Dienstag, 9. September 2014

Neoliberaler Horror an den Hochschulen: Die "Karrierefabrik" der Zombies


(...) Fast jede deutsche Universität hat inzwischen etwas, das sich Career Service nennt. Oder Career Center. Oder Career Development Center. Oder Professional Center. Das sind Einrichtungen mit Räumen auf dem Campus und eigenen Portalen auf den Uni-Homepages. Das "Career Service Netzwerk Deutschland" vernetzt die Career-Einrichtungen miteinander, und wenn man das alles hört, kriegt man als normaler Mensch ja eigentlich schon Kopfschmerzen, als hätte man zehn Spam-Mails hintereinander gelesen, aber es geht gerade erst los.

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Anmerkung: Kopfschmerzen waren noch das geringste Problem, mit dem ich nach dem Lesen dieses erfreulich sarkastischen FAZ-Artikels zu kämpfen hatte - ich schwankte eher in einem diffusen Zustand, der sich wild hin und her springend zwischen hysterischem Gelächter und tiefster Resignation bewegte. Was hat diese Bande bloß aus den Universitäten gemacht? Es ist noch keine 20 Jahre her, da war ich selbst ein Teil dieser Studentenwelt, die auch damals schon - wenn auch in gänzlich anderer Hinsicht - eine Art "Paralleluniversum" war. Aber was sich da heute abspielt, spottet jeder Beschreibung: Von der Einführung der Schmalspur-Studiengänge ("Bachelor") nach amerikanischem Negativ-Vorbild, über "Leistungspunkte" und die stetige Verschulung der entkernten Studiengänge bis hin zu diesen hirnschmelzenden "Career Centern" mit ihrem BWL-infizierten, vernebelnden Neusprech sind die heutigen Hochschulen in weiten Teilen inzwischen zu einem flammenden Fanal des Zerstörungswerkes der neoliberalen Ideologie verkommen.

Im Text wird gelegentlich sarkastisch an den eigenen Verstand erinnert, den sogar fast jeder Studierende besitze - allerdings sind für die Förderung eben dieses Verstandes nun nicht mehr die Universitäten zuständig: Dort sollen künftig lediglich marktkonforme, kritiklose Fachidioten herangezüchtet werden, die das perverse, asoziale Spiel des "Wettbewerbs" - also das "Ausstechen" und "Heruntermachen" aller "MitbewerberInnen" stets nur zum eigenen Vorteil - vorzüglich beherrschen und dabei selbstverständlich mit allen Tricks, Betrügereien und Täuschungen arbeiten, die für den Kapitalismus so evident sind. Und dass jene Betrügereien nun auch noch ganz offiziell in entsprechenden "Seminaren" von den Studierenden "erlernt" werden sollen, ist eine dermaßen hanebüchene, offen zur Schau gestellte Perversion, dass es mir dazu glatt die Sprache verschlägt.

Gelernt habe ich beim Lesen dieses Textes auch etwas, nämlich beispielsweise, dass man heute so etwas wie "International Business Administration" studieren kann. Ich bin mir fast sicher, dass ich allerspätestens an dieser Stelle den alten Humboldt vernommen habe, wie er sehr geräuschvoll im Grab rotierte und nach der Enterprise schrie, damit er endlich, endlich abgeholt werde.

Eines ist sicher: Von der nächsten Generation der Akademiker ist in Sachen Empathie, sozialer Kompetenz und Humanismus - auch wenn das fast zu irrsinnig ist, um es sich überhaupt vorstellen zu können - tatsächlich noch weniger zu erwarten als von der heutigen. Die neoliberale Bande macht Nägel mit stählernen Köpfen - und damit ernst. Die Zementierung der konsequenten Unbildung und Konformität ist in vollem Gange - die nächsten Zombiehorden stehen in den Startlöchern.

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Modernisiertes Hochschulwesen


"Angesichts der Zunahme des Werkstudententums sieht sich die Professorenschaft genötigt, ihre Vorlesungen jeweils an der Arbeitsstelle ihrer Hörer abzuhalten."

(Zeichnung von Alfred Pichel [1896-1977], in "Simplicissimus", Heft 31 vom 02.11.1931)

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