Dienstag, 25. Oktober 2016

Der esoterische Dildo: Konstantin Wecker und Erich Mühsam


Die Preisverleihungsmafia in Kapitalistan ist höchst aktiv: Ob nun ein Kriegs-, Morddrohnen- und Folterpräsident wie Obama den Friedensnobelspreis verliehen bekommt oder ein Klampfen- und Sprachlegastheniker wie Bob Dylan, der nie eine einzige Zeile Literatur zu Papier gebracht hat, sich in der verwesenden Sonne des Literaturnobelpreises sonnen darf: Für eine schamlos zu unterbietende Untergrenze ist sich dieses System nie zu schade.

Vergewaltigungen sind in dieser gruseligen Szene an der Tagesordnung. Eine solche fand am 14. Oktober auch in Lübeck statt, als der Erich-Mühsam-Preis ausgerechnet an den esoterischen Schmalzbarden Konstantin Wecker verliehen wurde (einen dauerhaft gültigen Link gibt's dazu auf der Seite der Erich-Mühsam-Gesellschaft leider nicht). Man muss sich das, wie im kapitalistischen Preisverleihungswahn üblich, auf der schmelzenden Hirnrinde zergehen lassen: Ausgerechnet Wecker, der mit seinem sektiererischen Eso-Kampfblog "Jenseits der Realität" aktiv linke Spaltung betreibt und den von Erich Mühsam angestrebten anarchistischen Zielen in jeglicher Hinsicht einen esoterischen Dildo nach dem anderen in den blutigen After treibt, erhält den Erich-Mühsam-Preis.

Bob Dylans dummes Gebrabbel und Obamas Kriegsgeilheit werden hier mühelos durch Weckers schlichte Musik und Texte, die sich allzu gerne in spinnerten Eso-Sphären verlieren, ergänzt. Besonders erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang die Laudatio von Christian Schwandt, die - natürlich - einzig in Weckers Eso-Blog dokumentiert wurde. Wer sollte einen solchen Bockmist denn auch sonst veröffentlichen? Es ist nun ein Wesensmerkmal einer Laudatio, dass sie keine Kritik enthält, sondern den Preisträger in allen - gerne auch absurden - Farben zu loben hat. Aber wer sich das durchliest und Mühsams Werk kennt, bekommt dennoch zuerst Pickel, dann üblen Hautausschlag, Kopfschmerzen, Durchfall, Brechreiz und muss sich zuletzt in die nächste Notaufnahme eines möglichst noch nicht privatisierten Krankenhauses begeben, um schlimmere Folgeschäden zu vermeiden.

Erich Mühsam rotiert derweil wie ein Zombie im Grabe und wünscht sich, diese verkommene, esoterisch verbrämte Welt niemals betreten zu haben.

---

Lumpenlied

Kein Schlips am Hals, kein Geld im Sack.
Wir sind ein schäbiges Lumpenpack,
auf das der Bürger speit.
Der Bürger blank von Stiebellack,
mit Ordenszacken auf dem Frack,
der Bürger mit dem Chapeau claque,
fromm und voll Redlichkeit.

Der Bürger speit und hat auch recht.
Er hat Geschmeide, gold und echt. –
Wir haben Schnaps im Bauch.
Wer Schnaps im Bauch hat, ist bezecht,
und wer bezecht ist, der erfrecht
zu Dingen sich, die jener schlecht
und niedrig findet auch.

Der Bürger kann gesittet sein,
er lernte Bibel und Latein. –
Wir lernen nur den Neid.
Wer Porter trinkt und Schampus-Wein,
lustwandelt fein im Sonnenschein,
der bürstet sich, wenn unserein
ihn anrührt mit dem Kleid.

Wo hat der Bürger alles her:
den Geldsack und das Schießgewehr?
Er stiehlt es grad wie wir.
Bloß macht man uns das Stehlen schwer.
Doch er kriegt mehr als sein Begehr.
Er schröpft dazu die Taschen leer
von allem Arbeitstier.

Oh, wär ich doch ein reicher Mann,
der ohne Mühe stehlen kann,
gepriesen und geehrt.
Träf ich euch auf der Straße dann,
ihr Strohkumpane, Fritz, Johann,
ihr Lumpenvolk, ich spie euch an. –
Das seid ihr Hunde wert!

(Erich Mühsam [1878-1934], in: "Wüste - Krater - Wolken", 1914)


8 Kommentare:

pâté de foie hat gesagt…

~~~ ⒶIRSHIP PIRATES ⒶTTACK ~~~

Hinter den Schiffen heult ein Hund.
Denn die Schatten der Nacht sind bleich und lang;
und des Charlies Herz ist vom Greinen wund; ­
der hungrige Mond wühlt lüstern im Tang.

Durch Morgennebel streicht hastig sein Boot,
die Segel schwarz, wie vom Tod geküßt.
Die Flut faucht salzig näher und droht...
Bang knarrt seiner Seele morsches Gerüst.

Charlie hat gesagt…

Chapeau - auf eine solche kreative Kritik warte ich seit Jahren! Das ist grandios - danke, Leberwurst! :-)

Es ist erschütternd, dass dies ausgerechnet anlässlich eines Postings zu Konstantin Wecker geschieht. Muss ich am Ende doch erst über Helene Fischer schreiben, damit man mir endlich einmal stilvoll ans Holzbein pinkelt? ;-)

Dylans Gebrabbel und Weckers Geschmalze werden dadurch zwar nicht besser - aber immerhin vermag der eine oder andere mein greinendes Gekeife nun besser einzuordnen.

Notiz an die Bordschützen: Dreht die Kanonen herum und feuert ins Innere des Rumpfes, falls die Leberwurst sich noch einmal zu Wort meldet!

Cpt. Ahab

jakebaby hat gesagt…

Welche Bordschuetzen und das Innere welchen Rumpfes? https://www.youtube.com/watch?v=1Vw8O9JHWxU
?

altautonomer hat gesagt…

jakebaby: Die Bordschützen mit dem Mindestlohn (3 x täglich Kielholen).

Charlie: Man kann die Verleihung des Literaturnobelpreises auch von der anderen Seite sehen. konkret schreibt: "Zwar sind Dylans Songtexte nicht, was sie ihren Liebhabern zu sein scheinen, aber so schlecht, dass er deshalb zum Nachfolger des Günter Grass und der Herta Müller gemacht werden müsste, sind sie nun auch wieder nicht." Stimmt auch wieder.

Ich hab mich früher auch aufgeregt, als z. B. Frank Plasberg (Selbstbezeichnung "Der Inlandskorrespondent")den Grimmepreis für seine Labersendung bekam. Meine Devise: Preise sind wie Hämorrhoiden, irgendwann bekommt jedes Arschloch einen.

altautonomer hat gesagt…

Es gibt aber auch Ansätze, Versuche, einen Preis abzulehnen. Diese Menschen haben mehr Courage, als diejenigen, die sich durch Preisverleihungen geschmeichelt fühlen.

Für diejenigen, die sich nicht mehr erinnern oder es gar nicht kennen, ein Video, das zeigt, wie die Fernsehmächtigen und verantwortlichen Kulturschaffenden im ör TV mit einem ihrer größten Kritiker umgehen (Marcel Reich-Ranicki), indem sie ihn in Gestalt eines Thomas Gottschalk verarschen. Das Publikum lacht über die Ablehnung des Preises und die Begründung dazu, merkt also überhaupt nicht, dass es selber gemeint ist. Damit die für die Mehrheit der Anwesenden objektiv peinliche Situation nicht eskaliert, bietet MRR dem Gottschalk auch noch das DU an.

https://www.youtube.com/watch?v=jsbhA64PvwA

Charlie hat gesagt…

@ Altauto: Den Herrn Grass muss ich zumindest teilweise in Schutz nehmen - Teile seines "Jugendwerkes", nicht zuletzt "Die Blechtrommel", sind nicht so schlecht, wie sie heute gerne dargestellt werden. Auch sein "Prosa-Gedicht" über israelische Politik halte ich nicht für so verdammenswert wie weite Teile der neoliberalen Kampfpresse es vor einiger Zeit getan haben. Dass der Mann in seinen späteren Lebensjahren dennoch zu einer - zumindest in politischer Hinsicht - Witzfigur mutiert ist, schmälert sein "Frühwerk" nicht, wie ich finde.

Über Reich-Ranicki gäbe es eine Menge zu sagen - ich spare mir das aber an dieser Stelle, weil ich den Mann trotz gelegentlicher Entgleisungen und Aussetzer stets für einen authentischen Menschen gehalten habe, der sich nie um Ansehen, "politische Korrektheit" oder buhlende Zustimmung geschert hat. Unvergessen ist seine Forderung, die er vor vielen Jahren mal in der FAZ formuliert hat, nachdem einige seiner Textpassagen zuvor wieder einmal gründlich missverstanden worden waren: "Ich fordere die Einführung von Ironiezeichen - analog zu den Anführungszeichen - in der deutschen Presse!" (Man stelle sich diesen Satz in der Reich-Ranicki'schen Sprechweise, leicht lispelnd, mit rollendem "r" und ausgeprägter Sprachmelodie, vor.) :-)

Über das groteske, erzspießige Pinguin- und Abendkleid-Publikum beim "Deutschen Fernsehpreis" muss man indes keine Worte verlieren - der passende Kommentar dazu wäre eine LKW-Ladung Stinkbomben und Juckpulver gewesen. Allein für diesen schmierigen GEZ-Multimillionär Gottschalk, der seit Jahrzehnten speckmadig im amerikanischen Steuerexil haust, könnte ich mich dazu verleiten lassen, das Teeren und Federn kurzzeitig wieder einzuführen (bitte an die Ironiezeichen denken).

Dagegen sind die läppischen 3000 Euro, die der selbsternannte "Mönch und Krieger" [*lol*] Wecker für den Mühsam-Preis einkassiert hat, nur ein Portokassenbetrag, den er als "Lebemann" sicher genussbringend zu verwenden weiß.

Liebe Grüße!

promenadenmischung hat gesagt…

Na ja, Nobelpreise sind auch nicht mehr so nobel wie zur Gründerzeit ;-)
Aber das dem Budilnik der Erich M.-Preis verliehen wurde – oh Mensch,
schwer zu verdau´n ;-) Abba jut, wir sollen halt turbokapitalistisch
konform im Turbotempo verblöden und jeglichen Ansatz von Geschmack
verlieren, Mastvieh der Reichen, das wir nun einmal sind …
P.S.: Das dieser klampfenschändende Falsettsäger B. D. aka R. Z. den
Literaturnobelpreis bekommen hat – immerhin: er ist gar nicht erst zur
Verleihung angereist. Hat er evtl. eingesehen, dass er diesen Preis
nun wirklich nicht verdient hatte? Glaub ich nicht, bei seinem Megaego …

Charlie hat gesagt…

@ Promenadenmischung: Ich kenne zwar die Größe des Dylan'schen Egos nicht, halte ihn aber zumindest theoretisch für fähig, die Absurdität dieser Preisverleihung zu erkennen. ;-)

Das unterscheidet ihn - nach meiner unmaßgeblichen Meinung - von einem Herrn Wecker.

Liebe Grüße!