Donnerstag, 4. Oktober 2012

Buchempfehlung: Sonne auf Kredit


Klappentext: Um die Natur vor der endgültigen Zerstörung zu bewahren und sie regenerieren zu lassen, hat man das Land systematisch entvölkert und die Menschen in Ballungszentren zusammengedrängt. Nur die Privilegierten leben außerhalb der Städte auf ihren weitläufigen Landsitzen. Man hat aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt, hat ein Ventil offengelassen und Freizeitreservate eingerichtet, in denen sich die Werktätigen drei Wochen im Jahr austoben können.

Was die Urlaubsindustrie dort anbietet, ist geradezu fantastisch. Die Ferienlager sind bequem zu erreichen, dort kann man unter Cowboys kampieren, in Zigeunerwagen durch unberührte Wälder ziehen oder wie ein echter Indianer leben.

Nur - schnell ist der Spaß vorbei und es geht wieder zurück in die Städte, die riesigen unter- und oberirdischen Ballungsräume, in denen die Menschen auf engstem Raum eingepfercht sind, von früh bis abends schuften müssen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Für einen Aufenthalt in der Natur ertragen sie das erbärmliche, streng reglementierte Dasein, erbetteln Vorschüsse, um in den Genuss der Sonne zu kommen, und sei es auf Kredit.

Doch es zeigt sich, dass dieses Ventil auf die Dauer nicht ausreicht, dass auch ein psychologisch ausgeklügelter Machtapparat sich nicht auf Dauer halten kann, wenn der Druck der Ungerechtigkeit zu stark ist.

(Michel Grimaud [1937-2011]: "Sonne auf Kredit". Roman, 1975 französisches Original, 1980 deutsche Übersetzung)


Anmerkung: Mit diesem im doppelten Sinn fantastischen Buch will ich eine kleine, unregelmäßige Reihe eröffnen, um Euch einige der sehr zahlreichen Werke der dystopischen Literatur der Nachkriegszeit näher zu bringen. Es ist extrem auffällig, dass nahezu alle diese Werke ein ins Extreme ausgeweitetes neoliberales, also kapitalistisch orientiertes Szenario entwerfen, in dem eine stets sehr kleine, privilegierte "Elite" den Rest der Menschheit ausbeutet und versklavt.

Es ist wohl kein Zufall, dass es - gemessen an der Zahl der dystopischen Werke - nur eine erbärmliche, verschwindend geringe Anzahl an positiven Zukunftsszenarien in der Literatur dieser Zeit gibt. Das liegt meines Erachtens weniger an den vorstellbaren positiven Alternativen, sondern eher an den konkreten Erfahrungen der vergangenen Jahrhunderte.

Das hier in Rede stehende Buch von Michel Grimaud ist ein bezeichnendes Beispiel dafür, wohin der Kapitalismus uns führen könnte - und gänzlich "fantastisch" ist es längst nicht mehr, denn die Realität hat die Dystopie teilweise bereits eingeholt. Es ist heute aktueller und aussagekräftiger als in der Zeit, in der es geschrieben wurde.

2 Kommentare:

Anabelle hat gesagt…

Das Buch will ich lesen! Wenn diverse Antiquariate es nicht mehr liefern können, verpflichte ich Charlie hier und jetzt dazu, es entweder einzuscannen oder in Realform zu verleihen! :-)

Charlie hat gesagt…

Ich leihe Dir und auch jedem anderen das Buch natürlich sehr gerne. :-)