Montag, 4. April 2016

Dauerpropaganda und AfD: Wenn die Saat aufgeht


Die Dummheit der AfD-WählerInnen und ihrer politischen Helfershelfer ist bekanntlich legendär - sie übertreffen die ganzen Vollpfosten, die nach wie vor CDU/CSU, SPD, Grüne, die Linke oder gar die FDP wählen und unterstützen, in dieser Hinsicht problemlos um Längen. Gerade einem nicht geringen Anteil des Wahlpöbels der CDU, FDP und inzwischen auch der Grünen kann man bedenkenlos schlichte Menschenfeindlichkeit und dumpfe, eigennützige Intentionen auch wider besseres Wissen unterstellen - bei der AfD sieht das - abgesehen natürlich, wie immer in diesem System, vom "Führungspersonal" - etwas anders aus: Dort scheint tatsächlich mehrheitlich die schlichte Dummheit zu dominieren, die äußerst fatal wirkt, wenn sie auf braunen Boden fällt.

Die Frankfurter Rundschau hat vor 14 Tagen einige dieser Figuren - am Beispiel Sachsen-Anhalts - etwas ausführlicher vorgestellt. Ich empfehle diesen Bericht, auch wenn er - wie in derlei Massenmedien üblich - die wesentlichen Fragestellungen und Hintergründe vollkommen außer acht lässt und sich neben dem üblichen subtilen DDR-Bashing auf die reine Symptombeschreibung und Systempflege beschränkt:

Die AfD ist ein Ventil / Früher war man verdrossen und still und wählte nicht. Heute gibt es ein Ventil, die AfD. Aus Frust werden Stimmen, aus Gottfried Backhaus, Orgelbauer, Fahrlehrer und am Ende Hartz IV, wurde ein Abgeordneter mit fortan 5.655 Euro Diäten plus 1.600 Euro Aufwandspauschalen.

Der Text ist gewohnt oberflächlich und in Teilen schlicht dämlich, gewiss; er erlaubt aber dennoch einen gewissen Einblick in die Gedankenwelt, in der beispielsweise ein engagierter "evangelischer Christ", der fortan für die AfD im Kommunalparlament tätig ist, lebt. Dummheit ist kein ausreichendes Wort für eine derlei verquere, stumpfsinnige, realitätsferne Weltsicht, und dennoch wird sie mit einer Vehemenz und Selbstverständlichkeit vorgetragen, dass man als Leser zweimal nachschauen muss, ob man nicht versehentlich beim "Postillon" gelandet ist. - Dasselbe gilt indes für die zitierten Gegenstimmen.

Der Autor der FR irrt aber natürlich gewaltig, wenn er diese Partei lediglich für ein "Ventil" hält - zu einem solchen Schluss kann man eigentlich nur kommen, wenn man partout nicht wahrnehmen will, dass die Kritik am bestehenden Parteien- und Politiksystem samt angeschlossenen Hofmedien vollkommen berechtigt und die AfD lediglich ein weiterer "Player" in diesem korrupten, widerwärtigen Sumpf ist, der die Menschen auf leicht modifizierte Weise am blutigen Nasenring durch die Manege und letzten Endes noch schneller ins Verderben führt. Die AfD ist kein "Ventil" - sie ist die sattsam bekannte, auf die Spitze getriebene Opfer-Täter-Verkehrung, wie sie im Kapitalismus am Ende stets stattfindet, um von den tatsächlichen Ursachen und Verursachern des um sich greifenden Elends der Massen, das von der restlichen neoliberalen Einheitspartei gemeinschaftlich organisiert und gesetzlich verankert wurde, abzulenken.

Es ist auch ein Verdienst der Medien - unter anderem auch der Frankfurter Rundschau -, dass "engagierte Christen" wie der vorgeführte Kommunalpolitiker aus Sachsen-Anhalt und dessen keifende Gattin einfachste Zusammenhänge nicht einmal im Ansatz begreifen und so medial begleitet und politisch gewollt zu rassistischen, dumpfen, egoistischen Menschenfeinden "erzogen" wurden. Damit möchte ich diese furchtbaren GesellInnen keinesfalls entschuldigen - das eigene Gehirn bleibt ihnen ja trotzdem erhalten. Dennoch ist es eine Binse, dass Dauerpropaganda erwiesenermaßen wirkt - nicht bei allen, aber leider bei vielen.

Dass heute neben den verdeckten auch wieder ganz offen Rechtsradikale - nicht nur in Deutschland, sondern fast überall in Europa - in den Parlamenten Quasselbuden sitzen und mit staatlichem Geld fürstlich alimentiert werden, hat nichts mit Flüchtlingen, sondern ausschließlich mit dem Endzucken des raffenden Kapitalismus, seinen Demagogen und seiner willfährigen, devoten Presse zu tun, deren Dauerpropaganda einmal mehr auf fruchtbaren Boden gefallen ist.

Das kennen wir alles schon bis zum Erbrechen.

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Der bayerische Bürger in den Wahlen


oder: Die Furcht vor dem roten Mann.

(Zeichnung von Karl Arnold [1883-1953], in "Simplicissimus", Heft 44 vom 28.01.1919)

5 Kommentare:

Fluchtwagenfahrer hat gesagt…

Moin Charlie, wie immer ein sehr guter Beitrag.
Dazu ein paar Anmerkungen meinerseits, die im Beitrag der FR beschriebenen Personen zähle ich zur Gruppe der mindestens, sozial abgehängten Menschen hier in Deutschland. Das sie sich prostituieren, (nichts gegen diesen ehrwürdigen alten Beruf) und zum AFD Anhänger mutieren, scheint in ihrer für sie empfundenen Ausweglosigkeit ein folgerichtiger Schluss. Und nun? Welche ALTERNATIVEN können diesen Menschen denn geboten werden? Erst wird gefressen dann kommt die Moral und wenn ihm jetzt eine ordentliche Diät droht, wobei die Geldbeträge über die dort geredet wird auf den ersten Blick nichts mit Diät zu tun haben scheinen, dann ist das für ihn zu mindestens aus monetärer Sicht eine echte Alternative. Und seine Holde hält dann hoffentlich auch die Fre...e.
Zur Apotheker, Zahnarzt, Fussballspielerfrau hatte es ja nicht gereicht.

LG

Eike Brünig hat gesagt…

Ich empfehle dazu auch den aktuellen Newsletter von HG Butzko.

Charlie hat gesagt…

@ Fluchtwagenfahrer: Danke für die Anmerkung. Allein: Das ist mir selbstredend bewusst! Ich habe vor nicht allzulanger Zeit ja selber gebeichtet, dass auch ich selbst im Rahmen dieses perversen Systems käuflich bin bzw. sein muss, wenn ich überleben will.

Das ändert aber nichts daran, dass es gewisse Grenzen gibt, die ich persönlich erst dann überschreiten würde, wenn die existenzielle Not mein Gewissen völlig ausschalten kann. Bezüglich der AfD und ähnlicher rechtsradikaler Vereine liegt diese Grenze sehr, sehr hoch.

Für vielfältige andere Ziele, die gewiss nicht die meinen sind, würde aber auch ich mich jederzeit prostituieren - die Welt, in der wir momentan leben müssen, lässt nichts anderes zu. Und jeder, der etwas anderes behauptet, hat entweder materielle Sicherheiten im Hintergrund, lügt oder ist ein Idealist, der mit der tatsächlichen Not im "reichen Westen" noch keine persönliche Begegnung hatte.

Im Falle des Herrn B. aus Sachsen-Anhalt liegen die Dinge allerdings anders, denn um in einer politischen Partei - und sei es nur auf kommunaler Ebene - Karriere zu machen und an die Geldtöpfe zu gelangen, bedarf es eines längeren ausgeprägten persönlichen Engagements - ohne die Sicherheit des positiven Ausganges. Man darf also davon ausgehen, dass die fürstlichen Belohnungen in Höhe von 7.255 Euro monatlich nicht das erste und einzige Ziel dieses Menschen waren.

An diesem Punkt wird sogar die Prostitution schäbig.

Liebe Grüße!

Philipp hat gesagt…

Ich glaube, dass wir Demokraten (ich geh da jetzt einfach mal von aus) uns keinen Gefallen tun, Parlamente pauschal als Quasselstuben und Abgeordnetendiäten als sowieso zu hoch und unangemessen zu beschreiben. Dann arbeitet man mit am schleichenden oder sprintenden Vertrauensverfall in unsere Institutionen.

Ohne Diäten wäre nur noch das Kapital vertreten und ohne Parlamente ...

Das Entsetzen ob des AfD-Personals kann ich zwar verstehen, auf der anderen Seite teile ich die Überraschung nicht - diese Leute gibt es hier, wie auch im Rest der Republik, zu hauf. Und sie haben in der AfD tatsächlich ein Verhikel gefunden.

Charlie hat gesagt…

@ Philipp: Den "Vertrauensverfall" besorgen die Damen und Herren, die in den "Quasselbuden" herumsitzen und konsequent und unaufhörlich Politik gegen die große Mehrheit der Menschen machen, samt ihrer angeschlossenen Medienhorde schon ganz allein - ich denke nicht, dass sie dabei noch der Unterstützung kleiner Blogs bedürfen. ;-)

Zum Thema "Demokratie" möchte ich an dieser Stelle einfach meinen ehemaligen Lieblingsprof der Neueren Deutschen Literaturgeschichte zitieren (das Spaghettimonster habe ihn selig), der seinen StudentInnen schon vor dreißig Jahren sinngemäß sagte:

"Das, was uns hier als freiheitlich-demokratischer Rechtsstaat vorgegaukelt wird, gleicht doch eher einer lächerlichen Theaterkulisse, die - obwohl vom jedem als Kulisse erkannt - umso höher gepriesen wird, je offensichtlicher sie zerbröckelt."

Damals habe ich den guten Mann noch nicht so recht verstanden - heute glaube ich zu wissen, was er meinte.

Einen Gefallen tun wir uns aber sowieso nicht - ganz egal, wie wir uns als Opposition verhalten. Zu groß ist längst wieder die vernebelte Fraktion der Menschenfeinde, die begierig auf Minderheiten einprügeln, um den eigenen Status quo zu retten - auch wenn diese Minderheiten damit gar nichts zu tun haben. Ich unterstütze weder die korrupten Menschenfeinde in den Machtpositionen, noch die gedankenlosen Menschenfeinde in der Bevölkerung. Der Zeitpunkt, an dem das Ruder noch herumzureißen gewesen wäre, ist seit Jahrzehnten verstrichen.

Günther Kunert hat das in seinem Aphorismus - bereits in den siebziger Jahren - trefflich zum Ausdruck gebracht:

"Als der Mensch unter den Trümmern seines bombardierten Hauses hervorgezogen wurde, schüttelte er sich und sagte: Nie wieder. Jedenfalls nicht gleich."

Q.e.d.