Du hast dir die Finger einer Hand in den Mund gesteckt, presst ein Würgen in die Kehle zurück. / Nicht schreien! Nein! Den Leib in schwere Ketten legen, damit das Zittern unterdrückt wird. Einen Eimer über den Kopf stülpen, der außen bemalt ist mit einem zufriedenstellenden, ruhebewahrenden Gesicht. Den Anflug eines Lächelns bitte: sanft, stoisch und förmlich! Der Zwang, falsch wie bisher bis zum Ende leben zu müssen, macht nicht halt, dauert über den letzten Augenblick hinaus. Wir tanzen durch die Zimmer, die Türen sind uns im Weg, wir stürzen an die Fenster, manchmal begegnen wir uns, lächeln tapfer mit blutiggebissenen Zungen; aufrecht stehn Leichen vor den Häusern, die Straßen liegen im Schweigen, nur ab und zu kriecht noch ein erschöpfter Amokläufer vorbei, sich tödliche Verletzungen zufügend, Wunden, in denen Sternnebel zu schwären scheinen, während wir uns rütteln und uns befehlen, bitte nicht zu weinen und trotzdem immer wieder unvermutet aufheulen, als ginge uns ein Riss durch Kopf und Leib. Ein Beben umhüllt unsre Herzen. Vielleicht, meinst du, hätten wir einen Mörder, einen Henker dingen sollen, der uns einen vorstellbaren Tod gegeben hätte ... Sie schenken uns ein paar Sekunden ... Wir sind noch immer am Leben ... Dunkle Geräusche. Die Luft zerfällt in ätzende Tropfen. Wir legen uns nieder, hacken uns die Pulsadern auf, reiben unsere Geschlechtsteile, lachend und schreiend vor Angst. Die Erde dreht sich entgegengesetzt. Etwas anderes spüren wir nicht.
(Ludwig Fels [*1946], aus der Kurzgeschichte "12 Uhr", in: Wolfgang Fienhold / Harald Braem (Hg.): "Die letzten 48 Stunden. Science Fiction-Erzählungen vom Weltuntergang", Heyne 1983)
1 Kommentar:
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Nein
Notiz aus meinem Tagebuch:
"Wieder ein wunderschöner Tag, leichter Frost. Tagsüber Holz gesägt."
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