Samstag, 13. Mai 2017

Wahlzirkus: Wenn der Irrsinn zweimal klingelt


Das Wahltheater nimmt immer groteskere Ausmaße an. Die zwangsgebührenfinanzierte Propagandapresse überschlägt sich in den Bemühungen, dem bedeutungslosen Zirkus einen staatstragenden Wert zu verpassen. Angesichts der bevorstehenden, völlig redundanten Landtagswahl in NRW kennt der Irrsinn kein Grenzen mehr. Exemplarisch möchte ich auf diesen hirntötenden Text vom WDR hinweisen, der vom Autor Sebastian Döring oder irgendwelchen zugekoksten PraktikantInnen mit dem sagenhaften Titel versehen wurde: "Wenn das Volk nicht herrschen will".

Ich erspare mir und allen Mitlesenden Zitate aus diesem Dokument des Wahnsinns – wer das lesen möchte und über ein stählernes Nervenkostüm verfügt, mag den obigen Link anklicken; alle anderen sollten das tunlichst vermeiden. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Döring selber nicht an den Schmonzes glaubt, den er da in die Welt posaunt – so dumm dürfte sogar ein Lapuente nicht sein (obwohl ich in dieser Hinsicht doch eher unentschlossen bin). Oder gibt es abgesehen von irgendwelchen Hohlbirnen, die CDU, SPD, Grüne, FDP, AfD oder die Linkspartei wählen, noch zusätzliche Deppen, die allen Ernstes glauben, dass die "Parteiendemokratie" die "Herrschaft des Volkes" bedeute? Ich vermag mir eine solche intellektuelle Obszönität nicht auszumalen.

Da wage ich gar nicht mehr die Frage zu stellen, ob es überhaupt erstrebenswert ist, dass irgendeine Partei oder politische Gruppe den Rest der Bevölkerung "beherrscht". In der kapitalistischen Propaganda taucht diese ketzerische Frage natürlich nicht auf, denn selbstredend muss es in diesem System (sehr wenige) Herrschende und (sehr viele) Beherrschte samt willfährig leckenden Stiefelknechten geben. Das ist eine der Grundvoraussetzungen, damit Ausbeutung im großen Stil widerspruchs- und widerstandslos funktioniert.

Es ist doch offensichtlich, dass es völlig unerheblich ist, wie die "Wahl" am morgigen Sonntag ausgeht: Ob nun die asoziale SPD oder die unchristliche, noch asozialere CDU "gewinnt" und dabei von kriegsgeilen Grünen, kapitallechzenden "Liberalen", jogginghosenverpissten Deutschnationalen oder korrumpierten "Realos" der Linkspartei gestützt wird, ist ebenso wichtig wie die Frage nach der Farbe des Merkel'schen Hosenanzugs oder gar – man will das wirklich, wirklich nicht wissen – ihrer Unterwäsche. Das Ergebnis wäre stets dasselbe. Dennoch wird nach wie vor ein dümmliches Geschrei darum veranstaltet, als ginge morgen die Welt unter.

Selbstverständlich geht die Welt in der Tat viel schneller unter als sie es müsste – das liegt aber nicht am Ausgang des lächerlichen Wahltheaters, sondern am Kapitalismus.

Ich möchte auf den WDR-Text gar nicht weiter eingehen, da er sich selbst ad absurdum führt. Dennoch frage ich mich, welche Menschen diesen Stuss eigentlich noch glauben (sollen), der da munter verbreitet wird? Wie kann ein halbwegs denkfähiger Mensch auf den absonderlichen Gedanken kommen, ein Nichtwähler sei nicht an der "Herrschaft des Volkes" oder, besser formuliert, an humanistischen Prinzipien, die den Superreichen an den Kragen, an die Kasse und an die widerwärtigen Privilegien gehen, interessiert? Ich kann mir das nicht anders erklären, als dass hier ganz bewusst schäbige Propaganda betrieben wird. Mit strohgleicher Dummheit allein ist das jedenfalls nicht mehr nachvollziehbar.

Und trotzdem wird es am Sonntag wieder Sondersendungen und "Elefantenrunden" geben, in denen die beteiligten "Gewinner" und "Verlierer" der kapitalistischen Einheitspartei ihren schaurigen Sprachmüll in die Welt entlassen können, während sich an der katastrophalen Entwicklung – unter tatkräftiger, aktiver und stetiger Mithilfe eben jener korrupter Bande – einmal mehr nicht eine Nuance ändern wird.

Die Irrsinn klingelt sich tot.

Anmerkung am Rande: Ich bin meiner "Bürgerpflicht" natürlich nachgekommen und habe wild entschlossen eine linke Kleinstpartei gewählt – mit dem erfreulichen Wissen, dass ich genausogut auch einen stinkenden Kackhaufen im Garten hinterlassen haben könnte. Das wäre indes nicht anders gewesen, wenn ich mein Kreuz stattdessen bei einer Partei gemacht hätte, welche die ominöse Fünf-Prozent-Hürde voraussichtlicht meistern wird – es ist also, wie gewollt in diesem System, gehopst wie gesprungen. Der Kackhaufen bleibt – und stört niemanden.

---

Die Wiederkehr der Gleichen


"Das neue Ministerium?! Die Physiognomien kommen mir alle so bekannt vor."

(Zeichnung von Thomas Theodor Heine [1867-1948], in "Simplicissimus", Heft 14 vom 02.07.1928)

7 Kommentare:

altautonomer hat gesagt…

Ich hab ein Chleudertrauma. Erst wollte ich wählen gehen. Dann haben mich aber so Verblödungsbeauftragte aus Film, Funk und Fernsehen auch noch öffentlich dazu aufgefordert. Darunter Verona Poth, Heino, Dennis Schick ("Traumfrau gesucht"), Ralf Möller, Werner Baumnann (Bayer-Chef), Giovanni Zarella, Pietro Lombardi und über 90 andre Semi-Promis. Allein an diesem illustren Personenkreis läßt sich ablesen, wer ein elemantares Interesse an dieser Demokratiesimulation hat.

Das war dermassen abschreckend, dass es meinen Trotz direkt herausgefordert hat und ich entschied, wegen dieser Typen gerade nicht wählen zu gehen. Denn deren Interesse, wählen zu gehen, kann nicht meins sein.

Momentan, 8:05 Uhr, bin ich noch hin- und hergerissen in meinem "Gewissenskonflikt".

Gehe wahrscheinlich aber doch, damit ich hinterher nicht der Hauptverantwortliche unter den Linken bin, der dafür gesorgt hat, dass die Afd in den Landtag einzieht.
(Ironie aus.)






Anonym hat gesagt…

hallo Charles

gestern las ich im Spiegel, dass in NRW zum ersten Mal geistig Behinderte wählen gehen könnten.

Ich konnte es nicht sein lassen und kommentierte:"Nur geistig Behinderte gehen wählen!"
Wurde aber nicht veröffentlicht.
Darf ich bei Narrenschiff schreiben ?
Liebe Grüße
Joseph Bakuninsky-Schergenklatscher


Charlie hat gesagt…

@ Altauto: Wie auch immer Du dich entschieden hast: Es war richtig. :-) Wenn man vor einer "Wahl" steht, die keinerlei Auswirkungen auf die Realität hat, kann man sich schließlich nur richtig entscheiden.

Hannelore Kraftlos sind wir los und Armin Lusche übernimmt das Ruder des kapitalistischen Katastrophendampfers - und der WDR spricht allen Ernstes von einem "politischen Erdbeben". Das kann kein noch so fähiger Satiriker mehr übertreffen. Diese Medien sind in ihrem eng begrenzten, surrealen Paralleluniversum der kapitalistischen Filterblase hoffnungs- und rettungslos gefangen. Es führt offensichtlich kein Weg hinaus.

Das gesamte lächerliche Schmierentheater könnte durchaus zu beißendem Spott und tiefgründigem Humor taugen - wenn es nicht so widerliche, existenzbedrohende Folgen für Millionen von Menschen hätte. Nur ein Beispiel von vielen: Erst kürzlich hat ein besonders ekelerregender SPD-Stratege, der gerade der Orwell'schen "Bundesagentur für Arbeit" vorsteht - die eigentlich eher kapitalistisches Amt für die Zwangsverarmung der Bevölkerung" heißen müsste -, die Einführung der generellen Zwangsarbeit für alle "Arbeitslosen" gefordert. Was ein "Genosse" kann, das schafft ein "Christdemokrat", olivgrüner Kriegstreiber oder geldgeiler FDP-Schlips-Borg mit Aktenköfferchen noch viel besser, da gehe ich jede Wette ein.

Was für eine widerliche Bande. Das gilt für die Mehrheit der zur Wahl gegangenen Menschen indes gleichermaßen. Hier kann sich niemand mehr herausreden, er oder sie habe es nicht besser gewusst. Diese Menschen wollen den kapitalistischen Showdown und ihren eigenen Untergang, wie er aus der Historie nur allzu bekannt ist - eine andere naheliegende Erklärung fällt mir angesichts dieses Ergebnisses jedenfalls nicht mehr ein.

Auf meinem Grabstein soll dereinst stehen: "Ich wasche meine Hände in Unschuld, denn ich habe den Kommunismus gewählt." Leider war ich in der Minderheit. Und jetzt dürfen alle Mitlesenden dem prustenden Lachen nachgeben, dem ich - allen Widerwärtigkeiten zum Trotz - den ganzen Sonntag erlegen war. :-) Das "politische Erdbeben", das allenfalls das Fallen eines einzelnen Blütenblattes eines Gänseblümchens auf der Wiese vor dem Landtag in Düsseldorf illustriert, hat meine humoristische Schmerzgrenze auf ein Niveau abgesenkt, das ich zuvor nicht für möglich gehalten habe. Ich finde es nun schon lustig, wenn Armin Lusche (CDU) eine "andere Politik" (siehe Link oben) ankündigt und damit tatsächlich meint, das zerstörerische, kapitalistische Konkurrenzsystem weiter ausweiten zu wollen: "'Wir wollen nicht mehr Schlusslicht sein. Wir wollen in die Spitze der Länder', sagte der CDU-Bundesvize." Das ist großes Satirekino, das in die "Anstalt" oder die "Titanic" gehört, aber nicht in den Landtag.

Mir bleibt nun nicht mehr viel anderes übrig, als mich mit einer gepflegten Flasche Bier auf die Tribüne zu setzen und dem Showdown zuzusehen. Eigentlich hat sich auch die komplette Bloggerei inzwischen erledigt. Ich verliere zunehmend die Lust, mich überhaupt noch zu äußern. Das "politische Erdbeben" (ich schnappe nach wie vor wild lachend nach Luft, wenn ich das schreiben muss) zeigt mir nur eines überdeutlich: Selbst die kleinste "sozialpolitische" Veränderung zum Wohl der Mehrheit der Menschen käme - wenn man der Propaganda glaubt - in diesem politischen und medialen Klima einer Supernova gleich, welche die unausweichliche Auslöschung dieses Planeten zur Folge hätte. Der Untergang ist folglich unabwendbar.

Liebe Grüße!

altautonomer hat gesagt…

Auf den Punkt gebracht, Charlie. Mir standen nach der Verkündung des vorläufigen Wahlergebnisses die Tränen in den Augen. Freudentränen über die SPD, denn keine Partei nach den Grünen finde ich dermassen widerlich, dass mir deren Wahlergebnis tiefe Genugtuung bereitet.

Und es gibt auch noch Hoffnung. Mit ihrem Schmiere stehen bei der Privatisierung der Bundesautobahnen, die in dieser Woche durch das Parlament gepeitscht wird, segeln diese Arbeiterverräter weiter auf die 20 % Marke zu. Die Genossen bilden sich immer noch ein, dass die Kälber ihre Schlächter selber wählen, während das Blut von letzten Schlachtfest noch vom Messer trieft.

Arbo hat gesagt…

Ich bekomm's ja hier nur aus dem Ausland mit, aber Hannelore K. wirkte auf mich von der Art her auch so herrisch wie der Gerhard. Wenn Du personalisiert nen Wahlkampf machst, sicher nicht die beste Persönlichkeit, um Leute wie mich dazu zu animieren, irgendwo ein Kreuzchen zu machen.

Was ich wirklich krass bezeichnen würde, das sind die 'Schlips-Borgs' von der FDP. Ich meine, wir können herzlich darüber streiten, ob es sowas wie 'sozial-liberal' oder 'links-liberal' gibt. Aber das muss mensch sich mal auf der Zunge zergehen lassen:

Da ist eine Partei, die nur neoliberale Propaganda von sich gibt, selbst nach der Finanzkrise NIE wirklich Anzeichen irgend einer 'Lernfähigkeit' zeigt, dafür auch noch zu Recht endlich auf den ihr zustehenden Platz verwiesen - also rausgewählt - wurde, das aber ebenfalls wieder nicht zum Nachdenken nutzt und wenigstens die 'Kompetenz' in Richtung Freiheitsrechte gegen Big Brother stärkt, sondern den Ober-Schlipsborg zum Chef macht und mit dem gleichen neoliberalen Propaganda-Müll antritt, für den sie abgewählt wurde. Und jetzt zieht die Partei mit der gleichen neoliberalen Programmatik, für die sie abgewählt war, in den Landtag ein? Mit 12.6 Prozent (laut ZEIT).

Als ob das nicht genug wäre: Die neoliberalen Brüder & Schwestern im Geiste, die AfD, gibt's gratis mit 7,4 Prozent dazu (ZEIT).

Hallo!? Ich kann hier nur zustimmen: Wer das gewählt hat, hat's nicht anders verdient und will es offenbar so. Die FDP ist hier der so 'ehrlichste' wie widerlichste Fingerzeig, in welche Richtung es geht. Dank NRW ist jetzt ein modernder Borgzombie, den ich glaubte, endlich losgeworden zu sein, wiederbelebt worden. Dank NRW dürfen wir diesen Haufen nun öfters sehen. Die Medien weiden sich ja bereits wieder am neoliberalen Aas, fast wäre ich geneigt, zu sagen, dass sie die auch noch protegiert haben. Ein erleichtertes 'Endlich!' wird denen sicher über die Lippen gekommen sein.

Für Deutschland kann ich nur sagen: Gute Nacht! Da werd' ich um den Schlaf gebracht. Die Ruhe wie Charlie, mich mit Bier auf die Tribüne zu setzen, bring' ich nicht mit. Da bin ich zu wenig schmerzbefreit oder masochistisch. Ich bin einfach nur sprachlos ob so viel Dummheit beim Kreuzchen-Ritual.

LG
Arbo

P.S.: Und hier in Ösi-Land etwa zur gleichen Zeit: Da wird ein deutlich rechts-blinkender 30er, der aktuell Außenminister ist, zum Obmann einer Volkspartei gemacht und will Neuwahlen, um offenbar Kanzler zu werden. Wo noch vor wenigen Monaten die Bundespräsidenten-Posse erleichtert zu den Akten gelegt wurde (Kornblumen-Hofer vs. van der Bellen), drohen nun mehr oder minder die National-Konservativen doch noch recht schnell das Heft in die Hand zu bekommen. Sunday, bloody sunday. (OK, bei U2 war's ein ganz anderer Kontext - hier hat mensch sich die Misere selbst ausgesucht, titeltechnisch passt's trotzdem - jedenfalls ist mir der Titel gerade spontan in den Sinn gekommen.)

Charlie hat gesagt…

@ Arbo: Ruhig wird es auf der Tribüne auch nicht zugehen - da wird ebenso viel Blut fließen wie in der Arena. Der Unterscheid ist einzig dieser: Als oller Pazifist werde ich mich nicht an irgendwelchen Schlächtereien beteiligen. :-)

Ansonsten pflichte ich Dir umfänglich bei.

Liebe Grüße!

Charlie hat gesagt…

@ Altauto: So etwas wie Hoffnung kann ich nicht erkennen. Wenn die SPD völlig zu recht in der Bedeutungslosigkeit verschwindet, während die noch widerlicheren GesellInnen der CDU, FDP oder AfD gewinnen, ist das keine positive Entwicklung. Es geht in Siebenmeilenstiefeln in den braunen Sumpf, und der selbstinszenierte Untergang der SPD ist in diesem grausigen Szenario eher belanglos.

Der Faschismus ist unsere Zukunft - und ich bin heilfroh, dass ich (hoffentlich) nicht mehr lange genug leben werde, um die Früchte dieser braunen, verfaulten Saat erleben zu müssen.

Liebe Grüße!