Freitag, 15. Juli 2016

Lapuente und die "Fiktionalpolitik"


Er hat es schon wieder getan. Diesmal allerdings ist der Schwurbelmeister Lapuente über seinen eigenen Gnom hinausgewachsen und hat beim Spiegelfechter einen reformistischen, an Dummheit kaum zu überbietenden Text veröffentlicht, den man unbedingt gelesen haben sollte, auch wenn das geneigte Gehirn schon nach wenigen Zeilen beginnt zu schmerzen und um Gnade zu flehen, da man hier eindrücklich nachvollziehen kann, wie "Realpolitik" aus asozialer, scheindemokratischer Sicht auszusehen habe.

Allein der Begriff "Realpolitik" schreit schon so schrill vor lauter Stumpfsinn, dass der inhaltliche Blödsinn dieses Textes offenbar gar nicht mehr wahrgenommen wird, wenn man sich in einem derartig absurden Paralleluniversum aufhält wie das in SPD- und sämtlichen anderen kapitalistischen Kreisen - keineswegs nur in der Politik - üblich ist. Die sprachliche Entsprechung dieses Unwortes ist demnach die "Fiktionalpolitik", und diese wird laut Lapuente - im harmonischen Einklang mit den Systemmedien und der Neoliberalen Einheitspartei (NED) - von all jenen "Weltfremden" bzw. "Radikalen" angestrebt, die es tatsächlich wagen, den Heiligen Kapitalismus in Frage zu stellen. Welch ein Sakrileg! - Einer solchen geistigen Umnachtung muss man sich argumentativ nicht stellen - das käme dem Versuch gleich, mit einem Torfklumpen diskutieren zu wollen.

Ich will auf einzelne Aspekte dieser unsäglichen Gehirnkotze gar nicht eingehen, da sie sich ganz von selbst als konzentrierte, propagandistische Gülle erweist, sobald man beim Lesen auch nur das Rückenmark in den Denkprozess einbindet. Bemerkenswert ist hier aber, dass der lernunwillige, offenkundig völlig ahnungslose Autor allen Ernstes einen neuen "Radikalenerlass" für die Linkspartei [sic!] fordert, mit dessen Hilfe "Radikale" aus der Partei besser zu entfernen seien. So etwas zu formulieren, ist nicht nur demokratiefeindlich und geradezu faschistoid, sondern auch vollkommen grotesk angesichts einer Partei, die längst im "Parteienspektrum" des Kapitalismus angekommen ist und sich "realpolitisch" - also in koalitionärer "Regierungsverantwortung" - bislang stets stramm systemkonform verhalten hat, ohne auch nur den Schatten irgendeiner linken, progressiven, menschenfreundlichen Politik erkennen zu lassen.

Dem Manne ist nicht mehr zu helfen - der schmisse sich, wenn es ihm jemand anböte, gewiss auch in einen Seidenanzug samt Würgeschlips und verhandelte mit den widerlichen Menschenfeinden aus der CDU oder von den Olivgrünen über die Höhe des zukünftigen "Mindestlohnes". Mit solch debilen Gestalten waren und sind keine systemischen, nachhaltigen, wirksamen Veränderungen möglich - und sie sind vor allem eines nicht: links.

Radikal ist heute wie damals in erster und mit großem, uneinholbarem Abstand bedeutendster Linie der Kapitalismus: Kriege, Hunger, Armut, konsequente Zerstörung des Planeten, korrupte Pseudodemokratien überall, Überwachung, staatlich organisierte Ermordungen von "Verdächtigen" und so vieles, vieles mehr sprechen eine beredte Sprache, die Leute wie Lapuente aber offensichtlich nicht verstehen wollen oder können. Diese Menschheit lernt nicht, sie wiederholt nur stets dasselbe in leicht modifizierten Varianten.

Gleichzeitig wird hier das alberne Gefasel von den "Spaltungstendenzen" der Linken, die, wie Systemgläubige nicht müde werden zu betonen, selbstverständlich stets von den "Radikalen" ausgingen, sehr deutlich als propagandistisches Dummgeschwätz offenbart. Dabei "spaltet" Lapuente die Linke nicht einmal, sondern macht lediglich offenkundig, dass es schlichtweg keine grundlegenden Gemeinsamkeiten von Systemerhaltern und Systembekämpfern geben kann - was allerdings auch ohne den Schwurbelautor sehr leicht gedanklich nachzuvollziehen ist. Wer nicht links ist, kann auch nichts zur "Spaltung der Linken" beitragen - selbst wenn dabei einmal mehr ein peinliches linkes Tarnmäntelchen getragen wird.

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Die Blutsauger


"Alles geht vorzüglich. Sogar die Parteiunterschiede verschwinden mehr und mehr."

(Zeichnung von Thomas Theodor Heine [1867-1948], in "Simplicissimus", Heft 49 vom 02.03.1925)

9 Kommentare:

altautonomer hat gesagt…

Berger nimmt immr wieder gern mal die Gelegenheiot, seinen Stiefelknecht Puentes zu promoten, weil dadurch eine größere Reichweite als die von bad sinistram erzeugt wird.
Diesmal ist das aber nach hintn losgegangen. Mit Ausnahme von ein paar Systemapologeten ist das Kommentariat beim SF so richtig über Puentes hergefallen und hat seinen Text und auch seinen Standpunkt (SPD) auseinandergenommen. Dass ich das noch erleben durfte. Es war köstlich, die Meinungen unter seinem Text beim SF zu lesen. Der Mann ist dermaßen kritikresistent weil von seiner eingebildeten Grandiosität geblendet, dass er eigentlich den "Jagdschein" haben dürfte.

Zum Inhalt fiel mir gleich beim Lesen des Artikels bei bad sinistram auf, dass mal wieder Brilly Wandt auf den Schild gehoben wird. Sicherlich sehr zum Wohlgefallen von Albrecht Müller und Co. Dann wurde der Radikalenerlass von dem Autor für notwendig gehalten. Diesen Unsinn muss man nicht kommentieren. Hier schreibt Puentes aus dem sicheren Schützengraben der Gnade der späten Geburt.



altautonomer hat gesagt…

Puentes ist jetzt auch Stamm-Spiegelfechter-Autor von Bergers Gnaden. Laberbacken als linksliberaler Stoßtrupp zur Befriedung revolutionärer Ideen.

https://www.youtube.com/watch?v=jqcGVnXDozA&feature=youtu.be

(Wellbrock und Berger reden mit Kermit.)

comrade hat gesagt…

Große Grütze!
Eine neue Variante von Montezumas Rache für 'ne Hirnspülung?
La Puentes Radikalenerlass auf Bergers SF.com.ix und als ob das nicht schon Dünnpfiff genug wäre, gibt es diese Bloggertaler Gaudiburschen ab sofort als YouTube-Terzett mit ihrem neuen Format:

"Nous sommes Pommes"

Charlie hat gesagt…

@ altauto: Ich kann dem Kommentariat beim "Spiegelfechter" nicht sonderlich viel abgewinnen, da sich dort, wie gewohnt, die Parteisoldaten der Linkspartei breitmachen, die in ebenso merkbefreiter, geradezu dämlichen Weise ausgrechnet diese Partei als "einzige Alternative" zum kapitalistischen Irrsinn (den sie allerdings - wen wundert's - nicht so benennen) sehen.

Solange es sich nicht endlich herumgesprochen hat, dass auch die Linkspartei keineswegs eine "Alternative" oder gar einen "Ausweg" aus dem kapitalistischen Terror bietet, wird sich allenfalls das Wahlspektrum verschieben, ohne dass tatsächlich etwas Sinnvolles geschieht, das Superreiche ängstigen müsste. Die meisten Stammkommentatoren dort drüben setzen nicht auf außerparlamentarische Veränderungen, sondern auf Figuren wie Wagenknecht, Gysi & Co und damit auf das bis auf die Knochen korrupte System. Wie debil und - man muss das so deutlich sagen - verrückt das ist, bemerken sie leider nicht.

Ich weiß nicht, ob "schwitzig", der unsägliche "Dennis82" und so viele andere einfach interessierte Parteimitglieder der PDL sind oder nur ihren geistigen Horizont nicht erweitern können oder wollen. Im Grunde unterscheiden solche Leute sich nicht grundlegend von einer Dumpfbacke wie Lapuente, da sie nach wie vor im bestehenden Parteiensystem die Lösung suchen. Sie gleichen damit dem Koch, der einen Topf mit leckerem Inhalt versehentlich drei Wochen im Regal stehen gelassen hat und nun versucht, den verfaulten Inhalt mit edlen Zutaten wieder genießbar zu machen.

Derweil säuft die "Elite" weiter Champagner, hat keine Angst und amüsiert sich köstlich über derlei Slapstick, während sich die Geldspeicher unablässig von selbst füllen. Lapuente ist in diesem Fall gewiss der Deppenkönig, aber viele linksparteigläubige Kommentatoren sind die schmückenden, zierenden Ornamente, welche die Krone erst in vollem Glanz erstrahlen lassen.

Ich verstehe diese Menschen schlichtweg nicht.

epikur hat gesagt…

"Radikal ist heute wie damals in erster und mit großem, uneinholbaren Abstand bedeutendster Linie der Kapitalismus: Kriege, Hunger, Armut, konsequente Zerstörung des Planeten, korrupte Pseudodemokratien überall, Überwachung, staatlich organisierte Ermordungen von "Verdächtigen" und so vieles, vieles mehr."

Diesen Satz bitte dick und fett unterstreichen und gerne öfters wiederholen! Das ist der Punkt!

Den Begriff "Realpolitik" indessen halte ich für unangemessen. Das Wort ist pures Neusprech im Sinne eines Niccolo Machiavelli, in der ethische, normative oder religiöse Überlegungen in der Politik nur insofern relevant seien, sofern sie dem Machterhalt dienlich sind. Mit diesem Terminus haben die SPD-Granden beispielsweise die Agenda 2010 sowie die Kriegseinsätze im ehemaligen Jugoslawien gerechtfertigt. Oder anders ausgedrückt:

Realpolitik bedeutet: there is no alternative (TINA). Realpolitik bedeutet, Macht– und Eigentumsverhältnisse nicht anzutasten. Realpolitik bedeutet, im Sinne der Mächtigen und Herrschenden zu handeln. Realpolitik bedeutet, keine Vision, keine Idee und keine Vorstellung von einer besseren Welt zu haben, sondern sich bestmöglich einzurichten.

Anonym hat gesagt…

Ich war über De Lapuentes Elaborat ebenfalls ziemlich entsetzt. Spiegelfechter lese ich fast nicht mehr, vor allem begründet durch die meisten selbstverliebten Kommentatoren. Es erscheint mir das ad sinistram seit einigen Monaten seinen Schreibstil geändert hat, seine Themen mainstreamorientierter (in Richtung linkem Mainstream)abhandelt. Ich bin mit De Lapuente vor knapp 2 Monaten aneinander geraten, als er meinen Kommentar zu Hartz IV in ziemlich arroganter, oberlehrerhafter und besserwisserischer Weise abbügeln wollte, weil ich mir erlaubte, Hartz IV, unter anderem als Konzentrationslager zu bezeichnen. Ich habe dann, aufgrund der arroganten Einlassungen von de Lapuemte einfach meine Kommentare entfernt.

Allerdings, ich muss gestehen und schäme mich deshalb keineswegs, auch erst seit ca. März 2016 erkannt zu haben, das die Partei "die Linke" ebenfalls keine Alternative zu neoliberaler Politik ist. Ramelow habe ich bereits seit seinen Anfängen als Thüringens MP mit Argwohn und Misstrauen verfolgt. Leider zu Recht. Bartsch, Gysi sind auch nicht besser, wollen endlich mitregieren. So sehr ich große Teile des Wahlprogramms schätze, die meisten Hauptprotagonisten der "Linken" sind im parlamentarischen System bereits bestens angekommen und haben sich eingerichtet.

Charlie hat gesagt…

@ Epikur: Danke für diesen Kommentar. Es wäre allerdings hilfreicher, wenn Du dich auch einmal zu den lächerlichen Spaltungsmythen äußern könntest, die immer wieder gerne von Reformisten angeprangert werden: Wie um alles in der Welt sollte es eine "vereinigten Linke" geben, in der Systembewahrer ebenso eine Stimme haben sollen wie Systembekämpfer? Absurder geht es doch kaum noch - und Lapuente tritt hier den nachlesbaren Beweis an.

Das geht nicht - und es kann nicht gehen. Mit demselben Anspruch könnte man auch versuchen, Royalisten und Demokraten unter einen Hut zu bringen. Wer in der SPD, den Grünen oder der Linkspartei einen Ausweg aus der Misere der kapitalistischen Katastrophe sucht, glaubt auch gewiss an den Osterhasen oder das schwebende Spaghettimonster namens Allah oder Gott. Das sind heute wieder erschreckend viele.

Hier ist - deutlicher denn je - eine klare Abgrenzung vonnöten, um dem dauernden Verrat der etablierten Parteien an der Bevölkerung zugunsten der "Elite" begegnen zu können. Da helfen keine wohlfeilen Reden im Bundestag, sondern es sind Taten gefragt - und die fallen bezüglich der Linkspartei in "Regierungsverantwortung" ausnahmslos ebenso desaströs aus wie die der SPD, der FDP oder der CDU. Wenn nicht sogar schlimmer.

Wenn Lapuente also die "radikale Linke" - also die eigentliche, antikapitalistische Linke - hier ausgrenzt und abspaltet, ist das eine gute, hilfreiche Sache. Mit den Noskes, Schröders, Steinmeiers und Gabriels ist hier kein Blumentopf zu gewinnen.

Liebe Grüße!

comrade hat gesagt…

Dieses Würstchen Lapuente mal beiseite lassend:
O-Ton NachDenkSeiten:
"Stellt sich ein bärtiger AKP-Anhänger putschenden Militärs in den Weg " ... wie poetisch!

Ganz klar?

Berger und Co. machen einen auf Erdoganversteher

Hier wird nur eins klar:
Weder hat Berger jemals verstanden, warum es bei den Gezi-Park Demonstrationen ging, noch hat er die leiseste Ahnung davon, welche Parallelstrukturen sich die AKP-Führung in Form militarisierter Polizeieinheiten, komplett auf die Partei ausgerichtet, inzwischen geschaffen hat. Geschweige denn mit welchen islamistische Gruppierungen und völkisch-dschihadistischen Milizen Erdogan bei seinem Syrien Abenteuer kungelt. Noch hat Berger und Co. jemals von irregulären Truppen - zusammengesetzt aus MHP-Faschisten und Islamisten - die in den kurdischen Gebieten im Südosten der Türkei "Spezialaufträge" für Erdogans Kampf gegen die Pkk durchführen gehört, ... dafür aber über den gescheiterten Putsch in der Türkei ein Interview mit einem Istanbuler Taxifahrer in Springers "Welt am Sonntag" gelesen!

Erdogan wird sich in Zukunft noch offener auf radikal-islamistische und völkisch-nationalistische Kräfte in der Türkei stützen, also genau auf die Kräfte, die in den vergangenen Tagen angeblich die Demokratie gerettet haben.

Etwas dümmeres als diese "NachDenkSeiten Zitate" gibt es ansonsten nirgends zu lesen.

comrade hat gesagt…

Aus der Endlosserie "Neulich in Klein-Bloggersdorf"

Der stellvertretende Vorsitzende der „Initiative zur Verbesserung der Qualität politischer Meinungsbildung e.V.“ (IQM) am Montag:

Stellt sich ein bärtiger AKP-Anhänger putschenden Militärs in den Weg, dann ist er nur ein Islamist, der mit Demokratie nichts zu tun haben kann.

Wie demokratisch!
Den Applaus der AKP-Anhänger auf Facebook hat er sich zum Wochanfang damit redlich verdient. Aber Berger wäre nicht Berger ...

Ceterum censeo: Auch ich kritisiere Recep Erdoğan und die AKP scharf.

... und 2 Tage später, oder worauf man getrost seinen Arsch verwetten konnte - Berger erweist seinem Titel "Weltmeister im Zurückrudern" mal wieder die Ehre:

Anmerkung Jens Berger: Wo sind sie denn nun, die aufrechten „Demokraten“, die sich gegen den Militärputsch gestellt haben? Wir sind Zeugen eines Putschs; aber nicht eines Militärputschs, sondern eines präsidialen Putschs.

Oha!
Berger der neue Oferanwalt:
~~~
Und es erzähle mir niemand, dass diese 29.000 Opfer spontan, als Reaktion auf den Putsch, herausgesucht wurden. Ohne „schwarze Listen“ sind derlei „Massensäuberungen“ nämlich nicht möglich.
~~~
... und es kommt wie es kommen muß: Berger wedelt von seiner digitalen Apfelsinenkiste mit moralgeschwängertem Zeigefinger gegen das untergehende heutige Byzanz:

Ginge es nicht um Erdogan, sondern um Putin, würde es sicher schon Sanktionen aus Brüssel und Washington hageln.

Gratuliere! Am Montag einen Fuffi von der AKP kassiert, läßt man zwei Tage später den Fuffi von RT Deutsch natürlich nicht rechts liegen.
Derart erfolgreicher Verbesserung der Qualität politischer Meinungsbildung bliebe nur noch hinzuzufügen:

» Ceterum censeo Bruxellās esse delendam «