Samstag, 30. April 2016

Song des Tages: Streets of London




(Ralph McTell: "Streets of London", Single, 1973)

Have you seen the old man in the closed down market,
Kicking up the papers with his worn out shoes?
In his eyes you see no pride, hand held loosely at his side,
Yesterday's paper telling yesterday's news.

So how can you tell me you're lonely
And say for you that the sun don't shine?
Let me take you by the hand and lead you through the streets of London,
I'll show you something to make you change your mind.

Have you seen the old girl who walks the streets of London,
Dirt in her hair and her clothes in rags?
She's no time for talking, she just keeps right on walking,
Carrying her home in two carrier bags.

So how can you tell me, you're lonely ...

In the all night café at quarter past eleven
Same old man sitting there on his own.
Looking at the world over the rim of his teacup,
Each tea lasts an hour and he wanders home alone.

So how can you tell me, you're lonely ...

Have you seen the old man outside the seamen's mission,
memory fading with the medal ribbons that he wears?
In our winter city the rain cries a little pity
for one more forgotten hero and a world that doesn't care.

So how can you tell me, you're lonely ...

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Anmerkung: Dieser Song gehört zu den meistgecoverten Liedern der frühen siebziger Jahre (Blackmore's Night, Sinead O'Connor, Sex Pistols u.v.a.). Die thematisch zugrundeliegende gesellschaftliche Perversion hat sich in den über 40 Jahren seit der Erstveröffentlichung indes nicht etwa verbessert, sondern kontinuierlich verschärft - heute gehören bittere Armut, Vereinsamung und Obdachlosigkeit wie selbstverständlich zu unserer tollen, reichen, kapitalistischen Glitzerwelt. Gerade in Bezug auf Obdachlose ist man - sowohl staatlicherseits, als auch im individuellen Umfeld - längst dazu übergegangen, nicht mehr das Problem der totalen Verarmung, sondern stattdessen die in die Obdachlosigkeit gedrängten Menschen zu bekämpfen. In diversen Metropolen der kapitalistischen Hölle trifft man seit geraumer Zeit "Maßnahmen", um die "störenden Elemente" aus dem Straßenbild zu entfernen:

In London wurde die Nische neben einem Hauseingang mit dicken Metallspitzen versehen. Das sollte Obdachlose davon abhalten, Schutz zu suchen. (...) Aus allen Ecken der Welt tauchen nun Fotos auf. Hier gestachelte Hydranten und Blumentöpfe in New York, da spitze Steine unter Brücken in Kapstadt. (...) Deswegen wird auch in Deutschland Geld in Maßnahmen statt in Hilfe investiert. Es werden Zäune unter Brücken errichtet und Bänke mit Kanten, Lehnen und Rundungen versehen. Es wird das Ordnungsamt gerufen, wenn ein Obdachloser sein Geschäft in einem Park verrichtet. Bahnhöfe werden mit klassischer Musik in Endlosschleife beschallt und Einfahrten nachts mit Wasser besprenkelt.

Gibt es tatsächlich vereinzelt Menschen, die in einer solchen widerwärtigen Höllenwelt leben möchten - oder besitzt dieses furchtbare System längst eine Eigendynamik, die es dem Bewohner des schmucken Reihenhauses, dem Kommunalpolitiker oder dem hirnlos durch Fußgängerzonen schleichenden Konsumzombie gar nicht mehr ermöglicht, anders als zutiefst menschenfeindlich und pervers auf solche Probleme zu reagieren? - So weit ist die Degeneration des kapitalistisch deformierten Menschen hoffentlich noch nicht fortgeschritten - sonderlich weit entfernt ist sie aber wohl auch nicht mehr.


6 Kommentare:

jakebaby hat gesagt…

http://jakester-express.blogspot.com/2008/02/soziales-europa.html

http://jakester-express.blogspot.com/2008/03/gas-homeless-fuck-handicaped.html

und ein bisschen Dschland: http://schreiber-abschreiben.blogspot.com/

Das ist schon seit der Steinzeit so und moechte das Mensch (sich) und heuchlerisch nebenher den Planeten retten, dann geht das nur ohne Mensch, wobei der Planet noch ein 'paar Millionen Jahre mit unserem beschissenen Erbe beschaeftigt sein wird.
Mit Mensch isser gar nicht mehr zu retten.
Aber zumindest rueckt, nach diesem zunehmenden Schrecken ohne Ende, ein Ende mit Schrecken in ebenso zunehmend greifbare Naehe.

Also Freunde, immer das uebelste waehlen/unterstuetzen(gar nicht einfach zu definieren)um diesem Spuk, zugute des Planeten, ein schnellstmoegliches Ende zu verpassen.

Gruss
Jake

schadensmeldung hat gesagt…

Danke für die Erinnerung an "Streets of London", hatte das Lied früher oft in einer deutschen Übersetzung auf der Gitarre gespielt – werde sie morgen heraussuchen und mich daran üben. Zeit dazu habe ich ja,eine geradezu verwerfliche Verschwendung meiner kostbaren Lebenszeit, als aussortierter Menschenmüll ohne Wertschöpfung.
Bad Camberg ist eine Kleinstadt, kein Frankfurt, kein Berlin oder eine vergleichsweise andere Großstadt, aber die sichtbare Verarmung hier, in resignierten Gesichtern geschrieben, dieser Hoffnungslosigkeit begegne ich jeden Tag aufs Neue.
Meist alte, alleinstehende Menschen, die aus unserer Gesellschaft herausgerissen wurden, die, wenn sie aus Not in Papierkörben wühlen, ein paar Cent Flaschenpfand für Billignudeln einsammeln, die in den untersten Regalen der Supermärkte angeboten werden, mit dem Hinweis eines Rewe-Konzerns, für Tafeln Billigprodukte zu spenden, sein Flaschenpfand – in einem Spendenkasten – Verarmten zu gönnen, damit sie nicht im Scham ertrinken, ihre verschlissene Kleidung mit Würde tragen sollten.

Habe ich etwas dazu vergessen? Ja, wahrscheinlich die Realität zu beschreiben –




Charlie hat gesagt…

@ frei-blog: Die zunehmende Armut ist auch hier in der Provinz deutlich sichtbar. Die einzige "Tafel", die es im Umkreis gibt, hat schon vor mehr als einem Jahr einen "Aufnahmestopp" verhängt und gibt keine neuen "Ausweise" mehr aus, die zum Bezug von Nahrungsmitteln dort nötig sind. Der Bürgerverein hier vor Ort, der einst angetreten ist, den Opfern des staatlichen Hartz-Terrors zu helfen (Schriftverkehr mit dem Amt, Begleitung zu Amtsterminen, juristische Vertretung bei Klagen vorm Sozialgericht etc.), muss längst reihenweise Hilfsanfragen von Betroffenen ablehnen, weil schlicht die vorhandenen Kapazitäten nicht ausreichen.

Und wir befinden uns erst am Anfang des staatlichen Verarmungsterrors, das sollte man nicht verdrängen. Es geht munter immer weiter - da ist aus elitärer Sicht noch sehr viel Spielraum nach unten.

Wie im Kapitalismus üblich, trifft es natürlich die Allerschwächsten zuerst - also beispielsweise obdachlos gewordene Menschen, die überhaupt keine persönliche Möglichkeit zur Gegenwehr mehr haben. Dass es nicht nur der Staat ist, der so menschenfeindlich agiert, durfte ich erst letzte Woche wieder feststellen, als ich einem offensichtlich Obdachlosen, der sich in der Nähe eines Supermarktes auf einer Bank ausruhte (ohne zu "betteln", wohlgemerkt, er saß einfach nur frierend dort), spontan ein paar Münzen gab. Daraufhin wurde ich gleich von mehreren MitbürgerInnen angesprochen, was mir denn einfiele: "So kommt der Penner doch immer wieder, wenn Sie ihm Geld geben! Der soll doch hier weg! Lassen Sie das!" - Sprach's, stieg in den schon leicht angerosteten Mittelklassewagen und fuhr davon.

"Und es sind die finstern Zeiten
in der anderen Stadt.
Doch es bleibt beim leichten Schreiten
und die Stirn ist glatt.
Harte Menschheit, unbewegt,
Lang erfror'nem Fischvolk gleich.
Doch das Herz bleibt schnell geregt
Und das Lächeln weich."


(Bert Brecht)

Charlie hat gesagt…

Nachtrag @ frei-blog: Ich weiß nicht, ob Du das benötigst, aber ich habe Dir einfach mal ein Notenblatt der deutschen Version des Songs samt den Akkordbezeichnungen eingescannt. :-)

Liebe Grüße!

schadensmeldung hat gesagt…

@charlie,
danke für den Scan, falls ich den Text nicht mehr finde.

Ich war schon über ein Jahr nicht mehr bei der Tafel in B.C., aus gutem Grund, obwohl ich auch nicht weiß, wie lange ich mich da noch raushalten kann. Beim letzten Besuch stellte ich fest, dass der Andrang immer größer wird, natürlich auch bedingt durch Familien, die ihr Land verlassen mußten. Ich vernahm schon Meinungen, "... ob die es auch wirklich nötig hätten ..." und und und –
Bei solchen Tönen wird es mir speiübel.
Gruß Volker

Charlie hat gesagt…

@ frei-blog: Solche "Töne" sind kein Zufall, sondern - in schöner Kontinuität nicht erst seit der Weimarer Zeit - durchaus beabsichtigt: Wenn Habenichtse sich gegenseitig die Köpfe einschlagen, kann die "Elite" aufatmen. Wenn der kleine Angestellte auf den Niedriglöhner, der Niedriglöhner auf den Aufstocker, der Aufstocker auf den Arbeitslosen und alle gemeinsam auf den Flüchtling eindreschen, kann es sich die neofeudale Elite in ihren Swimming-Pools und Geldspeichern bequem machen und entspannt zuschauen, wie sich das Sklavenvieh selbst erledigt.

Mir wird dabei nicht nur speiübel, sondern in der Tat angst und bange.