Dienstag, 14. Mai 2013

Orwell lässt grüßen: Zur "Normalität" des Krieges


Man gewöhnt sich daran: Der Krieg wird zum Dauerzustand. Ende der 1990er Jahre mussten die uns Regierenden noch Horror-Geschichten erfinden, um dem deutschen Publikum die Notwendigkeit militärischen Eingreifens gegen die Serben einzureden. Jetzt, beispielsweise im Fall Mali, genügt es schon, die Gegner – das sind diejenigen, gegen die unsere französischen NATO-Partner, die ehemaligen Kolonialherren des Landes, mit deutscher Unterstützung an der Seite einer Putschisten-Armee kämpfen – als 'Islamisten' zu titulieren. Das Publikum weiß schon: Das sind Feinde, gegen die jedes Mittel recht ist. Kaum eine Zeitung, kaum ein Sender interessieren sich noch für Einzelheiten. Die sogenannte öffentliche Meinung, das heißt die veröffentlichte Meinung der Medienkonzerne, nimmt die Normalisierung des Krieges fraglos hin, sie reagiert sogar missmutig, wenn Deutschland an einem Krieg nicht teilnimmt, und fürchtet um 'das internationale Ansehen Deutschlands' (Der Spiegel vom 25.3.13, S. 22).

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Anmerkung: So widerwärtig wie die sich ausweitenden Kriege der neoliberalen Bande, so strunzdämlich ist das "Argument" des angeblich schwindenden "internationalen Ansehens Deutschlands" im Falle einer Nichtteilnahme an einem Krieg, die es - aber das nur am Rande - trotz anders lautender öffentlicher Verkündigungen im vergangenen Jahrzehnt gar nicht gegeben hat. Nicht irgendwelche Kriegsmaßnahmen ruinieren das internationale Ansehen Deutschlands, sondern die radikale, menschenfeindliche Verarmungspolitik der neoliberalen Bande stößt europaweit - und das vollkommen zu Recht - auf einen steigenden Widerstand innerhalb der Bevölkerungen.

Man muss schon in wirklich extrem weit entfernten, hochalbernen Parallelwelten herumspuken, wenn man die Nichtteilnahme an einem widerlichen Krieg zu einem enddebilen Idiotenargument eines "schwindenen internationalen Ansehens" deformiert. Aber sowas wird heute wie selbstverständlich gedruckt und nennt sich auch noch - stets in elitärer Abgrenzung zum dilettantischen Internet - "Qualitätsjournalismus". Da weiß man eben, was man hat - nämlich gequirlten Kot bzw. dümmliche Propaganda.

Derweil erleben wir wieder einmal, wie sich der deutsche Kriegsminister mit schnittiger Bürstenfrisur sogar entblödet, beim Tod eines der zum Zwecke des Mordens in den Krieg geschickten Menschen mit deutschem Pass und deutscher Uniform ausnehmend theatralisch vor die Kameras zu treten und pathetisch sein "aufrichtiges Beileid" und sogar seine "Trauer" zum Tode dieses Gesellen zu verkünden - so als sei es ein bedauernswerter, unvorhersehbarer Unfall, wenn Soldaten im Krieg in fernen Ländern, in denen sie nicht das Geringste zu suchen haben, sterben. Dem ehrenwerten Herrn Dr. de Maizière hätte ich den Inhalt meines Magens entgegenschleudern können, als ich ihn in dieser absurden, lächerlichen Pose den Tod des Soldaten vermarkten sah - zumal er über die Opfer, die dieser Mörder in Uniform und dessen "Kameraden" womöglich auf dem Gewissen haben, selbstverständlich kein Wort verloren hat. Zu beklagen sind in solchen Kriegen für die Kriegsherren stets nur die Toten aus den eigenen Reihen - die ermordeten "Gegner" oder gar die völlig unbeteiligten "Zivilisten", also stets die Mehrheit der Kriegsopfer, interessieren solche Figuren nicht.

Es ist nicht zu leugnen: Die widerliche Bande hat es tatsächlich geschafft, dass der Krieg nun auch wieder für Deutschland, wo er aus gewissen Gründen für einige Zeit eher verpönt war, zur grotesken Normalität zurückgekehrt ist - ein Umstand, der für gutgläubige Menschen wie mich noch vor 30 Jahren völlig unverstellbar gewesen ist. Diese Welt befindet sich weiterhin auf unabsehbare Zeit im Stadium der dunkelsten Barbarei und es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis auch in Europa wieder die Waffen und die Leichenberge Triumphe feiern. Bis dahin morden und brandschatzen sie eben in weiter entfernten Regionen und lassen sich das von der heimischen Medienpropaganda schönfärben und legitimieren - und mit Entsetzen muss ich konstatieren, dass diese unverhohlene Lügerei offensichtlich funktioniert: Die deutschen Schafe bleiben auch im Angesicht der hässlichen, rein ökonomisch begründeten Kriegslüsternheit dieser Verbrecherbande mehrheitlich ruhig.

Ob die Bande es diesmal auch schafft, die Massen wieder in Kriegsbegeisterung zu versetzen? Noch halte ich das für unmöglich - aber ich habe mich ja auch vor 30 Jahren schon einer billigen Illusion hingegeben, über die ich heute nur noch sarkastisch und bitter lachen muss.

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Der Tod im Felde



(Holzstich von Karl Rössing [1897-1987], in "Simplicissimus", Heft 6 vom 06.05.1934)

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