Weite Teile des bedrückenden Buches von Christof Schade, das ich heute vorstellen möchte und das vor 30 Jahren noch als "Science Fiction" deklariert wurde, sind heute bereits bittere Realität. Ich zitiere aus dem Klappentext:
Die Hungerwaffe im Kampf um die Weltmacht / Christian Corall, Entwicklungshelfer in Nepal, wird gekidnappt und bald wieder freigelassen. Doch den Freunden und Angehörigen präsentiert sich bei seiner Rückkehr ein veränderter Mensch: Dem jungen Mann schärfte sich während seiner Gefangenschaft der Blick für die sozialen Ungerechtigkeiten; er entlarvte die Phrase von der "Grünen Revolution", jener trügerischen Hilfsmaßnahmen reicher Industrieländer für die sogenannte Dritte Welt.
Überraschend für alle tritt Corall bei McGill, dem mächtigsten Getreidemulti der USA, eine Praktikantenstelle an - und sieht seine Befürchtungen bestätigt: Maßgeschneiderte Getreidesorten, ertragreich, aber nicht zur weiteren Aussaat geeignet, machen die Hungernationen abhängig von alljährlichen Saatgut-Lieferungen und zwingen sie zu Wohlverhalten.
Die Machenschaften von multinationalen Konzernen wie beispielsweise Monsanto gehen heute über das im Roman Beschriebene sogar weit hinaus: Man hat sich gentechnisch manipulierte Pflanzen, die sich auf natürlichem Wege auch über den eingesetzten Rahmen hinaus unweigerlich verbreiten, "patentieren" lassen und zockt auf diese Weise sogar jene Kleinbauern ab, die sich bislang noch weigern, das gentechnisch veränderte Konzern-Saatgut, das Pflanzen hervorbringt, die keine aussaatfähigen Erträge mehr bringen, teuer einzukaufen. Die Ausbeutung, Entrechtung und Versklavung ganzer Landstriche - bislang noch vorzugsweise in den ärmsten Gegenden dieses verkommenen Planeten - ist in vollem Gange.
Selbstverständlich existieren bis heute keine seriösen Langzeitstudien bezüglich der Auswirkungen solcher genetischer Manipulationen an Nutzpflanzen auf Menschen, Tiere und die Pflanzen selbst. An ihren Machenschaften und der stetigen Weiterverbreitung ihrer "Produkte" werden diese Konzerne beharrlich und voraussichtlich auch weiterhin aber nicht gehindert - ganz im Gegenteil. Der Kapitalismus erblüht hier zu seiner vollen, widerwärtigen Pracht.
Nähere Informationen bietet beispielsweise die erschreckende Arte-Dokumentation "Monsanto - Mit Gift und Genen", die momentan aber nur in kleinen Einzelteilen auf youtube verfügbar ist. Den ersten Teil findet man hier. Der Arte-Moderator Thomas Kausch kündigt den Film unter anderem mit diesen Worten an:
Als ich diesen Film zum ersten Mal sah, hatte ich gleich sämtliche Bösewichte aus den James-Bond-Filmen vor Augen, die die Welt beherrschen wollen. Dieses Drehbuch allerdings basiert auf Fakten. Der Film zeigt, wie der amerikanische Chemie-Gigant Monsanto im Begriff ist, mit Herbiziden und Gentechnologie die Nahrungsmittelproduktion der ganzen Welt unter seine Kontrolle zu bringen.
Der genetische Krieg ist keine Science Fiction mehr - er ist in vollem Gange, und die profitgierigen Konzerne sind selbstverständlich dabei, ihn zu gewinnen. Wie sollte es auch anders sein in diesem kranken System der Profitgier um jeden Preis. Der wunderbare Roman liest sich heute eher wie ein Sachbuch mit erzählerischen Komponenten. - Der Autor wird vom Verlag folgendermaßen vorgestellt:
Christof Schade studierte in Berlin und München Volkswirtschaft. Er arbeitete dann als Rundfunkreporter in Berlin. Ab 1968 war er Redakteur für das ZDF in München, zahlreiche Reisen. Er ist ein pessimistischer Zukunftsbetrachter, voller Hoffnung, dass er unrecht hat.
Es war im Kapitalismus schon immer so, dass die Hoffnung zuletzt stirbt - bislang ist sie aber dennoch stets gestorben bzw. ermordet worden. So auch in diesem Fall. Die Dystopie ist der Regelfall im Kapitalismus - und wir können sicher sein, dass es für jede menschenfeindliche Abartigkeit, die man sich in den finstersten, gemeinsten Augenblicken ausdenken kann, noch eine weitere, grausame Steigerung gibt.
(Christof Schade [*1937]: "Der genetische Krieg", Heyne 1985)
4 Kommentare:
Nicht das hier wieder welche auftauchen und rumheulen. "Das Buch kostet 2,20 Euro, das kann sich nun wirklich kein Hartzi leisten..." ;-)
Zum Thema Monsanto habe ich auch mal eine interessante, sehr erschreckende Doku gesehen. Ich glaube, es war eine andere, als die verlinkte. Es ging eher darum, wie Monsanto mit Landwirten und angeblichen Patentverletzungen umgeht. Die sind da sehr schnell mit Klagen und Gerichten. Im Grunde läuft es darauf hinaus, dass sie die Landwirte finanziell klein kriegen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Monsanto#Monsanto_als_Kl.C3.A4ger (ich weiß, ist wikipedia, aber trotzdem gut beschrieben)
Bayer will den Scheißverein jetzt ja unbedingt kaufen.
Moin,
natürlich will Bayer den Riesen Monsanto kaufen.
Das Vernichten von Leben gleich welcher Art,gehört schließlich zur Kernkompetenz
diese deutsch. Konzernes.
Endlich mal wieder etwas wo wir auch Meister sein dürfen.
p.s. wer Sarkasmus findet, kann ihn behalten.
Witzig dass du, Charlie, dieses Buch vorstellst, denn ein ähnliches las (besser: verschlang) ich auch letztens:
Biokrieg von Paolo Bacigalupi (ich bekam es für einen Euro vom "Ramschtisch" in der Stadtbücherei - so viel zum Preis...)
Link mit Bild:
https://www.booklooker.de/B%C3%BCcher/Bacigalupi+Biokrieg/id/A02dZPQw01ZZ4
In diesem Buch haben multinationale Nahrungsmittelkonzerne ebenfalls die Welt zerstört und beuten sie weiter aus.
Ich bin auch ein Fan vom Shadowrun-Universum; denn dass die Konzerne bald die Weltherrschaft übernehmen, ist nicht mehr zu übersehen.
Schöne Grüße!
Und Danke für deinen Buchtipp (wie immer).
Danke für die Ergänzungen. - Das alberne Thema der Buchpreise sollten wir hier aber nun wirklich abhaken - der Vorwurf war und ist absurd. Die allermeisten hier vorgestellten Bücher gibt es antiquarisch für ein paar Cent oder sie stehen sogar in zumindest heute noch vorhandenen, meist weitgehend kostenlos benutzbaren Bibliotheken - worauf man auch bei neueren Büchern in der Regel nicht allzu lange warten muss.
Es mag sein, dass es im Internetzeitalter gar nicht mehr so vielen Menschen bewusst sein könnte, dass es noch immer so etwas wie Bibliotheken gibt, in denen man sich Bücher, CDs und DVDs kostenlos ausleihen kann. Ich bin jedenfalls heilfroh, dass ich noch immer die Uni-Bibliothek meiner Stadt besuchen kann - gegen das dortige Angebot ist das zunehmend kommerzialisierte Internet nicht einmal ein trockener Furz in der bösesten Wüste auf dem Merkur. Das wollte ich mal gesagt haben.
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