Dienstag, 2. Oktober 2012

Kriegsbegeisterung in der NED: "Eisen und Blut"


Die völkerrechtsfeindliche Verrohung des Bürgertums kennt keine Tabus mehr: Dr. Alexander Gauland (CDU) plädiert für eine Rückkehr zur preußischen Kriegsdoktrin

In zwei Jahren steht das hundertjährige "Jubiläum" des ersten Weltkrieges an. Bis zu 17 Millionen Menschenleben hat er vernichtet. Bei der nächsten hochmodernen Menschenschlächterei waren es dann 50 oder gar 70 Millionen Opfer. In meinen Jugendjahren (...) gehörte es noch zum Konsens bürgerlicher Anständigkeit, die Abgründe des 20. Jahrhunderts bei allem Nachsinnen über die menschliche Zivilisation zum Ausgangspunkt zu nehmen. Inzwischen sind längst andere Zeiten angebrochen. (...)

Ex-Bundespräsident Horst Köhler hielt sich in einem Interview allerdings nicht an die offiziellen Sprachregelungen und plauderte allzu offenherzig über die militärische Seite der deutschen Exportweltmeisterschaft. Nach seinem Rücktritt hat das ein Minister für das Militärressort wie Karl-Theodor zu Guttenberg nachdrücklich gelobt.

Der derzeitige Bundespräsident Joachim Gauck klagt über eine "glücksüchtige Gesellschaft" und wünscht sich - gut preußisch und staatsprotestantisch - wieder mehr Opferhingabe im Dienste von kriegerischen Auslandseinsätzen. Das war aber mal nötig, dass das einer sagte, meinten auch sozialdemokratische und grüne Stimmen. Und nun also werden wir, die wir laut Gauland noch ganz gefangen sind in einem "diffusen Ganzkörperpazifismus", dieser Tage wieder hin zu Clausewitz und Bismarck geführt ...

(Weiterlesen)

Anmerkung: CDU-Mann Gauland, dessen Name Programm zu sein scheint, hatte im Tagesspiegel vom 23.07.12 u.a. geschrieben: "Die Deutschen haben ein gestörtes Verhältnis zur militärischen Gewalt. Sie betrachten sie nicht als die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln im Sinne von Clausewitz, sondern als das schlechthin Böse und Falsche, als ein Mittel, aus dem nie und unter keinen Umständen Brauchbares entstehen könne. (...) Statt (...) immer von Neuem die pazifistische Melodie zu singen, wäre es klug, eine politische zu intonieren, weil eben militärische Gewalt (...) nicht an sich schlecht, sondern nur als falsche Politik schlecht ist. Das aber setzt voraus, dass die Deutschen wieder eine Tatsache der Weltgeschichte akzeptieren lernen, die Bismarck in seiner ersten Regierungserklärung als preußischer Ministerpräsident 1862 in die berühmten Worte fasste: 'Nicht durch Reden und Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden - das ist der große Fehler von 1848 und 1849 gewesen - sondern durch Eisen und Blut' [Hervorhebung von mir]."

Was soll man dazu noch sagen? Selbstverständlich ist militärische Gewalt - also Krieg - das "schlechthin Böse und Falsche". Es ist völliger Irrsinn, dass ausgerechnet in Deutschland parteiübergreifend wieder andere Töne laut werden und sogar Bismarck-Zitate von "Eisen und Blut" aus der Geschichtstruhe gezerrt werden. Der imperialistische Feldzug der neoliberalen Bande steht offenbar erst an seinem Anfang - nach und nach wird die Öffentlichkeit weiter darauf vorbereitet, dass Wirtschaftskriege auch in Zukunft zum "normalen Repertoire" der Politik gehören werden. Das 21. Jahrhundert soll offenbar eine direkte Kopie des 20. Jahrhunderts werden - vielleicht nur mit geringfügig verschobenen Kriegsschauplätzen und natürlich mit "moderneren, effektiveren" Waffen.

Gauland und die übrigen Säbelrassler und Kriegsrhetoriker sollte man unverzüglich mit einem hübschen Arsenal an Schusswaffen tief in der Asse einschließen - dort unten können sie sich dann gegenseitig jagen, verstümmeln und ermorden und tun niemandem sonst weh. Und wenn sie dazu wider Erwarten doch keine Lust haben sollten, können sie alternativ ihre Atommüllfässer einsammeln und sichern.

Dieses widerliche, kriegstreiberische Pack kotzt mich so dermaßen an, dass ich mich vorsichtshalber selbst zensiere und auf George Grosz verweise, bevor ich dem Karikaturisten das Feld überlasse:

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Te deum laudamus! [Dich, Gott, loben wir!]


Dankgottesdienst der internationalen Rüstungsindustrie nach Beendigung der Londoner Konferenz.

(Zeichnung von Erich Schilling [1885-1945], in "Simplicissimus", Heft 6 vom 05.05.1930)

6 Kommentare:

Stefan Wehmeier hat gesagt…

Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln?

"Der Sparer erzeugt mehr Ware, als er selbst kauft, und der Überschuss wird von den Unternehmern mit dem Geld der Sparkassen gekauft und zu neuen Realkapitalien verarbeitet. Aber die Sparer geben das Geld nicht her ohne Zins, und die Unternehmer können keinen Zins bezahlen, wenn das, was sie bauen, nicht wenigstens den gleichen Zins einbringt, den die Sparer fordern. Wird aber eine Zeitlang an der Vermehrung der Häuser, Werkstätten, Schiffe usw. gearbeitet, so fällt naturgemäß der Zins dieser Dinge. Dann können die Unternehmer den von den Sparern geforderten Zins nicht zahlen. Das Geld bleibt in den Sparkassen liegen, und da gerade mit diesem Geld die Warenüberschüsse der Sparer gekauft werden, so fehlt für diese jetzt der Absatz, und die Preise gehen zurück. Die Krise ist da."

Silvio Gesell

Um die Krise hinauszuzögern, muss entweder der Staat "das Geld, das in den Sparkassen liegen bleibt" als zusätzlichen Kredit aufnehmen (staatlicher Verschuldungszwang) und in möglichst unrentable Projekte investieren, oder die Notenbank versucht durch exzessive Geldmengenausweitung eine schleichende Inflation von 2% pro Jahr, trotz bereits schrumpfender Realwirtschaft, beizubehalten. Die letzte Maßnahme verlängert das Elend (Zinsumverteilung von der Arbeit zum Besitz) nur kurzfristig, auf Kosten einer Verkürzung der Zeitspanne von der einsetzenden Deflation bis zur anschließenden Hyperinflation, ab der spätestens die öffentliche Ordnung vollständig zusammenbricht.

Für die "hohe Politik" gibt es dann nur noch die "Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln", um durch eine umfassende Sachkapitalzerstörung den Zinsfuß wieder auf eine für den Kapitalismus lukrative Höhe anzuheben, damit nach dem Krieg und anschließender Währungsreform wieder neues Zinsgeld in neue Sachkapitalien investiert werden kann.

Weil aber der Krieg nur solange der Vater aller Dinge sein konnte, wie es noch keine Atomwaffen gab, und wir den Rückfall in die Steinzeit durch die globale Liquiditätsfalle (Armageddon) mit Sicherheit nicht in Betracht ziehen wollen, verbleibt nur der eigentliche Beginn der menschlichen Zivilisation, mit dem einzigen "Nachteil", dass nach einer freiwirtschaftlichen Geld- und Bodenreform sowohl die "hohe Politik" (Machtausübung) als auch die Religion (Machterhalt) überflüssig werden:

http://opium-des-volkes.blogspot.de/2012/09/von-den-drei-verwandlungen.html

Charlie hat gesagt…

@ Stefan:

Der Zins ist sicher eine der Ursachen für die ständig wiederkehrenden Kriege - aber er ist eben nicht die einzige. Im Telepolis-Artikel werden noch weitere genannt, daneben spielen auch geopolitische Machtinteressen und natürlich - wie immer - schnöde, maßlose Habgier eine Rolle.

An eine "freiwirtschaftliche Geld- und Bodenreform" glaube ich nicht - ich bin der festen Überzeugung, dass die selbsternannte "Elite" alle militärischen Möglichkeiten - im Zweifel bis hin zum Einsatz atomarer Waffen - ausschöpfen wird, um den Verlust ihres Reichtums, ihrer Macht und ihrer Privilegien zu verhindern.

Auf den wirklichen Beginn der menschlichen Zivilisation werden wir noch Jahrhunderte warten müssen - falls er nicht sogar ganz ausfällt.

Ein Zitat aus dem Stück "Die Hamletmaschine" von Heiner Müller:

"Ich stand an der Küste und sprach mit der Brandung BLABLA, im Rücken die Ruinen von Europa. Die Glocken läuteten das Staatsbegräbnis ein, Mörder und Witwe ein Paar, im Stechschritt hinter dem Sarg des hohen Kadavers die Räte, heulend in schlecht bezahlter Trauer."

Genau das ist die wahrscheinlichere nahe Zukunft für uns: Die Ruinen von Europa.

Alexander aus Amnesia hat gesagt…

Das hab ich hier aus deinem Blog und das sagt eigentlich alles: Das Gedicht von Karl Kinndt:

Mal wieder Krieg

Es ist so weit. Die "Würfel sind gefallen".
Den Genfer Schwätzern stockt der Redefluss.
Gewehre knattern, Fliegerbomben knallen,
im Geiste hört man die Kommandos schallen,
dass nun en masse gestorben werden muss!

Erhebt, die Kellog-Pakte zu verfechten,
entrüstet nun die Welt sich wie ein Mann,
um den, der diesen Krieg entfacht, zu ächten
und als Vertragsbrüchigen zu entrechten?
Weltfremder Träumer! Keiner denkt daran --

Statt dessen hört man alle debattieren:
was schaut für uns bei dem Klamauk heraus?
Kann man durch fremden Krieg sich selbst sanieren,
wär's töricht, ihn als solchen zu negieren!
(Man hat ihn nur nicht gern bei sich zu Haus.)

Mag er Millionen gelbe Tote kosten -:
Wenn er die Wirtschafts-Konjunktur belebt,
stehn wir im Goethejahr auf unsrem Posten,
bereit zum Kundendienst im fernen Osten.
Es irrt der Mensch, der nicht geschäftlich strebt.

Und liegt dann drüben eine Welt in Trümmern,
dann sind wir alle wieder gern bereit,
uns um den Frieden in der Welt zu kümmern
und neu den Völkerbund-Palast zu zimmern
als Tempel hehrer Menschlichkeit!

http://narrenschiffsbruecke.blogspot.de/2012/05/der-bluhende-waffenhandel-und-die.html

Alexander aus Amnesia hat gesagt…

Und noch eins vom selben Autor, auch aus dem Blog:

Nie wieder Krieg

Der gute Völkerbund streicht seine Segel,
Verwirrung herrscht im hohen Genfer Haus.
Auf jeden Fall gilt nun als neue Regel:
wer dennoch Kriege führt, tritt vorher aus!

Man dachte anfangs von dem Institute,
es hätte endgültig den Krieg besiegt -
Und alle wären unter einem Hute,
auch der, wo nicht, hätt’ eins darauf gekriegt -

Doch wo ein Krieg ist, gibt’s auch Lieferungen
von Munition und Werken der Chemie!
Zu lieblich tönt das Liedchen: “Seid umschlungen,
Millionen!” jeder Rüstungsindustrie.

Ein Krieg ist nicht moralisch. Doch im tiefern
Sinn wirkt er wirtschaftlich sehr produktiv -
Wir würden gerne auch nach Japan liefern,
trotz Friedenssehnsucht -: Ja, die Welt ist tief ...

Lässt auch der liebe Gott die Erde beben,
weil ihm dies ew’ge Morden nicht mehr passt -:
die Liebe kann den Markt nicht neu beleben,
Geschäft ist nur, wo sich die Menschheit hasst ...

http://narrenschiffsbruecke.blogspot.de/2012/04/kriegshetze-im-qualitatsjournalismus.html

darkmoon hat gesagt…

Charlie: Ich kann dich nur zu gut verstehn. Ich bin auch ausgeflippt als ich diesen Scheiß gelesen habe den der CDU-Faschist da erbrochen hat!!! Ich frage mich bei solchen Aktionen ja immer: Was zur Hölle haben die noch mit uns und der Welt vor??

Charlie hat gesagt…

@ darkmoon: "Was zur Hölle haben die noch mit uns und der Welt vor??"

Ich fürchte, Du kennst die Antwort bereits.