Donnerstag, 29. September 2016

Buchempfehlung: The Iron Thorn


Die Erzählung von Algis Budrys, die ich heute vorstellen möchte, ist wie so oft in der ernsthaften Science-Fiction-Literatur eine wunderbare Parabel, die man mit kafkageschulten Augen lesen sollte, um ihre Tiefen sowie den Realitätsbezug dieser Geschichte erkennen zu können. Im Klappentext heißt es:

In einer Oase um einen domartigen Turm, der ihnen Atemluft und Wasser liefert, leben Menschen in einer kleinen Gemeinschaft von Bauern und Jägern. Die Wüste ringsum wird von feindseligen Amsiren durchstreift, seltsamen geflügelten Geschöpfen, die den Menschen als Nahrung dienen.

Als der "weiße Jackson", der Held dieser Erzählung, seinen ersten Amsir erlegt, macht er eine bestürzende Entdeckung. Und bei seiner nächsten Begegnung mit einem der drachenähnlichen Wesen begibt er sich in dessen Gewalt und gelangt in die Siedlung der Amsire, wo Jackson zu seiner Verblüffung ebenfalls einen domartigen Turm vorfindet.

Es wird allmählich klar, dass es sich bei den seltsamen "Domen" um ehemalige Raumschiffe handelt und dass der Planet von Überlebenden verschollener Raumschiffe besiedelt ist. Aber die gemeinsame Existenz von Menschen und Amsiren auf dem seltsamen Wüstenplaneten wird immer rätselhafter ...

Ich habe dieses lediglich 142 Seiten umfassende Büchlein seinerzeit in einer einzigen Nacht gelesen und mir danach tagelang vorgestellt, wie man diesen fantastischen, dramaturgisch exzellenten Stoff in ein filmisches Epos verwandeln könnte. Es ist ein intellektueller Jammer, dass stattdessen infantile, strunzdumme Märchen wie "Star Wars" auf die Leinwand gebracht wurden.

Die "Dome" aus der deutschen Übersetzung sind natürlich im Original Dornen ("thorns"), was zum Verständnis der Geschichte jenseits des Trivialniveaus deutlich beiträgt. Selbstredend hat der Heyne-Verlag auch dieser Erzählung einen grenzdebilen, neuen Titel verpasst: "Das verlorene Raumschiff" versprach zur Zeit der Veröffentlichung wohl einen höheren Profit als der Originaltitel "Der eiserne Dorn". Die "Marketing"-Schlips-Borg waren auch vor 30 Jahren schon aktiv und haben ihre stinkenden Kotspuren hinterlassen.

Letztlich handelt es sich hier um eine fantasievoll verschlüsselte Beschreibung und Analyse des Kalten Krieges zwischen der damaligen UdSSR und den USA. Vor diesem Hintergrund ist die Lektüre gleich doppelt so spannend, da der Autor in Ostpreußen als litauischer Staatsbürger geboren wurde (es lohnt sich, in diesem Zusammenhang etwas mehr über die Geschichte Litauens aus dieser Zeit zu lesen), aber in den USA aufgewachsen ist. Die westliche Propaganda, die aus dem "bösen", russischen Gegner gar "drachenähnliche Wesen" macht, wird hier schonungslos enthüllt - und erlebt heute dennoch eine widerliche Renaissance, die sich gewaschen hat.

Dieses wunderbare Buch passt in unsere schaurige Zeit wie die säbelrasselnden Schlipsgewürgten aus der Politik und den Medien, die es offenkundig gar nicht abwarten können, bis der nächste Krieg gegen Russland endlich beginnt - selbstverständlich, wie immer, ohne ihre persönliche Teilnahme.



(Algirdas Jonas Budrys [1931-2008]: "The Iron Thorn", 1972; dt. "Das verlorene Raumschiff", Heyne 1984)

2 Kommentare:

Mechthild Mühlstein hat gesagt…

OT:
Ich hab ein bißchen rumprobiert. Das »recent-comments-widget« (http://helplogger.blogspot.de/2012/03/recent-comments-widget-for-blogger.html) scheint wieder zu funktionieren, wenn man beim blognamen beachtet https anstatt http einzugeben. Ist auf jeden fall schöner als der behelf mit dem abonierten feed. Daß ich da noch nicht eher drauf gekommen bin...

Charlie hat gesagt…

Ich wäre ein klingonischer "DenIb Qatlh" (Schleimteufel) ohne Dich. Tausend Dank für diesen erneuten, wertvollen Hinweis! :-)