immer zu wenig Therapieplätze für Journalisten frei sind, darf sie nicht geben."

epikur hat gesagt…

Ach ja, die Antideutschen. Leider immer noch innerhalb der politischen Linken eine recht große, aber sehr unangenehme Splittergruppe. Auch die Jungle World und Konkret zählen sich wohl dazu und auch Rainer Trampert. Anstrengende linke Gruppe ist das. Ihr zählt euch wohl auch dazu, hm? Also Du Charlie und der Altautonome? Wenn ja, wird mir langsam so einiges klar ;-)

Die USA kritisieren bedeutet bei den Antideutschen IMMER, dass man sofort ein Antisemit ist, weil dort ja Juden leben und vor allem in der Finanzindustrie und in der Politik sehr aktiv sind. Also wird der gesamte imperialistische Aspekt der USA komplett ignoriert und ausgeblendet. Gibt es bei den Antideutschen einfach nicht. Auch die israelische Besatzungspolitik sowie die Gaza-Kriege werden komplett ausgeblendet, weil wer das tut ist (na was?), genau, ein Judenhasser und Antisemit.

Ich hatte vor vielen Jahren als ich noch bei Solid (Jugendorganisation der Linkspartei) aktiv war, viel mit Antideutschen zu tun. Rechthaberisch, verbohrt und dogmatisch ohne Ende. Und überall wittern und sehen sie Antisemiten. Es gibt regelrechte interne Listen, wen sie alles zu Antisemiten zählen. Das ist richtig böses Denunziantentum und Rufmord, was sie teilweise betreiben. Sie allein fühlen sich als die einzig wahren und echten Linken. Diskussionen zwecklos.

Die Propagandaschau indessen wird gerade wirklich unerträglich. Während ich die kritischen Beiträge zur Öffentlich-Rechtlichen Berichterstattung zu den Themenkomplexen Syrien, Griechenland und Russland/Putin noch teilweise informativ fand, so ist die fremdenfeindliche Hetze, die jetzt betrieben wird, komplett zum Kotzen.

Charlie hat gesagt…

Ach, Epikur. Manchmal weiß ich wirklich nicht, ob ich bei manchen Deiner Aussagen lachen oder weinen soll. ;-) Da verlinke ich einen, wie ich finde, sehr lesenswerten, informativen Text, an dem auch ich - wie im Posting angemerkt - das eine oder andere Detail durchaus kritisch sehe - und dennoch langt das schon, damit Du eine verstaubte, olle Schublade aufmachst und mich - und gleich noch andere mit - drin versenkst.

Auf demselben Niveau "argumentierst" Du auch: Du kanntest also mal einige, die sich selbst "Anti-Deutsche" nannten, und die fandest Du doof - und deshalb sind selbstredend alle doof, die man mit diesem Etikett bekleben kann (völlig egal, ob das nun zutrifft oder nicht)? Mit Verlaub, aber das steht den Hirnverweigerern von Spiegel Online, BLÖD oder der "Propagandaschau" tatsächlich in nichts nach.

Im Übrigen ist es geradezu zum Brüllen, ausgerechnet einem ausgewiesenen Verehrer der deutschen Sprache und der deutschsprachigen Literatur einen solchen Sandkastenvorwurf zu machen. :D

Ebenso ist es hanebüchen, "den Anti-Deutschen" (und damit auch mir, denn Du verortest mich ja irrigerweise dort) einfach mal beleglos die Kritik am imperialistischen Gehabe der Finanz-Elite (dazu gehören nicht bloß die Superreichen aus den USA) abzusprechen. Falls Du tatsächlich regelmäßig hier mitliest, müsste Dir längst selber auffgefallen sein, wie absurd diese Behauptung in Bezug auf das Blog ist. Dasselbe gilt für den "Anti-Antisemitismus-Klamauk", den Du da von Dir gibst und der sehr stark nach geplapperten Jebsen-Phrasen klingt. Ich empfehle Dir diesbezüglich dringend eine intensivere Auseinandersetzung mit dem heiklen Thema, insbesondere aus jüdischer Sicht.

Wenn Du substanzielle Kritik üben möchtest, dann kannst Du das jederzeit gerne tun; abweichende (über reine Behauptungen hinausgehende) Meinungen sind hier herzlich willkommen! Inhaltsleeres Blabla solltest Du aber besser schrägen Gesellen wie beispielsweise Dennis82, Herrn Karl oder einem die unzähligen anderen Dampflplauderern überlassen, die stets gerne laut in die Posaune tröten, auch wenn das Hirn gerade im Urlaub auf dem Mars weilt.

Vielleicht erklärst Du mir und anderen ja doch noch, was genau Du nun an der Analyse Tramperts auszusetzen hast? Ich vermute, dass diese Bitte auch diesmal erfolglos sein wird - auf Dich scheint das Urteil, das Du einfach mal so über eine diffuse, durch nichts verbundene Gruppe von Menschen fällst, doch viel besser zuzutreffen: "Diskussionen zwecklos."

Belehre mich eines Besseren, falls ich mich irre. :-)

Liebe Grüße!

Charlie hat gesagt…

@ Fluchtwagenfahrer: Wenn die "Männer mit den schwarzen Mänteln" wieder die Jagdsaison eröffnen, ist man leider auch im Norden auf dem Land nicht mehr sicher ... aber trotzdem danke für das großmütige Angebot!

Deine Prognose teile ich leider.

Liebe Grüße!

---

Wer läutet draußen an der Tür

Wer läutet draußen an der Tür,
kaum dass es sich erhellt?
Ich geh schon, Schatz. Der Bub hat nur
die Semmeln hingestellt.

Wer läutet draußen an der Tür?
Bleib nur; ich geh, mein Kind.
Es war ein Mann; der fragte an
beim Nachbar, wer wir sind.

Wer läutet draußen an der Tür?
Lass, Schatz, die Wanne voll.
Die Post war da; der Brief ist nicht
dabei, der kommen soll.

Wer läutet draußen an der Tür?
Leg du die Betten aus.
Der Hausbesorger war’s; wir soll’n
am Ersten aus dem Haus.

Wer läutet draußen an der Tür?
Die Fuchsien blühn so nah.
Pack, Liebste, mir mein Waschzeug ein
und wein' nicht: sie sind da.

(Theodor Kramer, 1897-1958)

epikur hat gesagt…

Zählst Du Dich nun zu den Antideutschen, oder nicht? ;-) Ich kannte nicht einfach so ein paar, die ich dann "doof fand". Nene. Ich habe/musste jahrelang mit solchen Leuten politisch zusammenarbeiten. Jedesmal wenn das Thema Israel kam oder die Kritik am US-Imperialismus wurde wütend geschnaubt und die Antisemitismuskeule geschwungen. Ich will einfach nur wissen, woher diese zwanghafte Suche nach den echten und wahren Linken bei Dir und dem Altautonomen kommen ;-) Das würde nämlich gut zu den Antideutschen passen. Und da jetzt ein Text von einem Antideutschen verlinkt wurde und der letzte Gastbeitrag vom Altautonomen von einer Antideutschen Konferenz gesprochen hatte, will ich es jetzt mal genauer wissen ;-)

Es ist müßig inhaltlich zu argumentieren, aber ich versuche es mal...Trampert´s Text strotzt nämlich auch wieder nur vor Antisemtismus- und Antiamerikanismus-vorwürfen. Ein paar Beispiele gefällig?

"Europas Gemeinsamkeiten reichen noch für Außenwälle und antiisraelische Beschlüsse"

"schoben alle Schuld auf New York, Finanzen, Banken, Spekulanten und benutzten auch all die anderen antisemitisch konnotierten Begriffe"

"lud die Antisemitin Naomi Klein als Rednerin"

"mit ihnen schwellen Rassismus und Antisemitismus an"



Genau diese Argumentation kann ich nicht mehr hören und lesen. Auch und gerade die USA und Israel sind imperialistisch und kapitalistisch. Das ständig kleinzureden oder auszublenden hilft der politischen Linken absolut nicht.

Charlie hat gesagt…

@ Epikur: Schreibe ich eigentlich chinesisch? ;-) In welcher Form ist ein Wort wie "irrigerweise" bitte mehrdeutig oder missverständlich? Ich bin Humanist, nichts weiter - allerdings ergeben sich aus diesem Begriff zwangsweise gewisse Grenzen und Überzeugungen, die für mich niemals zur Disposition stehen.

Du bleibst also dabei, dass Deine persönlichen Erfahrungen mit Menschen, die das Etikett "Anti-Deutsche" getragen oder aufgeklebt bekommen haben, zur "Klassifizierung" aller Menschen, die demselben Schubladenwahn ausgesetzt sind, ausreicht? Na dann, gute Nacht, Humanismus. Der Nekrolog war offenbar nicht verfrüht.

Die infantile Bemerkung von den "echten und wahren Linken", die ja stets nur von kleingeistigen Leuten kommt, die mehr mit dem eigenen Absturz im Kapitalismus (wie beispielsweise Dennis82 oder auch Jebsen) beschäftigt sind und weniger mit dem Gesamtbild der verkommenen, ausgepressten Menschheit, verbuche ich unter schnödem Populismus. Ich kann mich nicht erinnern, dass hier im Blog jemals derartiger Schwachsinn verbreitet wurde. Ist es nicht eher so, dass Du hier (stellvertretend) den Prototyp des angeblich "echten und wahren Linken" gibst, so wie er von Jebsen & Co. ständig - stets in deutlicher Abgrenzung zum Humanismus und Kommunismus - in die Welt geplärrt wird? Trampert hat offensichtlich genau ins Schwarze getroffen.

Es ist lobenswert, dass Du diesmal tatsächlich geantwortet hast - allerdings kann ich in den Beispielen, die Du anführst, weder etwas "Antideutsches", noch etwas "Proamerikanisches" erkennen. Selbstverständlich ist die Politik der US-amerikanischen Regierung korrupt und imperialistisch, und auf die Politik der israelischen Regierung können ebenso viele BürgerInnen Israels wild kotzen, wie das in anderen "westlichen" Staaten - und ganz besonders eben Deutschland - der Fall ist. Was hat das aber nun mit dem Text Tramperts zu tun? Er schreibt doch über ganz andere Dinge - oder gehört es jetzt schon zum Pflichtprogramm für "echte und wahre Linke" im Epikur'schen Sinne, dass in jedem Zusammenhang auch die israelische Regierung angeklagt werden muss?

Das Thema Antisemitismus bleibt in diesem Zusammenhang evident, auch wenn der Rassismus inzwischen weitere Wege gefunden hat, um neue Opfer zu finden und böse zu verfolgen.

Vielleicht wäre es sinnvoll, wenn Du Dich - wie ich es auch getan habe - nicht auf die Nebensätze, sondern auf die Kernaussagen des Textes konzentrierst, um das alberne, ewig wiederholte Spalten nicht weiter zu befeuern?

Ich formuliere es jetzt mal platt und hirnurlaubskonform: Der "Feind" sitzt nicht in den USA, nicht in Israel und auch nicht in den Regierungen der USA, Israels, Deutschlands oder der Mongolei, sondern direkt neben uns: Die wenigen global aktiven Superreichen sind es, die das ganze Fiasko zu verantworten haben, die korrupten Regierungsmarionetten kontrollieren und gleichzeitig davon profitieren. Denen muss der Kampf gelten, die müssen enteignet und entmachtet werden - um in einem neuen, kapitalfreien Szenario wieder neu beginnen zu können. Das ist freilich eine Utopie, die vielleicht für das Jahr 2500 in Betracht kommt, sofern der Planet bis dahin überlebt, was aber eher unwahrscheinlich ist.

Liebe Grüße!

epikur hat gesagt…

"Der "Feind" sitzt nicht in den USA, nicht in Israel und auch nicht in den Regierungen der USA, Israels, Deutschlands oder der Mongolei, sondern direkt neben uns: Die wenigen global aktiven Superreichen sind es, die das ganze Fiasko zu verantworten haben, die korrupten Regierungsmarionetten kontrollieren und gleichzeitig davon profitieren. Denen muss der Kampf gelten, die müssen enteignet und entmachtet werden."

Dem stimme ich zwar zu, und auch ich würde mich als Humanist bezeichnen, dennoch glaube ich schon, dass die israelische Besatzungspolitik und die Gaza-Kriege mit dafür verantwortlich sind, den nahen Osten seit Jahrzehnten zu destabilisieren und Antisemitismus zu schüren. Auch die Kriegs- und Wirtschaftspolitik der USA seit ca. 30 Jahren hat viele Erdteile in Brandherde verwandelt. Beides müssen, dürfen und sollten auch Linke bzw. Humanisten sagen, ohne gleich als Antisemiten und/oder Antiamerikaner denunziert zu werden.

jakebaby hat gesagt…

Charlie,
"Vielleicht wäre es sinnvoll, wenn Du Dich - wie ich es auch getan habe - nicht auf die Nebensätze, sondern auf die Kernaussagen des Textes konzentrierst, [...]"
Kann man durchaus, wobei man aber auch ebenso auf diverse Nebensaetze eingehen kann, natuerlich ohne einen (@ epikur) unsinnig provozierten Streit vom Zaun zu brechen.

Mir stiess Tramperts umfangreiche A-Keulen auch ein wenig auf. Unter anderem, da einige davon von Gruppierungen in Gebrauch sind, welche sich Pro-Amerika/Israel auf die kackbraunen Faehnchen kritzeln, um ihre dazu diametral rassistischfaschistischen Intentionen zu vernebeln. (zb. PI&CO)

Als Putin-Fans wuerden sie diese Aussage wohl eher verurteilen, ..
"Russland bombt an der Seite der schiitischen Front „Assad-Iran-Hizbollah“, um Rest-Syrien in ein russisches Protektorat zu verwandeln und Irans Weg nach Israel frei zu halten."
.. aber bei folgenden 'Schoenheiten, sitzen sicherlich wieder viele im gleichen Boot.
"Europas Gemeinsamkeiten reichen noch für Außenwälle und antiisraelische Beschlüsse, wie die Kennzeichnung von Waren aus Siedlungsgebieten. Da sind plötzlich alle an der Seite der EU: AfD und NPD, Linke und Grüne, Pax Christi, Attac, Verbraucherinis, Ärzte für das Gute. Da überhört man sogar den Protest der Palästinenser, die bei isralischen Firmen arbeiten und die EU-Kampagne verurteilen, um die korrekt bezahlte, sozialversicherte Arbeit zu behalten und sich zu bilden. Keine Chance! Die EU will die gemeinsame Moderne von Palästinensern und Juden zerstören. [...]" .. klar doch?

Vielleicht schaffe ich es noch, das einzig verbleibend Sinvolle zu tun und dem ganzen Scheiss meine Aufmersamkeit zu entziehen. Dieser destruktive Einheitsbrei ist eh nicht mehr aufzuhalten.
"Weil ich ja schon im Vorgespraech gesagt hab, ... ich machs nicht gerne aber ich gebe zu bedenken, dass ich da eine sehr radikale Position eingenommen hab als Beobachter nicht als jemand der seine Meinung vertritt. Ich glaube, dass wir soviel zusammensitzen und diskutieren koennen wie wir wollen, .. am Zunami der Zerstoerung und der Zerruettung von Gesellschaften wird sich ueberhaupt nichts mehr aendern, das ist vorprogrammiert und wir laufen wirklich in ganz schlimme Zeiten meiner Ansicht nach."

Genau der Ansicht bin auch ich, in zunehmendem Laufe nur mal meiner letzten Jahrzehnte.
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunftsaussichten lassen da keinerlei positiveren Spielraum.
No Sorries fuer den Judgmentday, .. der ist ja selbst fuer Milliarden goetzenanbetender Religioten festgeschriebener EndzeitBestandteil.
Ebenbilder upgefuckter Goetter ... Religion(mach dir den Planeten und dich selbst untereinander Untertan), Kapitalismus, Zerstoerungsmuss, .. Human Nature, .... Scheiss egal, suchs dir raus oder willkuer diverse Konstellationen.
Das Resultat in der extrem kurzen Zeit/Entwicklung uns abgefahrener Affen bleibt/ist wie es ist. ... Flawless ...

Gruss
Jake

Ich bin kein Roboter hat gesagt…

Schließe mich Epikur an, der Text ist teilweise okay, zum großen Teil aber ein "billiger" Rundumschlag ohne große Argumente.
Was mir sauer aufstieß:
1. Naomi Klein sei eine Antisemitin - aaahhjjaaa..... weil sie die israelische Politik kritisiert hat? M.E. eine plumpe Diffamierung.

2. Globalisierungsgegner (also m.E. auch TTIP-gegner) wollen mehr das nationalistische, mehr Nationalstaat! -- aahhjjjjaaa..... ähm... nein!

3. EU beschließt etwas antiisraelisches... seit wann? wo? Nur weil Waren besonders gekennzeichnet werden? wooow! da bricht die israelische Wirtschaft bestimmt zusammen!

Ich könnte die Liste fortführen, habe aber keine Lust dazu... Herr Trampert sollte nochmal in sich gehen, bevor er solchen unreflektierten Mist schreibt.

Dass Epikur hier Anti-Deutsche vermutet, kann man aus der "Argumentation" (oder auch einfach Diffamierung, weil Argumente gibt es hier keine, daher Gänsefüße (nicht Rottenfüße, hihi)) sehen, bzw. aus der Wortwahl des Texters.

Charlie hat gesagt…

@ no robot: Der Vorwurf, Naomi Klein sei Antisemitin, ist nicht neu und stammt nicht originär von Trampert (vgl. z.B. taz oder Zeit). Ich erlaube mir dazu kein Urteil, da ich viel zu wenig über diese Dame weiß und das in diesem Zusammenhang ohnehin für ein irrelevantes Randdetail halte.

Deinen Absatz über Globalisierungsgegner und Nationalstaaten verstehe ich nicht, da ich im verlinkten Text keine Anhaltspunkte entdecken kann, die Dich zu dieser merkwürdigen Aussage verleitet haben könnten. Abgesehen davon ist es offensichtlich, dass immer mehr Staaten und sogar Kleinstregionen (nicht nur) in Europa ihr eigenes "nationales" Süppchen kochen wollen - was trotz aller berechtigter Kritik an der EU in ihrer gegenwärtigen, völlig pervertierten Form gewiss keine Lösung sein kann. Nationalstaaten waren stets der Geburtshort für Faschismus - heute übernimmt die demokratisch nicht legitimierte, ausschließlich Wirtschaftsinteressen verpflichtete EU diese schäbige Rolle. Man darf sich dreimal fragen, wie sinnvoll eine "Rückkehr" zur ohnehin obsoleten "Nationalstaatlichkeit" in diesem globalen Jauchebecken wohl wäre. Polen und Ungarn machen den lächerlichen Klamauk ja gerade vor.

Die EU hat 2015 eine "Kennzeichnungspflicht" für Produkte aus von Israel besetzten Gebieten beschlossen. Völlig unabhängig von der Frage, wie man zu der Politik der israelischen Regierung steht, stellt Trampert hier lediglich klar, dass mit solchen Sanktionen - wie immer - nicht die "Elite" getroffen wird, die an dem ganzen Dreck wie immer gut verdient, sondern ausgerechnet diejenigen, die man eigentlich zu "schützen" vorgibt: "Da überhört man sogar den Protest der Palästinenser, die bei israelischen Firmen arbeiten und die EU-Kampagne verurteilen, um die korrekt bezahlte, sozialversicherte Arbeit zu behalten und sich zu bilden." - Es geht nicht um die israelische Wirtschaft, sondern - wie immer und überall - um die dort abhängig Beschäftigten, und das sind eben in diesem Fall zu einem nicht unerheblichen Teil Palästinenser.

Es ist erstaunlich, dass Differenzierungen, die ja ohnehin vielen schwerfallen, offenbar gar nicht mehr stattfinden, wenn es um Israel geht. Und wieder einmal ist belegt: Man kann schreiben oder sagen, was man will - wenn eine Randnotiz nicht dem Weltbild des Rezipienten entspricht, ist der Rest des Textes nur noch unbeachtetes Beiwerk, gemäß dem Motto: "Wie fandest Du denn die Aufführung des Brecht-Dramas? - Ich fand die Frisur des Hauptdarstellers scheiße und außerdem hat er manchmal genuschelt."

Liebe Grüße!

Ich bin kein Roboter hat gesagt…

Danke für deine Antwort!

Ich meinte diesen Teil des Textes:
"Seit Jahrzehnten lasten NGOs und Antiglobalisierer Kriege, Eroberungen und Krisen fälschlicherweise nicht dem Kapitalismus und dem Mehrwertraub der Nationen an, sondern einer Globalisierung. Als gut erscheint dann das Antiglobale, Nationale, Ethnische und alles Kleine auf der Welt, das die Botschaft des Heimatfilms „Heidi“ variiert: Großstadtluft macht böse, Bergluft macht gute Menschen."

Ich verstehe ihn so, wie ich ihn oben beschrieb.
Globalisierungsgegner sind nicht für "mehr Nationales", sondern wollen u.a. faire Bedingungen im Welthandel (und somit auch bessere Bedingungen im Kapitalismus). Aber dies mit Kleinstaaterei erreichen zu wollen ist nicht richtig.

Ich gebe dir natürlich recht, der Kapitalismus ist das Problem (und die Natur des Menschen, aber dazu passt ja der Kapitalismus wunderbar). Und auch ich finde, dass zu wenig die Systemfrage gestellt wird; dass die Probleme, die dieses System birgt, nicht in der Öffentlichkeit diskutiert werden. Jeder scheint sich mit diesem System abgefunden zu haben, dass es halt einfach so ist, wie es ist, man es nicht ändern kann, das man das Beste aus sich und der Situation machen muss.
Und diese Einstellung geht mir tierisch gegen den Strich.

Aber wir werden den Kapitalismus nicht überwinden, nicht in unserem Leben. Wahrscheinlich dauert es so lange wie in "Die Eiserne Ferse" beschrieben.
Und wenn wir den Kapitalismus nicht bezwingen können, so können wir doch wenigstens ihn bekämpfen, ihn versuchen zu bändigen, unser Leben für alle (!) besser zu machen.
Und dies versuchen viele Parteien, NGOs und Ehrenamtliche etc., und rackern sich ab.
Und dann wird diese Arbeit durch solche Texte wie von Tampert argumentationslos kritisiert.
Nein, da gibt es bessere kapitalismus-/gesellschaftskritische Texte.

Ich bin kein Roboter hat gesagt…

Ahja, und schöne Grüße natürlich zurück ^_^

Charlie hat gesagt…

@ no robot: Und ich bedanke mich für die Replik. ;-)

Allerdings befürchte ich, dass Du Trampert hier missverstanden hast. Die von Dir zitierte Textstelle verstehe ich als das genaue Gegenteil - nämlich als eine scharfe Kritik an den Bestrebungen, das "Antiglobale, Nationale, Ethnische und alles Kleine auf der Welt" als Lösung zu begreifen. Er setzt das ja in einen logischen, kausalen Zusammenhang zu all den Menschen und Organisationen, denen er zuvor vorgeworfen hat, den katastrophalen Zustand dieser Welt nicht mehr dem Kapitalismus, sondern "fälschlicherweise" einer diffusen "Globalisierung" anzukreiden.

Zur "Natur des Menschen" gäbe es auch eine Menge zu sagen, aber das verkneife ich mir an dieser Stelle. ;-)

Was Deinen letzten Absatz betrifft, pflichte ich Dir zwar in der Bestandsaufnahme völlig bei (es ist leider utopisch, den Kapitalismus in absehbarer Zeit abschaffen zu wollen), ziehe daraus aber gänzlich andere Schlüsse als Du. Ich könnte dazu ein ganzes Essay schreiben, beschränke mich hier aber auf ein paar Worte, um Dich und andere nicht unnötig zu langweilen:

Der Kapitalismus lässt sich nicht bändigen oder zähmen. Der systemimmanente Zwang zur ständig gesteigerten Wertschöpfung (Vermehrung des Kapitals) kann nicht "gestoppt" oder "gemäßigt" werden, da das System dann unweigerlich kollabieren muss. Es ist kein Zufall, dass gerade in der Endphase eines kapitalistischen Zyklus', in der wir uns heute wieder befinden, die Neoliberallalas weltweit ihr umfassendes Zerstörungswerk betreiben - in dieser Phase ist ausreichende Wertschöpfung nur noch durch die gezielte Massenverarmung der Bevölkerungen möglich. Dasselbe hat in der Weimarer Zeit schon einmal stattgefunden.

Derartige Zähmungs-Bestrebungen führen lediglich dazu, dass ein ohnehin bald kollabierendes System künstlich noch etwas länger am Leben gehalten wird - damit hilft man jedoch niemandem (mit Ausnahme der Superreichen). Die altbekannte Tendenz, den unvermeidlichen Kollaps am Ende wieder einmal durch Faschismus und Krieg in antirevolutionäre Bahnen zu lenken, damit das System danach wieder von vorn starten kann, während sich an den Besitz- und Machtverhältnissen nichts verändert hat, ist ja deutlich sichtbar.

Für mich gilt deshalb, ein lautes, entschiedenes "Nein!" gegen diesen Irrsinn in die Welt zu schreien - auch wenn ich es höchstwahrscheinlich nicht erleben werde, dass dieser schon so lange andauernde und stets torpedierte Kampf gegen die Hab- und Machtgier einer kleinen, perversen Minderheit endlich von Erfolg gekrönt wird.

Liebe Grüße!

Ich bin kein Roboter hat gesagt…

Danke für deine Antwort.
Ein lautes "NEIN" dem Kapitalismus entgegen zu schreien ist natürlich richtig, und das tue ich ja auch.
Und gleichzeitig versuche ich halt durch punktuelle Verbesserungen das Leben in diesem System erträglicher zu machen; das soll halt nicht bedeuten, dass ich mich nur mit den kleinen Verbesserungen zufrieden gebe... "Politik der kleinen Schritte" nennt man so etwas, glaube ich ;-)
Ich habe ja die Hoffnung (hm... oder auch nicht) dass immer mehr Leute durch diese Verbesserungen (oder durch Gespräche/Vorschläge/Diskussionen darüber etc.) "aufwachen" und dass wieder mehr (wie oben dargelegt) die Systemfrage gestellt wird.
Und ich "kämpfe" halt dafür, damit ich mir noch im Spiegel ins Gesicht sehen kann.

"Opi, was hast du gemacht um das System zu bekämpfen?"
"Och, ich hab resigniert und blieb zuhause...."
Nee, so will ich nicht enden...