Mittwoch, 3. August 2016

Die versaute Realitätsflucht (33): The Witcher 3: Wild Hunt


Zu diesem Ausflug in die virtuelle Welt kann ich nicht viel schreiben, da ich nicht sehr weit vorgedrungen bin. Das von vielen anderen hoch gelobte Spiel des polnischen Entwicklers CD Project Red aus dem Jahr 2015, das ich mir mühsam durch den wochenlangen Verzicht auf den Kauf von frischen Lebensmitteln vom Munde abgespart habe, hat mir von Anfang an dicke Knüppel zwischen die Füße geworfen.

Es begann mit einer unsäglichen Installationsprozedur: Die vier DVDs waren nach einigen sehr vielen Stunden endlich erfolgreich installiert, hatten nach dem Start aber zur Folge, dass erneut 11 Gigabyte (!!) an Daten aus dem Netz geladen werden mussten, um das Prozedere abzuschließen. Das dauerte länger als einen Tag. Ich hatte mich sehr auf das Spiel gefreut, also las ich währenddessen einfach ein gutes Buch und wartete brav. Diverse Gewaltfantasien, die mich schon zu diesem Zeitpunkt heimsuchten, konnte ich noch problemlos unterdrücken.

Dann war der Download irgendwann endlich abgeschlossen und die Installation komplett - und voller Vorfreude startete ich das "GOG-Tool", mit dem das Spiel gestartet werden sollte. Aber was soll ich sagen: Das Programm startete nicht, sondern mein Rechner teilte mir mit, dass diverse dll-Dateien fehlten und ich die Installation wiederholen solle. Da war mein Hals so groß wie die Leere in Merkels Gehirn, aber zum Glück schaffte ich es, die erforderlichen Datein aus dem bösen Internet herunterzuladen und in die entsprechenden Verzeichnisse zu kopieren, so dass eine erneute Installation doch nicht nötig war. Das dauerte indes ebenfalls einige Stunden Tage, da es multiple Lösungen für diesen offenbar nicht selten auftretenden Fehler gibt und ich sie allesamt durchexerzieren musste, bevor sich der Erfolg einstellte.

Nun war ich also endlich bereit für das angepriesene Spiel, startete das "GOG-Tool" ... und wurde belohnt von dem Hinweis, dass erneut 11 Gigabyte (!!) herunterzuladen seien, um das Spiel auf den "aktuellen Stand" zu bringen. Ich habe das unverzüglich und völlig entnervt abgebrochen und mir böse Systemmeldungen dafür eingehandelt, die mir zu diesem Zeitpunkt aber vollkommen egal waren - das Spiel ließ sich glücklicherweise auch so starten.

Ich durfte dann - nach so vielen Tagen (!) - ein langes, sehr schön und detailreich gestaltetes, freilich überaus sexistisches Intro genießen, das meine niederen Erwartungen nicht enttäuschte. Dieses - einzige - positive Erlebnis endete sodann in der Karikatur eines "Tutorials", wie ich es nie zuvor erlebt habe. Ich durfte einen Geralt (das ist der Spielcharakter) steuern, der sich bewegte, als glitte er unentwegt über ein Eisfeld und der ständig Befehle bekam wie "Drücke 'X' und halte 'Alt-links' gedrückt, um einer Attacke auszuweichen" oder "Drücke 'Umschalt-links' und gleichzeitig 'Ü' und 'ß', um Bomben zu werfen" und derlei Schmonzes mehr.

Die Steuerung der Spielfigur in den vorangegangenen Witcher-Teilen war ja ebenfalls alles andere als "intuitiv" oder benutzerfreundlich - aber hier haben die Entwickler tatsächlich den Vogel abgeschossen und ein System geschaffen, das den Irrsinn vollendet. - "Nun ja", dachte ich so bei mir, "vielleicht musst Du dich einfach ein wenig umgewöhnen?" - was mir auch von anderen Fans dieses Spiels nahegelegt wurde. Ich leistete mir also diese Zeit, probierte es nach einigen Wochen wieder, und wieder, und wieder ... das Resümee lässt sich hier nachlesen. Wenn das unsägliche "Tutorial" hinter mir liegt, habe ich schlichtweg keine Lust mehr, den schwammig auf unsichtbarem Eis gleitenden und stets verzögert reagierenden Charakter mit den unsäglichen Tastenkombinationen durch das Abenteuer zu begleiten - nach insgesamt vier Versuchen habe ich das nun aufgegeben und mich damit abgefunden, einmal mehr einen Griff ins tiefe Klo getätigt zu haben.

Da spiele ich doch lieber Schach - ganz ohne Schlittschuhe und kryptische Tastenkombinationen.


Eisrutschen in Rumänien, 1917

13 Kommentare:

Martin hat gesagt…

Charlie,

ich kann dir kaum beschreiben, wie sehr diese Rezension auf meine Erfahrung mit dem Spiel zutrifft. Ich stimme dir hier zu 100 % zu. Meine Rezension auf Amazon las sich sehr ähnlich und bemängelte hauptsächlich dieses völlig dämliche Tutorial, wo ich aus lauter Frust beinahe meine Tastatur in die Ecke gepfeffert hätte. Normalerweise ist das Ziel eines Tutorials, Gelegenheitsspieler mit der Steuerung vertraut zu machen, doch genau das Gegenteil wird hier bewirkt. Statt eine Erleichterung wurde alles so unnötig verkompliziert und ich kam mir vor ich bräuchte eine Maus mit 15 Tasten! Ich meine Hallo? Warum kann man kein vernünftiges Rollenspiel machen, wo sich die Steuerung von selbst erklärt, ohne Hektik und Stress?

Falls du daran interessiert bist, hier meine Amazon-Rezension:
https://www.amazon.de/gp/customer-reviews/R3BFR1BH0YE27G

Allerdings muss ich sagen, dass ich diese Rezension revidieren musste. Anfangs habe ich dem Spiel nur 2 Sterne verliehen und hatte genau wie du kein Bock mehr nach dem Tutorial noch großartig weiterzuspielen. Doch im Laufe der Zeit habe ich das irgendwann getan und habe einige Tage mit dem Spiel verbracht. Und ich muss sagen die Welt, besonders die Städte rauben dir buchstäblich den Atem. So lebendig und detailverliebt hat man das bisher in keinem Spiel erlebt. Hier wurde wirklich mit Herzblut gearbeitet und nicht mal eben um schnell viel Geld zu verdienen. Und das Spiel bietet so einige Momente des Staunens, wo du einfach nur die Welt genießt. Dennoch, insgesamt leider kein Meisterwerk. Ich vergleiche ja immer alles mit Gothic 1 & 2 und da kommt The Witcher 3 leider nicht mit, auch wenn es nach einiger Spielzeit doch ein sehr gutes Spiel ist. Aber deine Kritik zu Anfang ist absolut nachvollziehbar. Vor allem, wenn das Spiel von allen so gehyped wird als gäbe es nichts Besseres auf der Welt.

Und mit Merkels Verstand hast du ebenfalls Recht. Diese Frau ist nicht nur dumm, sondern vor allem böse. Aber diesmal keine Diskussion mehr über Politik.

Da du ja einmal bei GOG bist ... ich habe gestern THE CAT LADY durchgespielt und was sollich sagen? Ein Meisterwerk, eine emotionale Bombe. Hast du außerdem schon SCRATCHES gespielt? Wegen NEVERENDING NIGHTMARES hab ich dir auch ne e-mail geschickt. SOMA solltest du ebenfalls nicht verpassen, und natürlich GOTHIC 1.

Die glänzen alle durch hervorragenden Tiefgang und jagen dich nicht durch unzumutbare Tutorials.

Grüße
Martin

Your_Ugly_Mom hat gesagt…

Hallo Charlie,

da bin ich ja sehr beruhigt, denn ich habe das Spiel 2015 gekauft und bin ähnlich entnervt schnell weitergezogen zu anderen Spielen. Das "Nachgleiten" des Charakters, vor allem auf dem Pferd, fand ich einfach nur nervig. Dann brauch ich mir das also nicht noch mal anzutun in der Hoffnung, dass sie das abgeändert hätten. Gut...


Gruß
Stefan

Charlie hat gesagt…

@ Martin: Ich will es gar nicht ausschließen, dass ich dem Spiel irgendwann doch noch mal mehr Aufmerksamkeit widme - für den Moment (und ich fürchte, der wird recht lange dauern) habe ich aber den Kaffee auf.

Eine Mail habe ich von Dir bislang nicht erhalten, am Mottenkistenspiel "Scratches" versuche ich mich gerade, sofern meine Gesundheit das erlaubt (dazu werde ich später mal etwas schreiben), und die übrigen von Dir genannten Titel kenne ich leider nicht. Ich muss mich da aber ohnehin ausklinken, da es mir auf absehbare Zeit unmöglich sein wird, irgendwelche Spiele käuflich zu erwerben.

"The Witcher 3" bleibt bislang für mich die zweite ganz große Enttäuschung der jüngeren Zeit, gemeinsam mit "Risen 3" - bislang hat es jedenfalls noch kein anderes RPG geschafft, mich allein durch die unsägliche Installationsroutine und das völlig verkackte Tutorial so nachhaltig vom Weiterspielen abzuhalten.

Womöglich trifft hier auch einfach Geralts Standardspruch aus dem zweiten Teil auf mich zu: "Ich bin zu alt für sowas." ;-)

Liebe Grüße!

Charlie hat gesagt…

@ Stefan: Ich kann und will das Spiel nicht in Bausch und Bogen verdammen, da ich - wie geschrieben - nicht über das Tutorial hinausgekommen bin. Mit einem Pferd hatte ich da nichts zu tun. Es stimmt mich allerdings wenig zuversichtlich, dass das fröhliche Eisrutschen offenbar auch danach anhält.

Gibt's heute eigentlich keine Spieletester mehr (ich war mal einer), die den Entwicklern sagen, wenn sie Mist produzieren?

Liebe Grüße!

Martin hat gesagt…

Nein, solche Spieletester haben, wie das überall auf der Welt so üblich ist, nicht den Mut gegen den Strom zu rudern und hängen ihr Fähnchen nach dem Wind. Die wollen bloß nicht schräg angeschaut werden, wenn sie sowas kritisieren. Lieber reden sie alles positiv und genießen ihren Ruf. Und noch dazu sind viele Spieletester gar nicht dazu in der Lage, Qualität und Umsetzung von einem Spiel zu beirteilen.

Die Mail schicke ich dir noch mal los. Naja, ab und zu gibt es auf GOG Spiele für 2 Euro, aber wenn es dir momentan nicht möglich ist, dann ist das einfach schade. Aber wie gesagt diese Titel solltest du dir für irgendwann mal merken. Ich hoffe, dass dir Scratches gefällt (Director's Cut) und bitte gib dieses Spiel nicht so schnell auf.

Grüße
Martin

Martin hat gesagt…

Hast du denn meine e-mail diesmal bekommen, Charlie?

Grüße
Martin

Charlie hat gesagt…

@ Martin: Mail ist wohlbehalten angekommen, vielen Dank.

Liebe Grüße!

Martin hat gesagt…

Das freut mich, Charlie.
Und ich kann es kaum erwarten, deine Reviews zu Scratches und Neverending Nightmares zu lesen :-)

darkmoon hat gesagt…

Ich finde Scratches doof. Und ich wage mal die Prognose daß Charlie das eben so sieht. :))

Martin hat gesagt…

@darkmoon WAS? Scratches ist Atmosphäre pur! Ein absolutes Meisterwerk. Der Horror ist immer professionell subtil und niemals billig. Hast du es überhaupt durchgespielt? Und ich denke Charlie wird es genauso sehen wie ich. Scratches ist dafür auch bekannt, eines der besten Horror-Adventures überhaupt zu sein.

jakebaby hat gesagt…

Se Start of se War of se sissy ComputaGamesNerds ... Ai haef tu get me sam Popkorn ..

darkmoon hat gesagt…

Martin, ich hab das SPiel durchgespielt und finde es trotzdem scheiße. Da sind ja sogar die Black Mirror Teile noch spannender. Warten wir mal ab was Charlie dazu meint! :) Soweit ich weiss ist der grad aber mit was anderem beschäftigt.

Martin hat gesagt…

Was Charlie auf jeden Fall spielen muss, ist SOMA. Ich meine es gibt zwar vom Horror her beängstigendere Spiele, aber storytechnisch und atmosphärisch ist dieses Spiel auf allerhöchstem Niveau. Vor allem geht es da um echte groteske Wissenschaft.