Samstag, 23. Januar 2016

Das ewige Krimi-Gedöns


Für einen TV-Boykotteur wie mich ist es eigentlich unerheblich, was die Verdummungssender dieses Landes da unablässig in die Welt koten. Leider kommt es aber gelegentlich vor, dass ich bei der buckeligen Verwandtschaft oder bei Freunden dennoch mit den Auswürfen von ARD, ZDF, RTL, Sat1, Pro7 & Co. konfrontiert werde - und das Ergebnis ist, wie soll ich das formulieren, ein regelrechtes Blutbad.

Leben nur noch Zombies in diesem Land, deren Gehirn genüsslich von halb verwesten Mitzombies verspeist wurde? Wer zur Hölle schaut sich diesen Mist an, der da Tag für Tag, Stunde für Stunde ausgekotzt wird?

Bei meinen diesbezüglichen Stippvisiten in der deutschen TV-Landschaft ist mir aber eines ganz besonders heftig - quasi messergleich (*Brüllwitz*) - ins Auge gestochen: Neben völlig debiler Hirnmatsche, bestehend aus dämlichen Shows, "Doku-Soups" und Pseudo-Dokumentationen ("Aldi oder Lidl - welcher Discounter ist besser?" - und das Hirn fliegt kreischend davon) besteht ein wesentlicher Teil des Programms inzwischen aus dem immer gleichen Krimi-Gedöns.

Es ist fatal - offenbar gibt es keine anderen Geschichten mehr, die es zu erzählen lohnt. Dafür findet man zu nahezu jeder Tages- oder Nachtzeit in der Flimmerkiste irgendwelche polizeilichen Arschlöcher, die laut Drehbuch die "Guten" sind und dem ewig lauernden "Bösen" mit jeden erdenklichen Mitteln zu Leibe rücken. Es ist sicher nur ein Zufall, dass hierbei kaum ein TV-Polizist ohne gesetzeswidrige Handlungen auskommt: Da wird getrickst, gelogen und betrogen, dass sich die Balken biegen - stets aber im "Namen der guten Sache" und zum "Schutz der BürgerInnen", versteht sich. Man scheißt wiederholt und ausdrücklich auf Gesetze und hält es stattdessen wie der Wild-West-Cowboy, dessen "Recht" bekanntlich das bessere ist. - Ich kann so etwas nicht anschauen ohne einen ständigen Brechreiz zu verspüren.

Man stelle sich eine Bibliothek vor, deren Bestand zu 90 Prozent aus dämlichen Kriminalgeschichten besteht, in denen die staatlichen Schergen die "Guten" und der Rest der Bevölkerung "Verdächtige" sind. Die große Kunst der Literatur wäre in diesem Falle schon lange, sehr lange ausgestorben. Aber im TV "ermitteln" die Staats-Bullen fleißig um die Wette, als gäbe es kein Morgen.

Es vergeht kaum eine Stunde an einem beliebigen Tag in diesem Land, an dem nicht auf mindestens einem Kanal - meist sind es zeitgleich mehrere - irgendwelche Kommissare oder sogar Geheimdienstwichser auf Verbrecherjagd gehen. Anscheinend leben wir in einer vollkommenen Verbrechenshölle, in der einjeder ständig von bösen Mördern bedroht ist und aus der uns einzig eine gesetzeswidrig handelnde Staatsmacht erretten kann. So etwas brennt sich ins Hirn unbedarfter BürgerInnen - und ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass dies vielleicht doch nicht ganz so zufällig geschieht.

Als ich kürzlich gezwungen war, einen "Tatort" ansehen zu müssen, weil ich keine Lust hatte, 90 Minuten mit einer Schachtel Zigaretten und einem Kaffeepott auf der eisigen Terrasse zu verbringen, musste ich den folgenden Dialog (keine wörtlichen Zitate) verfolgen:

Bulle 1: "Wir dürfen in diese Wohnung jetzt nicht einfach so eindringen, dafür bräuchten wir einen gerichtlichen Beschluss!"
Bulle 2: "Hörst Du denn nicht diese verzweifelten Schreie?"
Bulle 1: "Hä?"
Bulle 2: "HÖRST DU DENN NICHT?"
Bulle 1: "Äh ... jetzt, wo Du es sagst ..."
Bulle 2: "Da ist eindeutig 'Gefahr im Verzug'!"
Bulle 1: "OK ... also dann: Attacke - wir entern die Bude!"

Danach bin ich, in einen dicken Mantel gehüllt, für den Rest des "Tatort"-Abends bibbernd, aber immerhin halbwegs hirngesund im Exil der vereisten Terrasse geblieben.

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Der neueste Lustmord


"Ein Bild aus dem Familienleben"

(Zeichnung von Thomas Theodor Heine [1867-1948], in "Simplicissimus", Heft 6 vom 11.05.1931)

15 Kommentare:

altautonomer hat gesagt…

Diese Tatortinflation ist schon penetrant. Dortmund, Münster, Leipzig, Kitzbühl usw.

Dazu vorab ein aktuelle Video:

https://www.youtube.com/watch?v=PNjG22Gbo6U

Polizei haben? Yep. Bochum hat Harry und Toto, zwei bildungsferne Uniformträger, die die Lizenz zum Duzen von Punks, Betrunkenen und Obdachlosen haben und mehr dem Ruf der Polizei schaden als nützen. Als der Bochumer Polizeipräsident vor einem Jahr die niedrige Aufklärungsquote bei Wohnungseinbrüchen mit Personalmangel begründete, mußte ich grinsen, da er sich ja bei knappen Personal noch erlauben konnte, zwei Clowns monatelang mit RTL II in andere Kontinente (USA) zu Dreharbeiten reisen zu lassen.

Ähnlich ist es bei der Kölner Polizei. Dem Verblödungssender Sat1 wird für die Serie “Auf Streife” massenhaft hochqualifiziertes Personal für die Dreharbeiten zur Verfügung gestellt. Gezeigt werden nur Delikte der Kleinstkriminalität wie hartnäckige Drückerkolonnen, Alkoholgnuss auf Kinderspielplätzen, frei laufende Hunde, Radfahrer auf dem Gehweg, gestalkte Frauen und Familienstreitigkeiten etc.

Hier die Liste der steuerfinanzierten amtlichen Hauptdarsteller:
https://de.wikipedia.org/wiki/Auf_Streife

Eine Form der Imagepflege, die mich intellektuell beleidigen würde.

RTL bedient sich in der vergleichbaren Pseudo-Reality-Serie “Blaulichtreport” Laiendarstellern, die angeblich einen professionellen Hintergrund hätten (Türsteher? Securitymann? Privatdetektiv? Wachleute? Personenschützer?) Für ausgebrannte Bullenrentner sind die meisten noch zu jung. Alle tragen aber echte Uniformen mit dem NRW-Wappen am Ärmel und fahren echte Polizeiautos.

Damit will ich sagen, dass sich die Öffis von den Privaen kaum noch unterscheiden.

epikur hat gesagt…

Die Leute stehen auf den Scheiss. Zumindest wird es so billig produziert und hat "genug" Einschaltquoten/Reichweite/Marktanteil, dass es sich "lohnt". Ich konnte das alles irgendwann auch nicht mehr ertragen. Dann sah ich eine Weile Phoenix, bis mir die ständig einseitige Kommentierung und Berichterstattung auf den Sack ging. Nun lebe ich seit rund 10 Jahren fernsehfrei. Es ist ein Segen!

Als wir vom ZG Team noch ohne Blog waren, haben wir mal eine Rubrik gefüttert: Nicht vergessen...abschalten. Mit den schlimmsten Sendungen im TV. Eine unvergleichlich anstrengende Arbeit war das. Peter Lustig durfte das damals noch zu den Kindern sagen. Heute würde ein Moderator dafür gefeuert werden.

Ich bin kein Roboter hat gesagt…

Wirklich bewusst sehe ich mir nur noch Satire im Fernsehen an, nämlich die "heute show", "Die Anstalt", Mitternachtsspitzen, Pelzig oder Kabarett auf 3Sat.
Aber leider gibt es auch bei Kabarett oder Satire richtig schlechte Formate (bspw. alles mit Nuhr, oder auch "extra3" ist richtig schlecht geworden in den letzten Monaten, das tue ich mir nicht mehr an...)

Der Rest ist wirklich zum kotzen, und da unterscheiden sich wirklich die "Öffis" von den Privaten nicht mehr.

Im Internet schaue ich mir immer "Walulis sieht fern" und Oliver Kalkofe an, sehr empfehlenswert!
Und die TV-Ausschnitte in Kalkofes Sendung erschrecken mich auch immer wieder... ist immer wieder wie ein Eimer mit kaltem Wasser mitten ins Gesicht.
(Oder ein dicker dampfender Haufen auf dem Wohnzimmerteppich)

Da ich gerade beim Empfehlenswerten bin:
"Rüttens Bullshit Universum" (auch auf der Tele5-Homepage) ist auch sehr lustig :)

Schöne Grüße!

Harri hat gesagt…

Es gibt Ausnahmen wie z.B.

"mareTV", donnerstags abends im NDR.

Oder kleine Perlen in den Sendereihen "Menschen hautnah" und "Fremde Kinder" (3sat bzw. WDR).

Harald Lesch, wenn sie ihn mal bringen.

BBC-Wissenschaftsdokus. Die Reihe "Geheimnisvolle Orte".

Also es gibt schon noch Sendungen, die den Unterhalt eines TV-Gerätes rechtfertigen.

Harri hat gesagt…

NACHTRAG:

Wie nützlich mir häufig das Lesen Deines Blogs ist...
Vorgestern musste ich durch das Kästner-Gedicht unwillkürlich an James Krüss denken (Kindheitsbilder, wenn ich krank war, da wurde mir auch mal was vorgelesen) und tatsächlich, über Wikipedia bei Amazon, der "Wohltemperierte Leierkasten" - mit einem Nachwort von...? Erich Kästner!
Jetzt Deine Ansichten über das Fernsehen (decken sich mit meinen) - da fiel mir plötzlich wieder eine Doku ein, auf die ich mir mal spät abends gestoßen bin, ewig her, wahrscheinlich sogar Erstausstrahlung, WDR, in der Reihe "Menschen hautnah": "Die Herren der Liegenzonen - Matratzenverkäufer". Wenn man gar nichts erwartet, ist die Überraschung am größten.
Ich will auf die Sendung im Einzelnen gar nicht weiter eingehen, habe jetzt nur mal nachgeguckt, von wem die Doku eigentlich war, die mich da so fasziniert hat. Und voila, ein gewisser Konstantin Faigle. Drei DVDs habe ich bei Amazon gefunden.
Und freue mich jetzt über drei interessante bevorstehende "Fernseh"- Abende! ;-)
Vielen Dank für Deinen Anstoß.

altautonomer hat gesagt…

Ja, es gibt Lichtblicke bei den "Öffis". Z. B. das hier vor wenigen Tagen:

http://www.daserste.de/unterhaltung/film/filmmittwoch-im-ersten/sendung/operation-zucker-142.html

Gruselig und bedrückend. Die Realität soll nach Aussagen von Experten in der anschließenden Talkrunde bei Maischberger noch schlimmer sein. Ehrlich gesagt, ich hatte mir nicht gedacht, dass diese Gesellschaft dermaßen verkommen ist. Und vieles auch noch statlich institutionell gedeckelt (siehe Sachsensumpf "Mandy" und Dotroux-Affäre Belgien).

Charlie hat gesagt…

@ Altauto: Zu den "Doku-Soaps" kann ich nicht viel sagen - ich habe mir, bevor ich den obigen Text schrieb, lediglich das TV-Programm der vergangenen Wochen im Netz durchgelesen und einige Stichproben dazu auf Videoportalen durchgeführt. Das reichte mir völlig. Zu den Details, die Du benennst, kann ich nur feststellen, dass sie wunderbar ins Bild passen.

Ich halte es allerdings für falsch, bezüglich der öffentlich-rechtlichen Sender von einem "Lichtblick" zu sprechen - ich persönlich finde den Begriff "Nachhall" weitaus passender. Verglichen mit dem (durchaus auch sehr kritikwürdigen) Programm von vor 20 Jahren ist das, was ARD und ZDF heute anbieten (laut nachgelesener Programmliste) nur noch eine lächerliche Karikatur des schon damals überwiegend schlechten Programms.

Mir ging es hier um das Detail des völlig absurden Überangebotes von Krimis (Filme und Serien) und deren zumeist hanebüchene, illegale Ausrichtung. Nicht zuletzt dank solcher Machwerke weiß beispielsweise heute fast niemand mehr, dass man bei der Polizei zu keinerlei Aussage verpflichtet ist und erst recht keiner polizeilichen Ladung Folge leisten muss.

Staatsschergen sollte man in jedem Fall mit äußerstem Misstrauen begegnen, da sie eben in aller Regel die Interessen des kapitalistischen Staates und nicht die Interessen der "normalen BürgerInnen" vertreten bzw. durchzusetzen haben. Besonders deutlich wird das eins ums andere Mal bei Demonstrationen, die sich gegen den kapitalistischen Wahnsinn richten.

Liebe Grüße!

Charlie hat gesagt…

@ Epikur: Dazu fällt mir der Spruch des Fernsehkritikers ein, der am Ende jeder Folge bekanntlich sagt: "Schalten Sie mal wieder ab!" :-) Leider wird das Format aber auch immer schlechter, so dass ich es nicht mehr allzu regelmäßig verfolge.

Es scheint ein "physikalisches" Gesetz zu sein: Je größer die Reichweite, desto niedriger das Niveau ...

Charlie hat gesagt…

@ norobot: Kalkofe kann ich ebenfalls nur empfehlen, auch wenn ich nur das von ihm kenne, was es im Netz zu sehen gibt. Wenn ich mal so richtig schlechte Laune habe und mich wirklich mies fühle, hilft ein Kalkofe-Video oft darüber hinweg. :-)

Nur ein Beispiel dazu: Eine Hommage an die "Knitterfresse" Matthias Reim. Ich kann mich gar nicht satt sehen an solchen satirischen Kunstwerken. Was will Merkel da noch ausrichten? ;-)

Charlie hat gesagt…

@ Harri: Ich kenne die Filme von Konstantin Faigle leider nicht - wenn Du sie gesehen hast, bist Du aber herzlich eingeladen, dazu - falls Du das möchtest - im Rahmen eines Gastbeitrages etwas zu schreiben, um auch Unwissende wie mich teilhaben zu lassen. :-)

Meine Mailadresse steht ganz oben rechts.

Liebe Grüße!

MT hat gesagt…

Hallo Charlie und Mitleser, falls Du das noch nicht wusstest, Kalkofe kann man sich auch in ganzen Folgen auf der Seite von Tele5 anschauen. Da sind alle Folgen gespeichert, die man immer wieder aufrufen kann. http://www.tele5.de/a-z/kalkofes-mattscheibe-rekalked/sendungen/mattscheibe-rekalked.html

Zurzeit macht er Pause, aber der Jahresrückblick 2015 ist auch sehr zu empfehlen. Das meiste, was er da in den Clips verarscht, kenne ich auch nicht, obwohl ich ein TV zu Hause habe und mir auch ab und zu gerne Trash reinziehe. Aber vieles im TV ist wirklich inzwischen unterirdisch. Schade nur, dass die älteren und die ganz alten Folgen von Kalkofe nicht mehr online sind. Die waren auch super.

Eike Brünig hat gesagt…

Das geht doch noch! Gehe doch mal ins Kino und schau Dir sowas, wie Star Wars an! Die Dialoge vom Start- bis wahrscheinlich zur Endszene (nicht gesehen) kann man so umreißen: Junges Fräulein: „Guck mal da! Ein Robotaaaa!" „Tüdüdülü“ (C64 Sounds) → Android 1-3. „Uargh, hörch, pfrrr. Bonk!“ → Harrison Ford, wird beantwortet von Chew Bacca: „Hörch, Tschu lulu mumu, uuu, grink, grink...“

Charlie hat gesagt…

@ MT: Das wusste ich tatsächlich nicht, danke für den Link! Ich habe mir auch direkt einige Folgen angesehen ... dafür brennen mir jetzt die Augen und der Bauch schmerzt. Vielen Dank auch dafür. ;-)

altautonomer hat gesagt…

GrooceX: Am 18.3.2010 schreibt die Jüdsiche Allgemeine über Martin Walser unter anderem über die Kritik von Frau Klüger an dem Roman "Tod eines Kritikers" - eine Satire über den Literatukritiker Marcel Reich-Ranicki folgendes:

"Ruth Klüger, Walsers Freundin aus der Nachkriegszeit, zeigte sich in einem offenen Brief bestürzt über diesen Text ihres alten Weggefährten und ließ es zum Bruch kommen. Der Brief beginnt: »Lieber Martin, wäre Tod eines Kritikers doch nur ein misslungener Roman! Das könntest Du Dir schon leisten, nach all den viel gelesenen und gefeierten Werken, die Du geschrieben hast, und es würde Deinen Ruf kaum beeinträchtigen. Doch das Gift, das Dir hier aus der Feder floss, ist Dir nicht einfach zu einem schlechten, es ist eher zu einem üblen Buch geronnen.«

Leider hast Du meinen zweiten Teil unterschlagen, in dem ich meine inhaltlichen Erwartungen formulierte. Wenn derartige Gedenkfeiern unter dem Motto "Nie wieder" veranstaltet werden, dann gehört dazu auch ein "Warum schon wieder?". Sonst verkommen derartige ritualisierte Veranstaltungen zu Lächerlichkeit.

Frau Klüger ist weder senil, noch naiv, noch altersdement, sondern eine hochintelligente Frau, die trotz ihres Auschwitz-Traumas genau weiss, was sie wann, warum und wo sagt bzw. nicht sagt.

GrooveX hat gesagt…

ich weiss jetzt nicht, ob du aus versehen hierher gerutscht bist, aber sei's drum.

pass auf: ob die gute frau weiss, was sie sagt, wo und in welchem kontext sie das tut, steht gar nicht zur debatte, für mich jedenfalls, auch nicht, ob und wie traumatisiert sie sein mag. darüber zu spekulieren ist meines erachtens quatsch und im letzten übel. natürlich darf und soll man diese rede kritisieren. das ist doch völlig unbenommen. nur das eine argument, dein spezielles, wenn auch sehr verbreitetes argument, ist einfach völlig banane.

und jetzt lass es gut sein, sonst schreib ich noch, du hast recht.