- Mit einer grotesken Volte reagiert Berlin auf den Sturz seines langjährigen tunesischen Verbündeten Zine el-Abidine Ben Ali. Es sei zukünftig "unabdingbar, die Menschenrechte zu respektieren", verkündet die Bundeskanzlerin in völligem Einklang mit ihrem Außenminister. Jahrzehntelang hatten Menschenrechtsorganisationen sich im Kanzleramt sowie im Auswärtigen Amt über gravierende Menschenrechtsverbrechen des tunesischen Regimes beschwert - vergeblich. Tatsächlich gehörte die äußerst repressive Regierung unter Staatspräsident Ben Ali zu den Verbündeten der Bundesrepublik in Nordafrika; sie war nicht nur politisch kooperationswillig, sondern schuf auch für deutsche Unternehmen lukrative Rahmenbedingungen - mit Niedriglöhnen, die Tunesien zum beliebtesten Produktionsort deutscher Manager in Nordafrika machten. Ben Ali, den Berlin heute verteufelt, um nach seinem Sturz in Tunis Einfluss behaupten zu können, wurde von der deutschen Wirtschaftspresse vor nicht allzu langer Zeit als "milder Diktator" gelobt. Die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung nannte sein Regime noch vor wenigen Wochen einen "ausgezeichneten Partner".
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Das wäre die Topmeldung mit schrillsten Überschriften für Wochen in den Springer- und Bertelsmann-Medien inklusive den gleichgeschalteten ARD- und ZDF-Sendungen. Mit dem Gold als privater Altersvorsorge, das stimmt. Es ist aber nicht Fidel, sondern nur der geflohene tunesische Diktator Ben Ali mit Gattin. Für die hiesigen Medien und unsere Vollblutdemokratin Angela Merkel ein kaum erwähnenswerter Vorfall. Direkt vor Europas Haustür, stets unterstützt von der EU, also im politischen Kulturkreis, hat sich ein Mächtiger abgesetzt mit "Goldbarren im Wert von rund 45 Millionen Euro", berichtete die französische Zeitung Le Monde. Das schwer beladene Flugzeug mit Diebesgut nahm Kurs Richtung Dubai, dort sollen sie sich im arabischen Dschiddah am Roten Meer aufhalten. Die prallen Auslandskonten werden einen langen und schönen Aufenthalt ermöglichen.
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Anmerkung: Dazu fehlen einem mal wieder fast die Worte. Es ist ja nichts Neues, dass die neoliberale Bande gerne Geschäfte mit Diktaturen macht, solange sich genug Menschen ausbeuten lassen und genug Geld verdienen lässt - Menschenrechte oder ähnlicher Schnickschnack haben da keine Bedeutung. Es ist aber nur noch perfide zu nennen, wenn Merkel & Co. just nach dem Sturz des Diktators und vormaligen "ausgezeichneten Partners" von der "Einhaltung von Menschenrechten" faseln und sich nicht weiter darum scheren, dass eben dieser "ausgezeichnete Partner" auf seiner Flucht dem ohnehin armen tunesischen Volk noch eben 45 Millionen Euro in Gold raubt.
Auf die Aufarbeitung der Verflechtungen zwischen Berlin, der deutschen Wirtschaft und Ben Ali in den Systemmedien werden wir sicherlich bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag warten müssen.
Man kann ja nur mutmaßen - aber was würde wohl geschehen, wenn die neoliberale Bande (was ja längst überfällig wäre) auch in Deutschland endlich aus dem Land gejagt würde? Ich bin mir fast sicher, dass diese Personen vor ihrer Flucht in die USA, nach England oder China ebenfalls an ihre "Altersvorsorge" dächten und möglichst viel Diebesgut mitgehen ließen. Ob sich aus diesem Grund die Verurteilungen so in Maßen halten?
Einerseits erzeugen solche Revolutionen ja eine gewisse Hoffnung - andererseits sieht man auch da schon wieder an allen Ecken und Enden Gestalten und Rattenfänger herumlungern, die aus der unübersichtlichen Situation persönliches Kapital schlagen wollen. Dieses globale System der "Eigenverantwortung", des puren geförderten Egoismus, des Neoliberalismus schlechthin - es ist verrottet bis in den Kern.
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