Dienstag, 25. Juli 2017

Die Linkspartei und die "Realpolitik", Folge 248


Diesmal: LINKE Klimawandelignoranten in seriöser Regierungsverantwortung

Ein Gastbeitrag des Altautonomen

Im Wahlprogramm der Linkspartei für die Bundestagswahl 2017 heißt es unter anderem:

  • Raus aus der Kohle, Übergänge gerecht gestalten: Wir wollen einen zügigen und sozial abgefederten Ausstieg aus der Kohlestromversorgung.
  • DIE LINKE fordert ein nationales Kohleausstiegsgesetz mit folgenden Eckpunkten: Der schrittweise Kohleausstieg beginnt 2018. Spätestens 2035 muss der letzte Kohlemeiler vom Netz gehen.
  • Um Menschen und Klima zu schützen, brauchen wir endlich auch Tempolimits: 120 km/h auf Autobahnen und eine Regelgeschwindigkeit von 30 km/h in Ortschaften.
  • Der CO2-Grenzwert für Neuwagen in Europa soll ab 2025 deutlich unter 60 Gramm betragen.

Mit diesen Aussagen stellen die WahlkämpferInnen der Linkspartei sogar die Grünen in den Schatten, in deren Programm derartige Werte gar nicht erwähnt werden. Aber, wie wir wissen, sind Wahlprogramme und Realpolitik oft einander diametral entgegenstehende Werte.

Um der oft erhobenen Behauptung, Länderregierungen könnten keine Bundespolitik beeinflussen, den Wind aus den Segeln zu nehmen, zitiere ich hier aus dem vorangegangenen Wahlprogramm der Brandenburgischen Linkspartei aus dem Jahr 2014 für die derzeitige Legislaturperiode mit dem Ministerpräsidenten Ramelow:

Unsere Energiepolitik verbindet Klima- und Umweltschutz, Versorgungssicherheit, Preisstabilität und Akzeptanz und Beteiligung für Energieerzeugung und -infrastruktur im Land. (...) / Unser Ziel ist es, dass spätestens ab 2040 keine Braunkohle mehr verstromt wird. Den Neubau von Braunkohlenkraftwerken lehnen wir ab. Wir setzen uns deshalb dafür ein, im Rahmen der Evaluierung der Energiestrategie im Jahre 2015 das begonnene Braunkohlenplanverfahren für den Tagebau Jänschwalde-Nord einzustellen. Den Neuaufschluss weiterer Tagebaue lehnen wir ab.

Wie sieht die Umsetzung dieser klimapolitischen Ziele in Brandenburg aus?

Nun, dazu reicht ein Blick ins "Neue Deutschland". Dort berichtete Andreas Fritsche am 17.07.17 von einem weiteren Beispiel des realpolitischen Verrats linker Regierungskoalitionen. Sie sind nämlich einen Dreck an menschenfreundlicher Klimapolitik interessiert, dafür aber sehr am Wohlergehen der Energiekonzerne. Ich fasse das mal zusammen:

Brandenburg, das Vorzeigeland für Stromerzeugung durch Braunkohle?

Bislang war geplant, den energiebedingten Ausstoß von Kohlendioxyd um 72% im Vergleich zu 1990 zu senken. Das hört sich erst mal gut an. In der rot-rot-grünen Regierung stimmt man sich aber momentan darüber ab, den Ausstoß nur um 55% zu senken. Außerdem soll das Braunkohlekraftwerk Jänischwalde länger laufen als vorgesehen. So hatte es der Betreiber, die Lausitzer Energie-Kraftwerke AG (LEK), Herrn Ramelow mitgeteilt. Und der weiß ja schon aus seinen Gewerkschaftertagen, was er zu tun hat, wenn das Kapital Forderungen stellt.

Als Randnotiz sei zu erwähnen, dass die LEK plante, ein neues Braunkohlekraftwerk mit spezieller Speicherkapazität für CO2 zu bauen. Sie haben diesen Plan aber wieder fallen lassen. In den kommenden Monaten wird die Strukturkommission der Bundesregierung den Ausstieg aus der Energiegewinnung aus dem Braunkohletagebau beraten.

Hier stellt sich die Ramelow-Regierung eindeutig gegen die Politik des Bundes und die Interessen der Menschen und der Natur, deren Anwalt sie ja angeblich sei.

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UPDATE 25.07.17: Leider ist sowohl dem Gastautor, als auch dem sich die Haare raufenden Kapitän hier ein peinlicher, böser Fehler unterlaufen: Ramelow hat mit Brandenburg natürlich nichts zu tun, sondern setzt sein pseudolinkes Zerstörungswerk stattdessen in Thüringen (oder war's doch das Saarland?) fort. In solchen Momenten zweifle ich an mir selber und könnte mir einen blinkenden Eselshut an die Stirn nageln. – Dennoch ändert sich der Grundtenor des Textes und meines nachfolgenden Kommentars dazu nicht, denn die Linkspartei ist nur ein weiterer Akteur im verfilzten Spiel der korrupten Demokratiesimulation.

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Anmerkung von Charlie: Der Titel dieses Beitrages stammt von mir. Ich könnte mich jedesmal wieder schreiend aus dem Fenster stürzen, wenn jemand den Nonsens-Begriff "Realpolitik" benutzt. Damit meine ich nicht den Altautonomen, der das Wort ja eher in satirischer bzw. anklagender Form verwendet, sondern all die Apologeten (auch mein besonderer Freund Lapuente ist natürlich darunter), die damit den üblichen politischen Verrat und die um sich greifende Korruption kaschieren wollen – so als gebe es im Gegenzug auch so etwas wie eine "Fiktivpolitik" oder eine "irreale Politik". Kapitalistische Menschenfeinde beschimpfen diese – ebenso irrsinnig – auch sehr gerne als "Sozialromantik".

Ich traue den Figuren aus der Linkspartei nicht einen Meter weit über den Weg. In einem verfaulten, verkommenen System kann es schon aus rein logischen Gründen keine Veränderung "von innen" geben; die inzwischen ganze Seiten füllenden Beispiele von korrumpierten, "umfallenden" und rückwärtsgewandten Aktionen aus der SPD, den Grünen und selbstredend auch der Linkspartei sollten eigentlich auch den letzten Gläubigen längst bekehrt haben. Eigentlich.

Und dennoch schwadronieren Politik, Presse und allzuviele BürgerInnen immer noch wie von Sinnen über die "freiheitliche Demokratie", als stünden sie allesamt unter bewusstseinsvernebelnden, verdummenden Drogen. An diesem epidemischen Veitstanz beteilige ich mich nicht mehr.

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Der Reichstag und seine Auflösung


"Eigentlich sollte man die Urne nicht zum Wählen benützen, sondern gleich zur Beisetzung."

(Zeichnung von Thomas Theodor Heine [1867-1948], in "Simplicissimus", Heft 27 vom 02.10.1932)

11 Kommentare:

Dirk hat gesagt…

Wie soll ich den Beitrag eines Autoren, der nicht einmal weiß, wer Ministerpräsident in Brandenburg ist, bitteschön ernst nehmen?
Der zitierte ND-Beitrag sagt zudem eindeutig aus, dass die LINKE die Überlegungen des verantwortlichen SPD-Ministers kritisiert und an den im Koalitionsvertrag festgelegten Zielen festhalten will.

altautonomer hat gesagt…

Charlie: Passend zu Deinem letzten Text über die Grünen möchte ich erwähnen, dass es bei deren Koalitionen mit der SPD seinerzeit ums "Krötenschlucken" (Jugoslawienkrieg usw.)ging, den Realpolitiker nannten sie sich ja bereits offiziell, nachdem die Fundamentalisten aus der Partei gegangen worden sind.

Charlie hat gesagt…

@ Dirk: Du hast natürlich recht. Fehler können indes immer passieren, auch wenn sie manchmal peinlich sind. Mir ist das auch nicht aufgefallen, obwohl ich mich für einigermaßen informiert halte. Asche auf mein Haupt!!!

altautonomer hat gesagt…

Leider ist mir da ein Lapsus unterlaufen. Das darf nicht passieren. Der Name Ramelow gehört selbstverständlich nicht in diesen Kontext. Dafür entschuldige ich mich bei den Lesern. Was die Politik der LINKEN in der Regierungsverantwortung in Brandenburg betrifft, trifft die Verantwortung in der Koalition mit der SPD durchaus auf sie zu. In Sachen Klimaschutz erwarten die Wähler keine Bestandsgarantie für Kohlekraftwerke mit dem Arbeitsplatzargument.

Stellvertretender Ministerpräsident ist der LINKE Christian Görke. Ministerin für Arbeit (Arbeitsplätze), Soziales, Gesundheit (saubere Luft), Frauen und Familie Diana Golze.

Anonym hat gesagt…

Hallo zusammen,
@Charlie: Es wäre wirklich schön, wenn neben dem ganzen messerscharf analysiertem Geschimpfe, dessen Standpunkt ich durchaus teile, auch ab und an positivere Beiträge hier veröffentlicht würden. Ansonsten zieht man sich nur gegenseitig in die Depression, oder verabschiedet sich komplett von dem Gedanken, dass es möglich wäre irgendetwas zum Besseren zu wenden - und fungiert somit ganz ungemerkt als Steigbügelhalter des Systems, das man ja eigentlich kritisiert...
Liebe Grüße,
Sebastian

Charlie hat gesagt…

@ All: Ich habe ein entsprechendes Update in den Text eingefügt und erlaube geneigten bzw. nicht amüsierten LeserInnen ausdrücklich, mich verbal zu verprügeln. Den Altautonomen trifft hier keine Schuld - es wäre ja meine Aufgabe gewesen, hier aufzupassen. Ich habe mir die Schelte also redlich verdient!

Charlie hat gesagt…

@ Sebastian: Wenn Du irgendwelche Vorschläge für "positivere Beiträge" hast, bin ich der erste, der laut "HIER!" schreit. Worüber also soll ich mich hier auslassen?

epikur hat gesagt…

Ich habe mich schon vor mehr als 5 Jahren über den machiavellistischen Neusprech-Begriff "Realpolitik" auf dem ZG Blog ausgelassen. Auch Roberto kennt sich mit Neusprech-Begriffen eigentlich ganz gut aus. Schließlich hatte ich auf seinem alten Blog "ad sinistram" die Gastrubrik "Nomen Non Est Omen". Deshalb verwundert es mich auch ein wenig, warum er solche Vokabeln auf einmal verwendet...

@Sebastian
Eine Depression bekommt man langfristig so oder so. Dafür sorgt schon die massenverarmende Politik, Massenentlassungen, Massenüberwachung, Menschenverachtung etc. etc. Nicht diejenigen, die solche Prozesse und Zustände aufzeigen, sind die Pessimisten, sondern diejenigen, die fatalistisch und ohnmächtig jede Kröte schlucken, die man ihnen hinwirft (dummphone-Jünger!). Wer sich in seinen weltverleugnenden, zwangsharmonischen und realitätsfremden Biedermeier-Bunker zurückzieht, ist der eigentliche Schwarzseher und hat jegliche Hoffnung auf eine bessere Welt bereits aufgegeben, weil er sich mit nichts anderem mehr (außer sich selbst) beschäftigen will.

Charlie hat gesagt…

@ Epikur: Angsichts der Peinlichkeit ist Dir Deine Unterstützung an dieser Stelle gar nicht hoch genug anzurechnen - danke dafür.

Lapuente allerdings verwendet den Begriff der "Realpolitik" nicht "auf einmal", sondern schon seit mindestens einem Jahr: Sein unsäglicher, hirnerweichender Text, auf den ich mich oben beziehe, stammt vom 14. Juli 2016.

Ein Satz wie "Die Linke braucht einen Radikalenerlass" hat mir schon damals die graue Masse aus dem Schädel geschleudert und mir gezeigt, wessen Geistes Kind diese Systemschranze sein muss, um einen solchen üblen Bockmist herauszuhauen.

Aber wie gesagt - ich sitze momentan im Glashaus und warte auf die völlig zu recht geworfenen Steine, also schweige ich vorerst wohl besser. ;-)

Liebe Grüße und danke!

Rainer hat gesagt…

Ich verstehe nicht,dass niemand(Politiker)das grösste Problem angeht,die weltweite Bevölkerungsexplosion.Alle Bemühungen gegen Klimawandeln etc. werden an der Geburtenexplosion scheitern.Ich fordere Gratisverhütung weltweit.

Anonym hat gesagt…

Das liegt an der parteiprogrammatischen bzw. personellen Beliebigkeit.
Da verrennt man sich schon einmal im Eifer des Gefechtes.
Auch - und vor allem - für die Art des Umgangs mit diesem offensichtlichem Fehler schätze ich dieses Blog. Gastautor eingeschlossen.
LG Mecki