Angesichts des bald anbrechenden "Luther-Jahres" ist es nur recht und billig, die Thesen des Herrn Reformators einer etwas näheren Betrachtung zu unterziehen. Der Kollege Flatter hat vor knapp vierzehn Tagen mit einem kurzen Text und einigen weiterführenden Links ein hübsches Fundament geschaffen, das ich zur Lektüre sehr empfehle, auch wenn ich nicht allen Schlussfolgerungen zustimmen kann.
Nun war sogar in der ansonsten streng kapitalistisch, "arbeitsfetischistisch" ausgerichteten Zeit ein kritischer Text von Patrick Spät zu diesem Thema zu lesen, der zudem sinnigerweise im Ressort "Karriere" erschienen ist. Vielleicht haben einige Praktikanten der dortigen Online-Redaktion doch so etwas wie einen schrägen Humor. Der Autor haut jedenfalls einige treffende Schienbeintritte heraus, die so gar nicht zum kapitalistischen Horrormärchen "Sozial ist, was Arbeit schafft" des Schlips-Borg-Kollektives passen. Er beginnt gleich mit den Worten:
"Der Mensch ist zur Arbeit geboren wie der Vogel zum Fliegen", predigte Martin Luther. Der Reformator wird als Freiheitskämpfer und Humanist gefeiert, doch abgesehen von seinem glühenden Antisemitismus war er auch ein glühender Arbeitsfanatiker. Ja, die Reformation befeuerte geradezu die moderne Lohnarbeit und den Kapitalismus. Denn "Müßiggang ist Sünde wider Gottes Gebot, der hier Arbeit befohlen hat", so Luther.
Das Stück ist leidlich informativ und für die Zeit geradezu revolutionär. Tatsächliche Religionskritik sucht man allerdings auch hier vergebens - darum geht es bei diesem Thema jedoch nicht in erster Linie. Die im letzten Absatz auftauchende, hirnzerkochende Passage: "Die Kirche und der Kapitalismus haben Jesus verraten. Der Protestantismus hat den Kapitalismus beflügelt und dabei die sozialrevolutionären Lehren Jesu entweder pervertiert oder schlichtweg verleugnet" kann man getrost ignorieren und nach der Lektüre trotzdem über mehr Informationen verfügen als zuvor.
Es wäre dringend an der Zeit, über die bösen Geißeln der Lohnarbeit, des pervertierten Privateigentums (insbesondere den Land- und Produktionsmittelbesitz sowie den absurden Superreichtum) und des widerwärtigen Untertanengeistes der breiten Masse endlich wieder kritisch zu reden - aber leider ist diese "freiheitlich-demokratische" Gesellschaft weiter von diesem Ziel entfernt als jemals zuvor. Dies illustrieren nicht zuletzt viele der Kommentare unter jenem Text, die man sich besser schenken sollte, wenn man nicht gerade Lust auf schlechte Laune oder schlimmeres hat.
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Spießers Stoßgebet
Ab heute bin ich Demokrat,
Schenk deine Gnade mir!
Gib einen König unserm Staat
Und ein hochprozentig Bier!
O Herr, ich will zufrieden sein,
Hab ich nur Hof und Haus!
Lass keinen mehr nach Bayern rein
Und wirf sie alle raus!
Ich will stets brav sein und human,
Hab Butter ich und Speck -
Was andere am Volk getan,
Das schert mich einen Dreck!
O Herr und Gott, beschütze mich
Vor Hagel, Sturm und Brand
Und entnazifiziere mich
Fürs neue Vaterland!
Dann werde treu ich dienen dir,
Wie ich's für Hitler tat -
Im Königreich, beim bayrisch' Bier,
Als echter Demokrat!
(Th. Miegler: "Spießers Stoßgebet", in: "Der Simpl", Nr. 4 vom Mai 1946)
8 Kommentare:
Oha Daschaurija!
Tatsächliche Religionskritik sucht man allerdings auch hier vergebens [...]
Oh No!
In seiner Vorurteil behafteten Attitüde entgeht dem Herrn Charlie mal wieder, daß exakt in dem Absatz, den er so nonchalant als "getrost ignorieren" seinen Leserheerscharen empfiehlt ...
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Oh -Ton Herr Charlie
"Der Protestantismus hat den Kapitalismus beflügelt und dabei die sozialrevolutionären Lehren Jesu entweder pervertiert oder schlichtweg verleugnet" kann man getrost ignorieren [...]"
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... genau diese geäußert wird, und seinen süffisanten Höhepunkt in den letzten Sätzen findet:
"Und hat nicht Gott selbst dem Arbeitswahn abgeschworen? Sechs Tage schuftete er – dann ruhte er und ward nicht mehr gesehen. Bis heute."
— Patrick Spät Martin Luther, der Vater des Arbeitsfetischs
Ergo ganz nebenbei eine spöttische Reminiszenz des Autoren an Paul Lafargues:
"Jehovah, der bärtige und sauertöpfische Gott, gibt seinen Verehrern das erhabenste Beispiel idealer Faulheit: nach sechs Tagen Arbeit ruht er auf alle Ewigkeit aus."
Quelle: Paul Lafargue - Das Recht auf Faulheit (Widerlegung des 'Rechts auf Arbeit') 1848)
Demselbigen noncholanten Ignorantentum erdreiste ich mir noch folgendes Zitat vors Schienbein zutreten:
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"'Die Heiden, ja die Heiden!' Sie begriffen, wie der gescheite Bastiat entdeckt hat und vor ihm der noch klügere Mac Culloch, nichts von politischer Ökonomie und Christentum. Sie begriffen u.a. nicht, daß die Maschine das probateste Mittel zur Verlängerung des Arbeitstages ist. Sie entschuldigten etwa die Sklaverei des einen als Mittel zur vollen menschlichen Entwicklung des anderen. Aber Sklaverei der Massen predigen, um einige rohe oder halbgebildete Emporkömmlinge zu 'eminent spinners', 'extensive sausage makers' und 'influential shoe black dealers' (hervorragenden Spinnern, Wurst-Großfabrikanten, einflußreichen Schuhwichshändlern) zu machen, dazu fehlte ihnen das spezifisch christliche Organ."
Quelle: Karl Marx, Das Kapital, 2. Auflage, S. 428.
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Seit allen Zeiten - insbesondere in der Antike - wird schon "über die bösen Geißeln der (Lohn)arbeit" und der "Befreiung" von derselben kritisch debattiert! ... und nicht erst seitdem ein paar flatterige Klein-Bloggersdorfer Postfaktiker den Antisemitismus eines Luthers vor 14 Tagen entdeckten.
Mein lieber "Liebe Grüße" Onkel Herr Charlie!
Das war's für heute
Ⓐus der Serie: Punk is death - » Hippies Forever Young «
@ Irgendwasunverständliches alias comrade: Ich bin ja stets offen für Kritik und nehme Deinen Hinweis sehr gerne zur Kenntnis. Weshalb Du allerdings in dem zitierten Schlussabsatz des Spät'schen Textes "tatsächliche Religionskritik" zu erkennen vermagst, wird wohl Dir allein vorbehalten bleiben. ;-) Wenn Du Kritik am Protestantismus mit Religionskritik gleichsetzt, während die "Lehren Jesu" sowie der Katholizismus diesem schrecklichen Teufelszeug offenbar diametral entgegenstehen, habe ich keine Fragen mehr und ergehe mich weiterhin orgiastisch in meinen "Vorurteilen". :-)
Du solltest versuchen, Dich etwas verständlicher auszudrücken. Nicht jede/r in Kleinbloggersdorf befindet sich auf Deinem elitären Wissensniveau - vielleicht könnten Ihre Erhabenheit sich ja herablassen und den niederen Pagen noch etwas mehr Weisheit zum Fraß vorwerfen? Das könnte gewiss positive, wenn nicht gar revolutionäre Auswirkungen haben!
Doch was sagst Du? Selbst junge Menschen müssen das alles schon qua Geburt wissen? - Potzblitz! Solche evolutionsfördernde Erkenntnisse muss man sich wohl auch erst in langen Drogennächten herbeifantasieren, damit man den notwendigen, immer neuen Hinweis auf die gängige Perversion mit einer Handbewegung lächerlich machen und sich selbst auf den Olymp der Erkenntnis setzen kann.
Ist es eigentlich ein Tippfehler oder eine beabsichtigte Absurdität, dass Du aus der alten (und falschen) Feststellung "punk is dead" in Deinem bekloppten Kommentar "punk is death" gemacht hast? Ich finde ja beides unsäglich bescheuert - die zweite Variante bewegt sich aber durchaus auf einem Niveau, das ich allenfalls der BLÖD-"Zeitung" bzw. deren Kommentatoren zugestehe.
Du kannst das doch viel besser - hör dich mal hier hinein. Vielleicht findest Du da noch ein intellektuelles Zipfelchen, an dem Du dich festhalten kannst, bevor es in den Abgrund geht?
Liebliche Grüße!
Herrlich, Astrein.. Vielen Dank euch Beiden!
Die Titanic hat heute unter der Rubrik "Briefe an die Leser" den Herrn Klopp zum Thema Luther kommentiert. Ich kann es leider nicht verlinken.
Liebste Grüße, Schirrmi :-)
HerrJessesMaria&Jussup!
Auf diesen rauhen Klein-Bloggersdorfer Kalvarienberg dümmlicher Repliken zu klettern ...
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während die "Lehren Jesu" sowie der Katholizismus diesem schrecklichen Teufelszeug offenbar diametral entgegenstehen,
Jeh Oh Weh!
Christus, die leidende Verköperung der Slaverei des Altertums, oder der lange Arm des Pfaffen in Gestalt katholischer Arbeitervereine mit dem zentralen Ziel der "Erziehung der Arbeiter " [sic!].
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... kann ich leichten Herzens verzichten, und bevor du versuchst mir auch noch den verkappten Jesusfreak ans Bein zu pinkeln, ziehe ich es vor ein weiteres mal - und zwar diesmal zu deinen Gunsten - an deiner Lesekompetenz zu zweifeln.
Desweiteren zur Beruhigung völlig überflüssiger Schnappatmung:
Mein "elitäres Wissensniveau", steht potentiell gegenwärtig knapp 3,.4 Milliarden Menschen bzw. 46 Prozent der Weltbevölkerung jederzeit gleichermaßen zur Verfügung, und ist in der Regel nie weiter als ein, zwei Mausklicks oder eine kurze Suchanfrage in der Suchmachine deines Vertrauens entfernt.
Wozu glaubst du eigentlich mach ich mir die Mühe jeweils explizit die Quellen meines "elitären Wissensniveau" anzugeben?
Zu dem "Tippfehler" beratschlage dich mal mit deinem inneren Spießer, vielleicht hat der 'ne Idee wessen "death" hier eventuell gemeint sein könnte.
Das wars mal wieder aus der Serie:
» Schon mal einem Pflasterstein namens "Enteignet Springer" begegnet? «
comrad komm Ⓐttentat
@ Schirrmi: Den Titanic-Brief habe ich auch gelesen, und damit er nicht allzu schnell wieder im Nirwana des Netzes verschwindet, gebe ich ihn hier einfach mal wieder:
Und aber apropos, Jürgen Klopp!
»Ich mag Luther, weil er für die Unterprivilegierten und Ausgeschlossenen gekämpft hat«, vertrauten Sie als »Botschafter fürs Reformationsjubiläum« der Reformationsjubiläums-Spezialausgabe von 'Chrismon' an. Und wie er für die da unten gekämpft hat! »Man darf dem Pöbel nicht zuviel pfeifen, er wird sonst gern toll. Es ist billiger, ihm zehn Ellen abzubrechen, als ihm in einem solchen Falle eine Handbreit, ja, die Breite eines Fingers einzuräumen. Und es ist besser, wenn ihm die Tyrannen hundertmal unrecht tun, als dass sie dem Tyrannen einmal unrecht tun. Denn weil ja das Unrecht gelitten werden muss, so ist vorzuziehen, durch die Obrigkeit zu leiden, als dass die Obrigkeit durch die Untertanen zu leiden hat.« Denn bei Unterprivilegiert- und Ausgeschlossenheit hat sich der Herrgott halt was gedacht: »Geld, Güter, Land und Leute [zu] haben ist an sich selbst nicht unrecht, sondern Gottes Gabe und Ordnung.« Und schließlich: »Armut ist in der Stadt groß, aber die Faulheit viel größer.«
Und also gar kein Wunder, dass die herzliche Hartz-Republik Deutschland ihren Luther mit einem Staatsakt feiert und einer, der den »extremen Leistungsdruck« ('Chrismon spezial') mit Gott (und Geld) gut aushält, der Pöbelfeinde Botschafter sein kann, ja muss.
Finden Sie nicht auch? - Titanic
Treffer - versenkt. :-)
J. Oh Weh, findest du dich selbst eigentlich mindestens ein ganz kleines bißchen peinlich? Vielleicht nur so ein Fitzelchen? Ja? Dann darfst du aus deinem Altenheimzimmer gerne weiter granteln und peinliche Kommentare hinterlassen. :) Mecker-Opis mit gelben oder fehlenden Zähnen sind ja sehr beliebt, wenn sie sich selbst nicht ernst nehmen. :) Du kannst dich ja vielleicht OPA SCHLUMPF nennen, dann wissen alle auch gleich wie deine verbalen Ausscheidungen zu verstehen sind.
Ich hab meinen Opa sehr! geliebt auch wenn er oft sehr peinlich war. Mach dir also keine Sorgen!
Weil es hier gerade so schön Luthert, kann ich mich auch nicht bremsen.
Hier ein Auszug aus:
Martin Luther-Fürstenknecht oder Reformator?
von Heiner Jestrabek
"Drum soll hie zuschmeissen (erschlagen), würgen und stechen, heimlich oder öffentlich, wer da kann, und gedenken das nicht Giftgers, Schädliches, Teuflisches sein kann denn ein aufruhrischer Mensch gleich als wenn man ein tollen Hund totschlahen muss. (..) Ich mein, dass kein Teufel mehr in der Hölle sei, sondern allzumahl in die Bauern gefahren."
" Trotz aller Rebellion gegen das Papstum, blieb Luther eine Pfaffenseele. Denn er hasste nicht nur dass aufbegehrende Volk, als Theologie überwand er auch nicht Exorzismus, den Hexenglauben und den Judenhass."
Was mir in der Diskussion um diesen angeblichen Reformator viel zu kurz kommt, dass es natürlich um Geld und Besitz ging.
Der Ablasshandel war letztlich ein Angebot der katholischen Kirche an die deutschen geldklammen Fürsten, die ihrem oft zahlreichen Nachwuchs Grund und Boden vererben mussten, den sie aber nicht hatten, durch Ablasshandel an die finanziellen Mittel zu gelangen, um Grund und Boden von der katholischen Kirche zu erwerben.
Und weil bei allgemeiner Geldknappheit die enormen Summen aus dem Volk nicht rauszuquetschen waren, der Ablasshandel eigentlich tot war, deshalb sind seine Thesen überhaupt auf Resonanz gestossen.
Anmerkung für "anonymer Kleinbloggersdorfer"
Das ist jetzt aber ein Niveau, was nur sehr schwer zu überbieten ist.
@Charlie: Danke, ich wollte das nicht fremdposten.
@Troptard: Das hatte ich ebenfalls im Sinn, denn differenziert urteilen zu können ziert den Geist.
Das ist ja ein Ding hier. Feed the Troll oder nicht. Hier so schwer die Entscheidung wie ehedem.
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