Freitag, 1. Juli 2016

Armut, Kapitalismus und die obligatorische Press(e)wurst


Die Systempresse wird nicht müde, ihrem Auftrag nachzukommen. Während aktuell aus allen Rohren wieder einmal die sensationell gesunkenen Arbeitslosenzahlen gepriesen werden (ich verlinke den Schmonzes nicht, der lächerliche Tenor ist sowieso allenthalben derselbe und wiederholt sich in regelmäßigen Abständen immer wieder), kann man immer mal wieder auch alarmistische Berichte über die bedrohlich zunehmende Armut im Lande lesen, wie das jüngst mal wieder bei Zeit Online der Fall war:

Aus Mietern werden arme Rentner / Während die Vermögen der Reichen wachsen, können viele Deutsche kaum genug Geld fürs Alter zurücklegen. Diese Grafiken zeigen, warum.

Der Titel könnte indes irreführender kaum sein, denn selbstverständlich ergehen sich derlei Berichte regelmäßig in aufgehübschter Symptombeschreibung, blenden aber die offensichtlichen, nämlich systemischen Ursachen konsequent aus. Die Frage nach dem "Warum" wird hier gerade nicht geklärt, ganz im Gegenteil - es wird nach Kräften verschleiert und von den eigentlichen Ursachen abgelenkt. Zudem arbeitet auch dieser Text samt seinen "erklärenden" Grafiken mit massiv geschönten Zahlen, die keine Auskunft über die tatsächliche Armut im Lande geben. Wenn dort beispielsweise von einem "mittleren Einkommen" von 3.000 Euro (brutto) ausgegangen wird, das "Mieter" betreffe, geht das nicht nur knapp an der Realität vorbei, sondern hat mit dieser schlichtweg nichts zu tun. Die Millionen der vom staatlichen Terror bis aufs letzte Hemd Verarmten in diesem verkommenen Land schleckten sich alle zehn Finger nach einem so fürstlichen Einkommen und dächten dabei noch nicht einmal sekundenweise an eine groteske "private Altersvorsorge", die ohnehin vornehmlich den längst aus allen Nähten platzenden Konzernen Profite einbringt.

Mieter ist nicht gleich Mieter, und Eigentümer sind keineswegs allesamt furchtbar reich. Solch schlichte Erkenntnisse finden indes nicht statt in den Redaktionen des Irrsinns.

In diesen kapitalistischen Medien werden wir niemals lesen, dass die Verarmung immer größerer Teile der Bevölkerung einerseits systemimmanent und andererseits von den korrupten politischen Parteien gewollt ist - die "Agenda 2010" war ja kein Versehen, sondern ist bis heute das erklärte und von eben jenen Medien wohlwollend begleitete Erfolgsmodell dieser schmierigen Bande. Natürlich werden Superreiche in diesem System immer reicher - das ist das Konzept des Kapitalismus. Und selbstverständlich werden dadurch alle anderen Menschen - nämlich die überwältigende Mehrheit - immer ärmer, und die Ärmsten und Schwächsten trifft es stets zuerst. Wie sollte ein derartig perverses Konzept denn auch anders funktionieren?

Das Wort "funktionieren" ist in diesem Zusammenhang allerdings ebenfalls irreführend, denn dieses System funktioniert ja gerade nicht - jedenfalls nicht auf Dauer. Die Geschichte der Menschheit legt ein beredtes Beispiel dafür ab. Es wird mir ewig ein Rätsel bleiben, wieso es heute immer noch - und nicht wenige - Menschen gibt, die tatsächlich der Meinung sind, man müsse lediglich hier und da an gewissen Stellschrauben drehen und das System "regulieren", dann wäre alles im Lot. Exakt in dieses absurde Horn trötet auch die Autorin des verlinkten Zeit-Artikels. Das mutet an wie ein albtraumhaftes Szenario, in dem die Menschheit in einer finsteren Welt voller Vampire gefangen ist, und die "bürgerliche" Presse empfiehlt zur Gegenwehr, den "fehlgeleiteten" Blutsaugern einfach zu verbieten, zuviel Blut zu trinken. Sie dürfen freilich weitermachen - aber eben nicht mehr ganz so exzessiv. Dass nebenher die Politik sowieso das Gegenteil umsetzt und sich selber im völligen Blutrausch befindet, versteht sich in dieser kafkaesken Welt fast schon von selbst.

Die zunehmende Armut im Land und global ist systemgemacht, gewollt und geplant. Der Tag, an dem diese schlichte Erkenntnis endlich flächendeckend begriffen wird, wird der Tag sein, ab dem sich endlich etwas zum Positiven verändern könnte. Leider ist er heute ferner als je zuvor und die dumpfe Masse stochert lieber wieder im braunen, stinkenden Sumpf.

Die Press(e)wurst der kapitalistischen Propaganda ist hieran einmal mehr gewiss nicht unschuldig.
---

Gewöhnliches an Sonntagen um zwei Uhr



(Farbradierung von Robert Dighton [1752-1814] aus dem Jahr 1787, Verbleib unbekannt)

2 Kommentare:

schadensmeldung hat gesagt…

Hatte heute schmerzlich 12 EUR für Lebensmittel verschwendet, die bis nächsten Donnerstag ausreichen müssen. Knallhart kalkuliert und mehrmals überprüft. Jeder Fehler in dieser Rechnung könnte zu Problemen führen, sich über einen Monat hinwegziehen, nur, weil meine Gier nach Nahrung manchmal nicht zu bremsen ist.
Ich bin ein notorischer Jammerlappen (siehe neues Posting), der einfach nicht blicken kann, dass Gnadenbrot und Peitsche noch gnädig gewährt wird, zu meinem Wohl – wie sollte es auch anders sein. Jeder versklavte Bananenpflücker würde mich beneiden, mich möglicherweise sogar zum Teufel wünschen, weil in meiner Haushaltskasse Bananen nicht vorgesehen sind, ich somit auch keinen Bruchteil eines Cent abdrücken kann, wenn auch Rewe damit wirbt, mit jeder Banane einen Großgrundbesitzer zu versorgen.

Grüße aus dem Elend mit mittlerem Armutseinkommen.

Charlie hat gesagt…

@ frei-blog: Ich habe Deinen Kommentar zum Anlass genommen, ein ganzes Posting dazu zu schreiben.

Solidarische Grüße!