Donnerstag, 17. März 2011

Bahnhofsmission: Zum Ende des Monats kommen die Senioren

(...) Am Monatsanfang ist es noch recht ruhig bei der Bahnhofmission, dann kommen nur Wohnungslose, die keine staatlichen Leistungen bekommen. Rentner und Leistungsempfänger haben dann noch Geld. Ab Mitte des Monats wird es voller. "Die Wilmersdorfer Witwe steht ab dem 20. des Monats bei uns in der Schlange, weil ihr Kühlschrank leer ist", sagt Puhl. Den größten Anstieg bei der Armut, speziell Altersarmut, gibt es laut Puhl in Charlottenburg-Wilmersdorf. Der 53-Jährige ärgert sich zwar über die Einteilung Altersarmut, Jugendarmut – es gebe einfach ein allgemeines Armutsproblem, sagt er. Aber es lässt sich nicht leugnen, dass die Not der Alten zunehme.

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Anmerkung: Wieder einmal vermisst man in diesem Artikel die notwendigen Hintergründe, die nötig sind, um das Beschriebene einordnen zu können. Es scheint eine Strategie der Mainstreammedien zu sein, auf Missstände zwar (gelegentlich) hinzuweisen - die konkreten Ursachen dafür, die auf der Hand liegen, aber totzuschweigen.

Es wird kein Wort über die bewusst zerstörte gesetzliche Rente und die Absurditäten der "privaten" Altersvorsorge verloren. Es wird gebetsmühlenartig lediglich der "demographische Wandel" - die angebliche "Überalterung der Gesellschaft" - als Grund für die finanziellen Probleme der Senioren angeführt. Die exorbitant gestiegenen Gewinne der Konzerne tauchen auch in diesem Artikel nicht auf. Die sofort aufblinkende Frage: "Wie kann es sein, dass die Armut in Deutschland immer weitere Kreise, sogar in "bürgerliche" Strukturen hinein, zieht, während doch 'Aufschwung' herrscht und die Reichen satte Gewinne einstreichen?" kommt in der Denkwelt dieser Medien einfach nicht vor.

Was bietet uns ein solcher Artikel also an Information? Wir erfahren: Aha, es gibt immer mehr Menschen, die nicht genug Geld bekommen, um über die Runden zu kommen - sogar schon in "bürgerlichen" Verhältnissen, was auch immer die Zeitung darunter verstehen mag. Das ist dem interessierten Leser nun nichts Neues. Die naheliegenden Fragen nach dem Warum werden nicht einmal angerissen. Der Tagesspiegel hätte sich diesen Text komplett sparen können - er ist eine Nullinformation.

Gleichzeitig ist er aber auch Propaganda. Denn wenn man lesen muss: "Am Monatsanfang ist es noch recht ruhig bei der Bahnhofmission, dann kommen nur Wohnungslose, die keine staatlichen Leistungen bekommen. Rentner und Leistungsempfänger haben dann noch Geld", dann bedeutet das im Umkehrschluss: Wohnungslose, die keine "Leistungen empfangen", seien kein ernst zu nehmendes Problem. Ernst werde es erst, wenn die "Leistungsempfänger" auch kämen. Wie tief muss man eigentlich sinken, um einen solchen Sozialdarwinismus zu verfassen? Sind Wohnungslose denn nicht das viel, viel drängendere Problem, das man unverzüglich angehen müsste? Wie kann man es auch nur ansatzweise rechtfertigen, dass es in einem Land wie Deutschland überhaupt so viele Wohnungslose gibt, die keine "Leistungen" erhalten? - Nein, man nimmt das einfach als "gegeben" hin - diese "Penner" gibt es eben, und sie sind sicherlich selber daran schuld, dass sie dreckig auf der Straße hocken ... Ja, diese Argumentationsweise ist nur allzu bekannt. Die Rentner, die zur Suppenküche und zur "Tafel" gehen müssen, sind ja auch selber schuld, weil sie nicht "privat" vorgesorgt haben - so lautet das Urteil der neoliberalen Bande.

Es ist bigott, dass der Tagesspiegel das "allgemeine Armutsproblem" zwar erwähnt, aber mit keinem weiteren Satz darauf eingeht und vor allem jede Hintergrundinformation vermissen lässt. Arme Senioren sind ohne jede Frage ein großes Problem - aber kein größeres als arme Kinder, arme 30Jährige oder arme 50Jährige. Die Ursache ist stets dieselbe - und wird dennoch niemals genannt. Es gibt kein demographisches, sondern ein systemisches Problem.

Bis sich das jedoch in die Propagandazentralen der Massenmedien herumgesprochen hat, stehen Gaddafis Söldner längst vor den Toren Berlins ...

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